Philipp (6/16)

Tagebuch‑Eintrag betreffs Philipp

ℹ️ 19.02.2022
Als ich 2009 diese Philipp-Geschichte hier veröffentlichte, ahnte ich noch nicht, dass sie für Philipp und mich einen katastrophalen Verlauf nehmen würde …
Sie hatte kein »gutes Ende«!

Den Vornamen von Philipps Mutter habe ich mit M abgekürzt.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Meine Homepage-Logfiles “sagen” mir, dass M gestern Vormittag um 10 Uhr 55 ins Internet gegangen ist (ich erkenne sie an ihrer Rechner‌kennung - sobald sie sich ins Internet einwählt, fragt ihr Rechner die RSS-Feeds meiner Homepage ab; kleiner Trick von mir, ihr meine RSS-Feeds zu verraten - so erfahre ich, wann sie keine Zeit für ihre Kids hat).
Abends um 18 Uhr 21 hatte sie wieder nichts Besseres zu tun, als ins Internet zu gehen. Um 21 Uhr 22 schon wieder. Hat diese Frau keinen Haushalt, keine Kinder …?
Heute Nacht um 0 Uhr 53 ging sie schon wieder ins Internet. Das war also sicher wieder eine lange Nacht für sie am Rechner. Kein Wunder, dass sie vormittags nicht aus dem Bett kommt.

Pünktlich um 7 Uhr habe ich M angerufen, ihr gesagt, dass es 7 Uhr ist und sie Philipp wecken muss.
Da sie sich sehr müde anhörte und ich vermutete, dass sie wieder eingeschlafen sein könnte, rief ich um 7 Uhr 20 noch mal bei ihr an:
Ist Philipp schon wach?
Ihre Antwort: Nein. Der steht nicht auf!
Ich: M, in 10 Minuten kommt sein Bus. Du musst ihn wecken!
Sie: Ich bin auf der Toilette. Was soll ich denn machen, wenn der nicht aufstehen will?
Ich: Ihn eher ins Bett stecken!
Sie: Früher als 9 Uhr?
Ich: Gehe hin und hilf ihm beim Anziehen! Bei mir steht er in 2 Minuten auf, nicht in 20! Dann machst du was verkehrt!

Bei mir geht er oft erst um 23 Uhr ins Bett. Vielleicht kommt es darauf an, wie ein Kind schläft statt ab wann …? Außerdem kommen Philipp und J… bei ihr nie vor 23 Uhr zur Ruhe! Und dann hindern sie noch die Tiere und zwei laufende Fernseher am Ein- und Durchschlafen!

Ich habe dann wieder - wie immer, wenn Philip zu Hause schläft - an der Ecke X…straße mit gezücktem Fotoapparat auf den Schulbus gewartet und gehofft, dass Philipp es geschafft hat.

Nach dem, was Cem (Ms Liebhaber) mir erzählt und ich selbst erlebt habe, ist es bei Philipp zu Hause der Normalzustand, dass er wenige Minuten vor Eintreffen des Schulbusses aus dem Bett geworfen, in seine Klamotten gesteckt und hinaus gejagt wird. Oft wurde er sogar erst geweckt, wenn der Busfahrer an der Haustür klingelte!

Wider Erwarten hielt der Busfahrer an, obwohl Philipp (mit einem missmutigen Gesicht) im Bus saß. Er öffnete seine Seitenscheibe und brüllte los, dass er das nicht mehr mitmache. Entweder steht niemand da und keiner guckt aus dem Fenster, während er in zweiter Spur auf Philipp wartet. Oder der Bengel steht zwischen den geparkten Autos, sodass er ihn nicht sieht. Er macht das nicht mehr mit! In Zukunft hält er nicht mehr vor seiner Haustür in zweiter Spur sondern an der Bushaltestelle. Die ist nur ein paar Meter weg. Die wird der Bengel wohl laufen können! Ich sagte ihm, dass er die Strecke zur Bushaltestelle gar nicht laufen kann, wenn ihn die Mutter erst wenige Minuten vorher aus dem Bett schmeißt. Ich habe die Mutter heute um 7 Uhr geweckt. Und um 7 Uhr 20 lag Philipp immer noch im Bett! Wie soll der Junge es da in 10 Minuten noch schaffen, zur Bushaltestelle zu laufen. Der Busfahrer meinte, das sei ihm alles egal. Er hält jedenfalls nicht mehr vor Philipps Haustür. Ich solle das der Mutter ausrichten.

