Kleinkinder zu begreifen, ist gar nicht so einfach.
Kleinkinder begreifen, was sie begreifen können. Sie verstehen also, was sie anfassen,
berühren, am eigenen Leib spüren können.
Im Folgenden versuche ich, das zu erklären.
Einmal fragte ich eine Kita-Leiterin: Warum gibt es in dieser Kita keinen
»Quetschschutz« an den Türen?
Sie sagte: Hat das jemand zu Hause? Nein!
Kinder müssen lernen, was für sie schädlich ist.
Kinder müssen also am eigenen Leib erfahren, was gut oder schlecht für sie ist.
Diese Auffassung vertreten auch viele Eltern.
Bis zu einem gewissen Grad ist das sicherlich richtig.
Kleinkindern kann man aber mit Worten allein kaum begreiflich machen, was schädlich für sie
ist, weil sie noch nicht »abstrakt« denken können.
Ein Beispiel
Eine Bekannte wollte mit ihrem Mann und der zweijährigen Tochter die Straße
überqueren. Die Mutter hatte ihre Tochter ermahnt, nicht auf die Straße zu laufen, trotzdem tat sie
das!
Die Mutter hat dann dem Kleinkind einen »Vortrag« über die Gefahren des Straßenverkehrs
gehalten.
Am nächsten Tag kamen sie in dieselbe Situation – und die Kleine lief wieder los …
Diesmal war der Vater schneller, packte sich die Kleine und gab ihr einen Klaps auf den Windelpo.
– Die Kleine ist heute 12 Jahre alt und seit diesem Tag nie wieder auf die Straße
gelaufen!
Wie konnte es sein, dass der Vater mit diesem »unpädagogischen Tun« derart Erfolg
hatte?
Er hat seiner Tochter auf einer sehr einprägsamen Art »begreiflich« gemacht, dass sie etwas falsch
gemacht hat. In dieser Situation sah er sicher gar keine andere und bessere Möglichkeit.
Besser wäre es gewesen, die Eltern hätten ihre Tochter vorher an die Hand genommen!
Ein weiteres Beispiel
… aus meiner Nachbarschaft:
Ein junges Paar mit seiner 2-jährigen Tochter auf der Straße vor meinem Fenster.
Der Vater der Kleinen braucht für sein Auto »Starthilfe« vom Auto der Großmutter.
Die Erwachsenen haben offenbar nicht vorher geklärt, wer die 2-Jährige währenddessen
beaufsichtigt.
Die Kleine ist innerhalb weniger Sekunden mit ihrem BobbyCar auf der Straße!

Als die Mutter ihre Tochter 20 Sek.
später entdeckt, hält sie dem Kind einen »Vortrag«, in welche Gefahr es sich begeben hat.
Als das Kleinkind darauf nicht reagiert
(weil es die Worte der Mutter nicht begreift!), hebt es die Mutter auf den sicheren Gehweg.
Dann tut sie das einzig Richtige:
SIE LÄSST
EINE HAND AM KIND!
Ein Mensch kam über folgende Suchanfrage auf diese Seite:
wie bestrafe ich ein Kleinkind, wenn es auf die Straße läuft
Zum Glück (für das Kind) hat Google diesen Menschen HIERHER geschickt! 😌
Ich hoffe, dieser Mensch begreift, dass man ein Kleinkind nicht dafür bestrafen darf, weil es etwas
nicht begriffen hat!
Man muss eben immer eine Hand am Kind haben! Statt am Handy.
😉
Auch dies beobachte ich leider immer wieder:
Kleinkinder, die scheinbar völlig alleine herumlaufen!
Die Mutter des Kindes auf dem folgenden Foto ist mit dem Kinderwagen so weit vorgelaufen, dass sie
ist nicht mal mehr auf dem Foto zu sehen ist – ohne Rücksicht auf den Kleinen! Der Zweijährige
könnte auf die Straße laufen, ohne dass die Mutter eine Chance hätte, ihn davon abzuhalten!
Diese Straße ist ein »Autobahnzubringer«, der von 1.000 Fahrzeugen pro Stunde
befahren wird!

Offensichtlich verletzt die Mutter hier ihre
Fürsorge- und
Aufsichtspflicht.
Und das ist nicht nur verantwortungslos, sondern ggf. auch eine Straftat!
Viele Eltern wissen offenbar nicht, dass Kleinkinder mit einem »Tunnelblick«
durch die Welt gehen.
Das heißt, dass Kleinkinder nur das für sie Wesentliche oder Interessante sehen bzw. wahrnehmen.
Dazu gehören ganz eindeutig nicht die zahlreichen Gefahren des Lebens.
Kleinkinder haben kein Gefahrenbewusstsein! Sie wissen also nicht, welche
Folgen es haben kann, wenn man auf die Straße vor ein fahrendes Auto läuft. Genauso wenig wissen
sie, dass sie in einem Gewässer ertrinken oder sich beim Herabstürzen von einem Baum schwer
verletzen können.
Für Kinder ist Todesursache Nr. 1: der Straßenverkehr
und die Todesursache Nr. 2: Tod durch Ertrinken.
Darum muss man Kleinkinder in gefährlichen Situationen an die Hand nehmen,
eine Hand am Kind haben!
Man sollte dem Kind auch durch ständiges Wiederholen mit immer denselben
Worten »eintrichtern«, was gefährlich ist. Das muss man auf ALLE gefährlichen Situationen anwenden.
Es genügt also nicht, dem Kind zu sagen, dass es vom BAUM stürzen und sich böse wehtun kann, sondern
man muss das auch beim hohen KLETTERGERÜST, einer TREPPE und allen anderen Möglichkeiten abzustürzen
wiederholen!
Ich persönlich mache es so, dass ich dem Kleinkind sage:
Wenn du auf die Straße läufst, macht dich das Auto kaputt!
»Kaputt« versteht so ziemlich jedes Kind. Und es möchte auf keinen Fall kaputt sein!
Hier kommt es aber auf die Formulierung an!
Du wirst vom Auto kaputt gefahren! kommt bei ihm so an: Du
machst das Auto kaputt!
Besser wäre: Das Auto macht dich kaputt, wenn du auf die Straße gehst!
Klaus wurde mal von einem Hund gebissen! versteht es so: Der
Klaus hat einen Hund gebissen!
Besser wäre: Ein Hund hat mal den Klaus gebissen. Der Klaus war dann lange krank!
Der beste Schutz für ein Kleinkind ist es aber allemal,
wenn man es an die Hand nimmt!
Wenn Kleinkinder oft das GEGENTEIL von dem tun, was man von ihnen erwartet bzw.
verlangt, dann liegt das nicht am bösen Willen der Kinder oder weil sie ihre Eltern ärgern wollen,
sondern einfach daran, dass sie das GEGENTEIL von dem VERSTANDEN haben, was ihm die Eltern
vermittelt wollten!
Es ist also die Aufgabe der Eltern, sich dem Kind verständlich zu machen, sich klar auszudrücken!
Kinder sind unglaublich lernfähig. Das müssen sie auch sein, weil dies ihr Überleben sichert.
Wenn man es versteht, sie schädliche Dinge »begreifen«, also spüren zu lassen, dann ist das der
beste Schutz für sie.
Kleinkinder können noch nicht »abstrakt« denken. Sie sind nicht in der Lage,
Gefahren für sich oder gar andere zu erkennen.
Das bedeutet, dass Kleinkinder ein herannahendes Auto oder ein tiefes Gewässer für sich nicht als
gefährlich erkennen können (wenn sie damit noch keine schlechte Erfahrung gemacht haben).
Bis zum Alter von ca. 4 Jahren besitzen Kinder kein Gefahrenbewusstsein.
Mit 4 Jahren entwickeln sie ein erstes Gefahrenbewusstsein.
Erst im Alter von 5 bis 6 Jahren können Kinder akute Gefahren erkennen, sich aber nicht
davor schützen. So klettert das Kind auf einen Baum und merkt erst oben, dass es auch hinunter
fallen kann!
Erst im Alter von ca. 8 Jahren können Kinder Gefahren vorausschauend erkennen. Nun
weiß das Kind z.B., dass es vom Baum fallen kann, noch bevor es hinauf klettert.
Ab ca. 9 – 10 Jahren entwickelt das Kind ein vorbeugendes Gefahrenbewusstsein und
kann Gefahrensituationen vermeiden, indem es z.B. eine Unterlage unter den Baum legt, die
einen eventuellen Sturz mildert.