Direkt von der Arbeit bin ich um 15 Uhr 20 bei M eingetroffen.
Ich traf sie völlig down an. Verwundert frage ich sie, warum denn J… schon da sei, ich sei extra hergekommen, um auf Philipp zu warten, damit sie J… von der Kita abholen kann. Sie sagte, dass sie sich nicht gefühlt habe und J… deshalb zu Hause gelassen hätte.

Dann berichtete ich ihr, was der Busfahrer mir ausgerichtet hatte.
Darauf reagierte sie völlig verärgert, warum das denn jetzt plötzlich nicht mehr ginge, dass der Bus vor der Haustür hält. Sie hätte keinen Bock drauf, dass Philipp alleine bis zur Bushaltestelle läuft.
Ich hielt ihr vor, dass andere Kinder ja auch zur Bushaltestelle laufen und viele sogar alleine bis zur Schule. Philipp muss nur lumpige 30 Meter laufen, das ist ihm wohl zuzumuten! Sie muss ihn nur rechtzeitig wecken und losschicken.
Sie entgegnete, dass sie ihn dann aber an der Bushaltestelle nicht mehr sehen kann.
In Gedanken antwortete ich ihr: Du faule Kuh stehst doch nie am Fenster, wenn Philipp in den Bus einsteigt. Gern hätte ich das laut gesagt - aber ich wollte sie nicht noch mehr verärgern.

Wenn er bei mir schläft, wecke ich ihn um 7 Uhr und streichle ihn zwei Minuten lang wach. Dann ziehe ich ihm langsam die Zudecke weg und helfe ihm beim Anziehen - und allmählich wird er dabei wach. Dann geht er sich in Ruhe waschen und Zähneputzen. Bei dir sieht er weder Wasser noch Zahnbürste. Und bei mir bleibt noch genug Zeit, ein paar Minuten zu kuscheln und gemütlich zum Bus zu laufen.
Wenn er bei mir schläft, hat er diesen Stress nicht. Da musst du dich nicht wundern, dass er in der Schule aggressiv wird!

Sie: Ich habe keinen Bock mehr, darüber zu reden.

Ja, das kennen wir: Wenn es für Madame unangenehm wird, hat sie keinen Bock mehr …
Sie hat keinen Bock auf die Kinder, die sie sich angeschafft hat.
Sie hat keinen Bock auf die Tiere, die sie sich angeschafft hat.
Sie hat keinen Bock auf alles, was ihr nicht in den Kram passt oder zu ihrem Vorteil ist!

Um 15 Uhr 32 kam Philipp von der Schule nach Hause. Ich öffnete ihm Haus- und Wohnungstür und machte im Treppenhaus ein Foto von seinem Eintreffen.
Philipp ließ im Flur seine Schultasche auf den Boden fallen und ging mit Jacke und Schuhen ins Wohnzimmer.
Mutter und Sohn würdigten sich keines Blickes! Das schnürte mir das Herz zu. Ich konnte nicht länger dort bleiben und das mit ansehen - aber ich wollte auch nicht so sang- und klanglos verschwinden. Also folgte ich den beiden ins Wohnzimmer.
M lümmelte schlechtgelaunt auf der Couch. Neben ihr saß J…. Das Baby stand auf dem Boden und hielt sich in der Nähe der Mutter an der Couch fest. Die beiden Hunde waren ebenfalls auf der Couch. Im Fernseher lief ein DVD-Film. --- Und ich dachte darüber nach, wie wohl der bisherige Tag dieser Familie ausgesehen haben mag …

Philipp erzählte dann aufgebracht, dass er heute schon wieder Stress in der Schule hatte und geschlagen wurde. Er zog seine Schuhe aus und zeigte, an welchen Stellen an den Füßen er verletzt wurde.