Wenn ein Kleinkind seinen Kakao verschüttet, darauf ausrutscht und sich
wehtut, dann kann man ihm in dieser Situation begreiflich machen, dass es sich auf einem nassen
Fußboden wehtun kann.
Es wird aber einen nassen Fußboden nicht auch als Gefahr für andere Kinder
sehen!
Und es ist möglich, dass das Kind andere Flüssigkeiten auf dem Fußboden nicht
als gefährlich erkennt, sondern nur Kakao, weil es nur mit verschüttetem Kakao eine schlechte
Erfahrung gemacht hatte.
Genauso verhält es sich mit vielen anderen Gefahren. Selbst wenn das Kind sie aus
eigener Erfahrung für sich als Gefahr erkennt, kann es nicht erkennen, dass das auch eine Gefahr
für seine Spielkameraden ist. Es wird also künftig um die Kakaopfütze herumgehen, weil es sich
nicht wehtun will, aber es wird den Kakao nicht wegwischen, damit andere darauf nicht ausrutschen.
Man muss dem Kind also begreiflich machen, dass das auch für andere
gefährlich ist, indem man z.B. dem Kind vorführt, dass man selbst darauf ausrutscht.
Weil Kleinkinder noch nicht abstrakt denken können, kann man ihnen zwar die
Gefahr eines Absturzes von der Rutsche vermitteln, wenn es dort freihändig steht, aber es
wird diese Gefahr für sich auf dem Kletterturm nicht erkennen! Man muss dem Kind also für
jede Situation die Gefahr des Abstürzens begreiflich machen!
❗ Ganz wichtig hierbei ist, dass man wichtige Informationen dem Kind
immer wieder und immer im selben Wortlaut sagt. Und das Kind sollte sie wiederholen.
Man sollte dem Kind auch (vorher!) sagen, dass es sich das merken soll, was
man ihm jetzt sagt. Dies erhöht die Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung des Kindes.
Man kann Kleinkindern viele Gefahren verständlich vermitteln:
Mit einer brennenden Kerze z.B., dass Feuer heiß und nichts für Kinder ist. Auch wenn man das Kind
in die Nähe eines warmen Backofens bringt, kann man ihm beibringen, dass der für Kinder tabu ist.
Man kann (und sollte!) dem Kind beibringen, nur aus seiner
eigenen Tasse oder Trinkflasche zu trinken. Die sollte man auch unterwegs immer dabei haben und das
Kind niemals aus einer gekauften Flasche oder Dose trinken lassen – es darf keinen anderen als
seinen eigenen Trinkgefäßen vertrauen! Das Kind wird dann nur aus dem vertrauten Gefäß trinken und
kein Interesse an der Spülmittelflasche oder Papas Bierdose haben. (In Kitas haben die
Kids nicht grundlos eigene Trinkgefäße!)
Dummerweise sind ja auf viele Etiketten von Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln Früchte
abgebildet. Woher soll ein Kleinkind wissen, dass da etwas Ungenießbares drin ist?!
❗ Man sollte nicht darauf vertrauen, dass das Kind schon deshalb keine
schädlichen Flüssigkeiten trinken wird, weil die scheußlich schmecken!
Bei kleinen Kindern sind die Geschmacksnerven noch nicht voll ausgebildet, sodass
sie auch Dinge in den Mund nehmen, die eigentlich ungenießbar sind.
Weil man einem Kleinkind nicht jede Gefahr »begreiflich« machen kann, z.B. dass es sich an
Glasscherben ganz böse wehtun kann, muss man es vor diesen Gefahren schützen! Vor dem Straßenverkehr
genauso wie vor tiefen Gewässern.
Kaum jemand weiß, dass Kleinkinder ganz und gar nicht schreien oder herumplatschen,
wenn sie in ein Gewässer fallen!
Da dreht man sich kurz weg, und plötzlich fehlt vom Kind jede Spur … Dass es am Grund des Pools
liegt, kommt einem nicht in den Sinn, wenn man nicht weiß, dass Kleinkinder sofort reglos auf den
Grund sinken! Sie »schwimmen nicht oben« oder rufen um Hilfe, sondern sinken lautlos auf den Grund!
Wer das weiß, hat sein Kind an der Hand, wenn er sich von ihm abwendet!
Warum ist das bei Kleinkindern so?
Zum einen, weil sie das tiefe Gewässer nicht als GEFAHR für sich erkennen und folglich ihr
Gehirn über keine Rettungs-Mechanismen – wie um Hilfe schreien oder Schwimmversuche
machen – verfügt.
Auch wenn Kleinkinder plötzlich vor einem »bösen Hund« stehen oder in eine
andere Situation kommen, die ihnen fremd ist und mit der sie nicht umgehen können, »erstarren« sie
regelrecht.
Zum anderen ertrinken Kleinkinder leichter, weil sie einen anderen Körperschwerpunkt
haben. Wenn ein Baby oder Kleinkind z.B. in der gefüllten Badewanne ausrutscht und mit dem Gesicht
unter Wasser gerät, verliert es die Orientierung und bleibt unter Wasser liegen!
Kleinkinder können schon in nur wenige Zentimeter tiefem Wasser ertrinken. Deshalb dürfen
Kleinkinder – auch wenn sie schon sitzen können – nie unbeaufsichtigt baden! Bereits nach
drei Minuten unter Wasser drohen bleibende Gehirnschäden. Die Zeitspanne zwischen Leben und
Tod beträgt nur vier Minuten.
Kleinkinder ertrinken fast geräuschlos! Sie unternehmen keine Selbstrettungsversuche,
deshalb gibt es kein hörbar lautes, warnendes Platschen!
Ertrinken ist eine der schnellsten und leisesten Todesarten im Kleinkindalter.
Wohl kaum jemand weiß, dass Kleinkinder sogar ertrinken können, wenn ihr Kopf gar nicht (mehr)
unter Wasser ist!
Der sogenannte Stimmritzenkrampf soll eigentlich verhindern, dass Wasser in die Lunge eindringt.
Dieser Schutzreflex löst sich aber bei kleinen Kindern manchmal nicht, solange sie Wasserkontakt
haben, sodass die Kinder ersticken, obwohl sie eigentlich noch atmen könnten. Man spricht hier auch
von »trockenem Ertrinken«.
Dieser Refelex kann sogar ausgelöst werden, wenn sich das Kind erschreckt, weil es z.B. (unverhofft)
mit Wasser bespritzt wird oder ins Wasser fällt!
Ertrinken ist übrigens weltweit bei den Jungen zwischen 5 und
15 Jahren die häufigste Todesursache!
Auf einen tödlichen Unfall kommen vier weitere mit stationärer Behandlung und zumeist schweren
geistigen Behinderungen.
Es ist völlig sinnlos, einem Kleinkind zu erklären, dass es fremde Hunde nicht anfassen darf, weil
die beißen könnten. Genauso sinnlos ist es, ihm erklären zu wollen, dass es unbekannte Beeren nicht
einfach pflücken und essen darf.
Jedes Kind war aber schon krank. Und wenn man die »Erklärung« mit seinem Kranksein verbindet, dann
kann man ihm begreiflich machen, dass fremde Hunde beißen und dem Kind wehtun können. Genauso ist
es mit dem Essen unbekannter Beeren. Wenn man dem Kind sagt, dass es ganz böse Bauchschmerzen
bekommen kann, dann kann es mit dieser Aussage etwas anfangen, weil es sicher schon mal
Bauchschmerzen hatte und nicht sonderlich erpicht darauf ist, wieder welche zu bekommen.
Viele Unfälle lassen sich vermeiden, wenn man
Folgendes weiß:
Die meisten Unfälle ereignen sich, wenn Kleinkinder von der Wohnung/Kita ins Freie
kommen. Sie sind dann meist ausgeruht und haben einen erhöhten Bewegungsdrang.
Ich beobachte leider immer wieder, dass Eltern ihre kleinen Kinder alleine auf
einen öffentlichen Spielplatz in der Nähe gehen lassen, oder Eltern »liefern ihre Kinder auf dem
Spielplatz ab« und kümmern sich dann aber nicht mehr um ihren Nachwuchs. Das sollte man nicht
tun!
Erstens unterliegen die Spielgeräte auf öffentlichen Spielplätzen weniger strengen Sicherheitsnormen
als die in Kitas, sie werden auch weniger oft und auch weniger sorgfältig gewartet.
Ein Beispiel.
Noch ein Beispiel.