Ich hielt M vor, dass Philipp in den letzten Tagen täglich in der Schule verletzt wurde! Vorgestern an der Schulter, gestern hatte er Kratzer am Hals, und heute sind es die Füße! Ich fragte Philipp, ob er vielleicht aggressiver als früher auftreten würde, was er bestritt. M hielt ich vor, dass so etwas bisher noch nie derart gehäuft passiert sei. Sie müsse diese Situation auf jeden Fall ändern. Philipp muss wieder seine Ruhe haben!
M ließ meine Worte mit gerunzelter Stirn über sich ergehen - ebenso wie Philipps Schilderung!

Ich streckte tröstend die Arme nach Philipp aus und sagte: “Oh, du Ärmster. Komm mal her.”
Er ging jedoch zur Couch, setzte sich - offenbar Mamas Trost suchend! - neben M, und als diese nicht mal mit einem Blick reagierte, lehnte er sich enttäuscht zurück.
Mir schoss der Verdacht durch den Kopf, dass Philipp sich diese Verletzungen vielleicht selbst zugefügt haben könnte, um endlich für einen kurzen Augenblick Mamas Aufmerksamkeit zu bekommen …

Das war der Zeitpunkt, wo mich nichts mehr in dieser Wohnung hielt - ohne dass die Gefahr bestand, dass ich auf M losgehe oder ihr Philipp mit Gewalt wegnehme!
Mit blutendem Herzen sagte ich tschüss und ging.

Ich habe nichts anderes mehr im Kopf als die Zustände in dieser Familie, diese Lieblosigkeit, das Leiden der Kinder, Philipps Elend!
Am liebsten würde ich hinüber zum Jugendamt gehen, dort auf den Tisch hauen und jemanden hinüber zu dieser Familie schleppen, damit endlich etwas geschieht!

Diese Situation, in der ich sehenden Auges nichts für diese Kinder, wenigstens für Philipp tun kann, macht mich im Kopf kaputt!
Ich habe keinen anderen, und schon gar keinen klaren Gedanken mehr im Kopf!
Mein einziges Thema in der Firma ist diese Familie. Jeden Früh berichte ich der “versammelten Mannschaft” das Neueste. Dabei bin ich der Chef, muss ca. 20 Leute beschäftigen, beaufsichtigen, anleiten, mich mit Vorgesetzten, Geschäftsleitung, Auftraggebern und sonstwas beschäftigen.
Ich tue das seit dem Auftauchen von Philipps Vater nur mit halbem Verstand und renne oft kopflos wie ein Zombie durch die Firma, ohne wirklich mitzukriegen oder gar zu lenken, was um mich herum geschieht …!


Um 19 Uhr 10 habe ich M angerufen, gefragt, ob Philipp “reisefertig” ist und ihr dann erzählt, dass ich bis jetzt mein Tagebuch geschrieben habe. Sie war ganz erstaunt, obwohl ich ihr das gestern auch schon erzählt hatte.
Auf ihre Frage, was ich denn da so rein schreibe, sagte ich ihr, dass ich meinen Kopf leer schreibe. Alles, was ich mit Philipp und seiner Familie erlebe.
Dann habe ich ihr einfach mal - nach vorheriger Warnung! - ganz offen gesagt, was ich heute aufgeschrieben habe, wie ich den heutigen Tag, sie und ihre Kinder erlebt habe.

Dann bin ich um 19 Uhr 30 zu ihr gegangen, um Philipp abzuholen. Er telefonierte zuvor mit mir, stellte mir am Telefon Rechenaufgaben aus seinem Mathebuch. Das wollte er fortsetzen, während ich auf dem Weg zu ihm war.
Unterwegs rief ich ihn über mein Handy an, und Philipp stellte mir weitere Rechenaufgaben. Das setzten wir auch noch fort, als ich schon bei ihm in der Wohnung war. Wir fanden es beide sehr lustig, dass unsere nun auf dem Wohnzimmertisch nebeneinander liegenden Telefone unser Gespräch mit zigfachem Echo wiedergaben.