Zweitens sollte man sein Kind zumindest eine Zeit lang beschäftigen oder beaufsichtigen, bis es sich
ausgetobt hat! Man minimiert dadurch das Unfallrisiko für sein Kind!
Die meisten Unfälle kleiner Kinder sind Sturzunfälle. In Kitas machen sie
70 % aller Unfälle aus!
Deshalb wird in Kitas das sichere Bewegungsverhalten der Kinder spielerisch aufgebaut, insbesondere
die Fähigkeit, sich bei Stürzen abzufangen, beim Herumrennen anderen Kindern auszuweichen oder
auf zuschlagende Türen schnell zu reagieren.
Zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr hat der Kinderkörper die Kleinkindform.
Die Muskulatur des Kindes ist nur schwach ausgebildet, insbesondere an den Armen. Dies führt dazu,
dass Kleinkinder aufgrund ihrer unausgebildeten Muskulatur weniger gut Klettern (und sich
festhalten) und bei Stürzen nicht so gut abfangen können wie ältere Kinder.
Kleinkinder stürzen auch häufiger als ältere Kinder, weil sie beim Gehen die Füße noch nicht weit
anheben und sie auch mit der ganzen Sohle aufsetzen (die spätere Abrollbewegung fehlt).
Der Gleichgewichtssinn von Kleinkindern ist noch nicht sehr ausgeprägt, weshalb
es oft zu Sturzunfällen auf Rutschbahnen oder mit Fahrrädern kommt.
Die Bewegungskoordination ist bei Kleinkindern noch nicht gut ausgebildet,
sodass sie oft »anecken«, weil sie z.B. nicht in einer Bewegung stoppen und die Richtung wechseln
können (wenn ein Hindernis im Weg steht). Mangelnde Bewegungskoordination ist eine Ursache vieler
Zusammenstöße mit Personen oder Gegenständen!
Kinder im Alter von 3 und 4 Jahren sind geistig unfähig, sich in die Lage
anderer Personen zu versetzen! So kann das vor einer Rutsche stehende Kind sich z.B. nicht
vorstellen, wie die Welt für ein auf der Rutsche sitzendes Kind aussieht. Es geht davon aus, dass
alles, was es selber denkt, sieht und fühlt, jeder andere auch denken, sehen und fühlen muss.
Kinder können sich nicht selbst schützen. Aber Erwachsene können Kinder schützen!
Erwachsene, denen Kinder anvertraut sind, denen Kinder vertrauen, können das – wenn sie sich
die Mühe machen.
05.06.2012
Ein Problem für viele Eltern sind
»trotzige« Kinder.
Das kann man sehr gut in Supermärkten oder Spielzeuggeschäften beobachten.
Da wird wegen einer scheinbaren Nichtigkeit ein Zirkus gemacht, der sowohl den Eltern des Kindes als
auch den Unbeteiligten völlig übertrieben erscheint. Die Eltern reagieren dann meist gestresst und
versuchen, sich von ihrem Kind nicht dessen Willen aufzwingen oder unter Druck setzen zu lassen.
Aber, will das Kind wirklich seinen Willen gegenüber den Eltern durchsetzen? Will es seine Eltern
wirklich »manipulieren« (wie es ein Freund ausdrückte)? Weiß das Kind, dass Eltern in der
Öffentichkeit kein Aufsehen wollen und deshalb eher nachgeben?
Ein Beispiel
Ich selbst habe über dieses Thema erst nachzudenken begonnen, als ich ein sehr
unschönes Erlebnis mit dem 4-jährigen Franjo hatte:
Wir waren zusammen einkaufen und Franjo wollte unbedingt zu Mäc-Geiz, einem
Haushalts-Discounter, der u.a. »billiges« Spielzeug anbietet (»billig« auch, was die Haltbarkeit,
Verarbeitung und Qualität betrifft).
Franjo sah dort eine Straßenbahn, die 15 Euro kostete. Weil er Fahrzeuge über alles liebt und
eine Straßenbahn in seiner riesigen Fahrzeugsammlung fehlte, wollte er unbedingt diese Straßenbahn
haben. Ich versuchte, Franjo mit Argumenten davon zu überzeugen, dass ich diese Straßenbahn nicht
kaufen würde: Sie ist die 15 Euro nicht wert. Im Spielzeug-Fachgeschäft bekommt er zu diesem
Preis ein hochwertigeres Spielzeug. Ich habe auch nur das Geld dabei, das ich zum Einkaufen im
Lebensmittel-Supermarkt brauche …
Nach einer langen und unschönen »Diskussion« (bei der keiner dem anderen wirklich zuhörte und jeder
nur seinen eigenen Willen durchsetzen wollte), verließen wir Mäc-Geiz – ohne diese Straßenbahn.
Der anschließende Einkauf im Lebensmittel-Supermarkt und der Heimweg waren ein regelrechtes Drama:
Franjo ignorierte mich völlig, wollte nicht mehr laufen, legte den Kopf zur Seite und heulte Rotz
und Wasser. Außenstehenden (und damals auch mir) erschien er als bockig, trotzig, stur. Ich war
völlig hilflos, denn es brach mir das Herz, Franjo zum ersten Mal so zu erleben (wie ihn seine
Eltern schon lange kennen).
Weil ich immer meine Mini-Kamera dabei habe, filmte ich dieses Erlebnis von Anfang
an.
Dieses Video schaute ich mir dann immer wieder an, weil ich Franjo und mich nie wieder in einer
solchen Situation erleben wollte. Und wir sind seit dem nie wieder in eine solche Situation gekommen.
Mehr noch, auch die Eltern kommen seit dem nicht mehr mit Franjo in eine solche Situation, weil man
die ganz leicht vermeiden kann:
Nach Möglichkeit sollte man ohne das Kind einkaufen gehen, wenn das Kind im
Kindergarten ist oder anderweitig betreut werden kann.
Ist das nicht möglich, oder will man den Einkaufsspaß mit seinem Kind teilen, dann
sollte man vorher mit dem Kind klären, dass und was man einkaufen möchte und ob man genügend
Geld dabei hat, dass es sich selbst etwas kaufen kann.
Ist gegen Monatsende der Geldbeutel ziemlich dünn, sage ich das dem Kind:
Du kannst dir zwar Spielsachen anschauen, aber ich kann sie dir jetzt nicht kaufen,
weil ich nicht mehr so viel Geld habe. Wenn ich Geld bekomme, gehen wir wieder hierher und ich
kaufe dir etwas. Möchtest du jetzt trotzdem zu Mäc-Geiz?
In der Regel genügt es Franjo dann, wenigstens Spielsachen anzuschauen und auszuprobieren. Hierbei
stellte sich dann auch schnell heraus, ob er ein bestimmtes Spielzeug wirklich haben möchte oder es
nur aus einer momentanen Laune heraus begehrt. Bei der Straßenbahn war es dann so, dass er
immer wieder zu Mäc-Geiz ging, um diese zu beäugen und auszuprobieren. Am Ende bekam er sie dann.
Und seine Freude war riesengroß, viel größer, als wenn ich sie ihm sofort gekauft hätte, als er sie
zum ersten Mal sah!
Mit einem »Monster-Kipper« war es ähnlich. Franjo hatte solch ein Fahrzeug im Fernsehen gesehen. Er
war so begeistert davon, dass er es unbedingt haben wollte. Mit Fernbedienung! Weil ich nicht das
Geld »übrig« hatte, ihm einen Monster-Kipper sofort zu kaufen, befriedigte ich seine »Gier« zunächst
dadurch, indem ich ihm dieses Fahrzeug immer wieder in Internetvideos »in Action« zeigte. Ich sagte
ihm immer wieder, dass ihm der Weihnachtsmann🎅 einen Monster-Kipper mit Fernbedienung (!) bringen
wird. Als er ihn Monate später endlich bekam, war seine Freude riesengroß und Klein-Franjo »am Ziel
all seiner Wünsche«. Von den vielen Geschenken seiner Verwandtschaft war der Monster-Kipper das,
was er sich am meisten und längsten gewünscht hatte, mit dem er am ausgiebigsten und meisten
spielte.
Was Eltern oft für Trotz halten, ist gar kein Trotz, sondern
Frust.
Bei uns selber würden wir Erwachsenen niemals von TROTZ sprechen, wenn wir gefrustet sind. Warum
unterstellen wir aber Kindern, dass sie trotzig sind?
Wenn ich das Kind in diese vermeidbare Situation bringe, muss ich mich nicht wundern, dass es
gefrustet ist.