Ich mache mit Philipp sogar seine Hausaufgaben, wenn ich nicht bei ihm bin!
Seine Mutter täte das nicht mal, wenn er neben ihr sitzen würde!

M saß in ihrem Schlafzimmer am PC. WO AUCH SONST!
Ich widmete mich sofort Philipp, der am Wohnzimmertisch mit mir weiter seine Mathematik-Aufgaben löste.
Sofort suchten J…, das Baby (das sich an meinen Hosenbeinen hochzog) sowie die beiden Hunde meine Nähe. Ich wurde regelrecht “belagert”.

Ich wandte mich an M und wies sie darauf hin, dass ihre Kinder meine Nähe suchen, weil sie wissen, dass ich Zeit für sie habe und nur ihretwegen gekommen bin. Obwohl ich mich hauptsächlich Philipp widme, habe ich - wenn ich dort bin - für jeden ein paar Streicheleinheiten, ein paar nette Worte, ein paar Augenblicke Zeit!

Ich hielt M die Situation vor Augen: Sie sitzt alleine in ihrem Schlafzimmer am PC, während ich mich dem Rest der Familie widme. Ich fragte sie, warum sie jetzt nicht statt meiner mit Philipp die Mathematik-Aufgaben löst. Warum beschäftigt sie sich nicht mit den beiden Kleinen, hat keinen von ihnen auf dem Schoß …?
Dann schilderte ich ihr die gestrige lieblose Situation aus meiner Sicht - mit denselben krassen Worten, wie ich sie aufgeschrieben hatte.
Ich sagte ihr, dass alleine das Zusammensein in derselben Wohnung den Kindern nicht reichen kann. Sie brauchen Zuwendung, Zuneigung, Aufmerksamkeit ohne Ende!

Mir ist wieder mal kurz durch den Kopf geschossen, ob es nicht für alle besser wäre, wenn ich für immer dort bleibe.
Ich sagte das auch M. Und ich sagte ihr, dass ich innerhalb weniger Tage ihre Familie mit meiner Liebe auf den Kopf stellen würde. Ich würde alle Kinder mit Liebe zuschütten, dass die mich nie mehr fortlassen würden. In punkto Liebe bin ich extrem krass, und für mich gibt es kein Ende, ich liebe rund um die Uhr!
Sie müsste mich und Philipp in meiner Wohnung mal live erleben, dann bekäme sie eine Vorstellung davon, wie ich “privat” bin. Vielleicht mache ich mal ein Video …
Ihre Wohnung sei im Übrige die einzige “fremde” Wohnung, die ich jemals betreten hätte - weil mir ihre Kinder wichtig sind. Ich habe noch nie eine andere als meine eigene Wohnung von innen gesehen. M meinte darauf erfreut, dass sie dann ja ganz stolz sein kann. Ich antwortete ihr, dass das nichts mit ihr, sondern mit ihren Kindern zu tun hat.

Um 20 Uhr 15 gingen Philipp und ich zu mir.
Zuerst haben wir 10 Minuten lang richtig abgekuschelt. Ich denke, wir brauchten beide diese wundervolle Zeit der Gefühle.
Dann widmete ich mich wieder meinem Tagebuch … Philipp gesellte sich sofort zu mir.


Jetzt sitzt Philipp gerade vor mir auf dem Drehstuhl und liest mit, was ich schreibe.
Nun will er einen Text aus seinem Lesebuch hier hin schreiben:

Die beiden Frösche
Zwei Frösche gehen auf Reisen.
Sie kommen auf einen Bauernhof.
Dort steht im Keller eine große Schüssel mit Milch.
Weil sie Durst haben, hüpfen sie sogleich hinein.

PS: M ging gemäß meinen HP-Logfiles um 23 Uhr 13 noch mal online. Kein Wunder, dass sie ständig down ist.

OriginalFoto des Tagebuches

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