Ich bringe es mit Dingen in Kontakt, die ein Kinderherz höher schlagen lassen und lasse es dann
abblitzen! Das schafft Frust beim Kind und bei mir, der leicht vermeidbar ist.
Genauso unsinnig ist es, einem Kind etwas zu versprechen, das man nicht sofort erfüllen
kann, z.B. dass man am Wochenende mit ihm in den Zirkus oder ins Schwimmbad geht.
Das Kind wird darauf bestehen, dass man mit ihm sofort dorthin geht. Es versteht nicht, dass
es auf etwas warten soll, das doch heute schon machbar ist. Warum soll es tagelang darauf warten?
Ein Schwimmbadbesuch ist kein Weihnachtsgeschenk … Dass man wochentags dazu keine Zeit hat,
kann ein Kind kaum akzeptieren. Kinder definieren »Zeit« völlig anders als Erwachsene. Es ist also
sinnvoller und vermeidet unnötigen Stress, dass man mit dem Kind ins Schwimmbad geht, ohne das
tagelang vorher anzukündigen.
Etwas anderes ist es, wenn man dem Kind etwas Schönes in Aussicht stellt, indem man es an eine
»Bedingung« knüpft, zum Beispiel:
Wenn du heute keine Schimpfwörter mehr benutzt, gehen wir morgen ein Eis essen.
Oder: Wenn du dich jetzt ganz alleine anziehst, darfst du dir nachher beim Einkaufen
etwas aussuchen.
Ich persönlich arbeite sowieso nur nach diesem Belohnungsprinzip.
Viele Eltern (und Pädagogen) halten »Zuckerbrot + Peitsche« für das Richtige. ICH
meine aber, dass man auf die »Peitsche« gänzlich verzichten kann.
Kinder brauchen keine Strafen für Fehlverhalten, weil deren Fehlverhalten aus unseren eigenen
Fehlern resultiert!
Wenn das Kind nicht so »funktioniert« wie wir Erwachsenen uns das wünschen, dann machen wir
Erwachsenen etwas falsch, verstehen das Kind nicht und/oder können uns ihm gegenüber nicht
verständlich machen!
Ich selbst kann nicht aus einer Verärgerung heraus meine Mitmenschen beschimpfen
und vom Kind verlangen, dass es keine Schimpfwörter benutzt!
Am Beispiel von Franjo:
Er ist mit Papa im Auto unterwegs. Ein Autofahrer vor ihnen fährt aus einem unersichtlichen Grund so
langsam, dass der Papa nicht mehr bei Grün über die Kreuzung kommt. Der Papa schimpft auf diesen
Autofahrer und nennt ihn einen IDIOTEN.
Abends spielt Franjo mit seinem Papa am Computer ein Auto-Rennspiel. Papa lässt Franjo nicht
überholen. Franjo nennt seinen Papa daraufhin einen IDIOTEN. Der Papa verbietet Franjo, solche
Schimpfwörter zu benutzen und sagt ihm, wenn er dieses Wort nochmal benutzt, dass er dann nicht
mehr mit ihm weiterspielen darf. Franjo sagt darauf zum Papa:
Aber, Papa, du hast doch heute selber Idiot zum Autofahrer gesagt!
Franjo wird das Wort IDIOT künftig bei jeder Gelegenheit verwenden, wenn er sich über jemanden
ärgert.
Wie kann man das vermeiden?
Eigentlich gar nicht, wenn man selbst nicht in der Lage ist, seine Emotionen zu kontrollieren!
Das Kind ist ein Spiegel seiner Umwelt. Was mich am Kind stört, sollte ich an mir
selber ändern, wenn ich das Kind ändern will!
Wenn ich meckernd, motzend und jammernd durchs Leben gehe, werde ich mein Kind nicht anders
erleben …
Oft verhalten sich Eltern aber »vorbildlich« und das Kind zeigt trotzdem unerwünschte
Verhaltensweisen, weil es die im Kindergarten oder Fernsehen aufgeschnappt hat.
Dann führt die »Peitsche« aber auch nicht zum Ziel. Besser ist es, das erwünschte Verhalten zu
belohnen.
Die enorme Lernfähigkeit von Kindern kann man zum Positiven fördern, sie kann aber auch zu
Schwierigkeiten führen, wenn man sie nicht geschickt nutzt!
Bestrafe ich ein Kind für sein Fehlverhalten, wird es nicht sein negatives Verhalten ändern, sondern
Vermeidungsstrategien entwickeln, einer Bestrafung künftig zu entgehen. Es wird sich
Geschichten/ Erklärungen ausdenken, die sein Fehlverhalten aus seiner Sicht begründen, es wird sein
Fehlverhalten kaschieren oder bestreiten … Und mit jeder Bestrafung wird es darin besser,
perfekter – bis dies zu einem festen Bestandteil seines Charakters geworden ist.
Es ist also vernünftiger, stressfreier und zielführender, wenn man gewolltes Verhalten des Kindes
lobt/ belohnt, statt sein Fehlverhalten zu maßregeln. 😇
Im Gegensatz zu »Fachidioten« wie Pädagogen und Psychologen beziehe ich mein Wissen über Kinder
nicht aus Fachbüchern, sondern aus eigenem Erleben. Das heißt, dass ich Kinder im Alltag sehr genau
beobachte. Wann immer möglich, fotografiere und filme ich sie in Alltagssituationen und werte diese
Bilder und Videos dann akribisch aus, besonders Situationen, die zu Konflikten im
Erwachsenen-Kind-Umgang führen.
So kann ich nicht nur mein eigenes Verhalten den Kindern gegenüber analysieren und perfektionieren,
sondern auch das Verhalten der Kinder und ihrer Bezugspersonen.
Ich besuche zwar einschlägige Internetseiten von und für Eltern, Pädagogen, Betreuern, Ärzten und
Psychologen, bilde mir aber letztlich meine eigene Meinung aus meiner eigenen Erfahrung im Umgang
mit Kindern.
Mir wurde schon oft von »Fachleuten« gesagt, dass mein Umgang mit Kindern, meine Tipps und
Ratschläge »unkonventionell« sind und »in keinem Lehrbuch stehen«. Jedoch sagen mir dieselben Leute
auch, dass meine Erfolge mir Recht geben.
Zum Beispiel »steht es in keinem Lehrbuch«, dass man ein Kind anschreien
soll.
Das ist insoweit richtig, als Anschreien aus eigener Verärgerung heraus ziemlich dumm und
kontraproduktiv ist. In bestimmten Situationen kann das aber geradezu die RETTUNG sein!
Man stelle sich vor, das Kind ist gerade dabei, »in sein Unglück zu rennen«. Das kann die Straße,
ein Gewässer oder eine andere gefährliche Situation sein. Und ich habe nicht mehr die Möglichkeit,
das Schlimmste zu verhindern, weil ich vom Kind zu weit weg bin. Dann stoße ich einen Schrei aus,
der einen rasenden Stier zum Innehalten bringen könnte. Fast jedes Kind reagiert darauf mit
plötzlichem Erstarren, der sogenannten Schockstarre. Und das verschafft mir Zeit, das Kind aus
dieser Situation herauszuholen.
Oder das Kind überschreitet auf andere Weise alle Grenzen. Dann brülle ich das Kind dermaßen an,
dass es das bis an sein Lebensende nicht mehr vergisst. Je jünger das Kind ist und je liebevoller
und geduldiger ich bisher dem Kind gegenüber war, umso stärker wird dieses Schock-Erlebnis wirken.
Ich kann absolut sicher sein, dass dieses Kind sich und mich nie wieder in eine solche Situation
bringen wird! 😉
Ich könnte jetzt endlos Beispiele aufzählen, wo dieser »heilsame Schock«
wunderbar und dauerhaft gewirkt hat (ohne beim Kind einen seelischen Schaden zu hinterlassen, weil
ich dem Kind anschließend erkläre, warum ich das getan habe!). Aber das würde den Rahmen diese
Seite sprengen.
Was ich hier über den Umgang mit KINDERN schreibe, funktioniert genauso im
Umgang mit HUNDEN!
Auch das ist »unkonventionell« und steht grantiert in keinem Lehrbuch. Und auch dafür hätte
ich unzählige Beispiele.
Ich sage immer: Wer mit Hunden klarkommt, der kommt auch mit Kindern klar (und umgekehrt)!
Ich hatte schon einige Hunde: Vom reißenden Dackel, über den Schäferhund, einen
Riesenschnauzer und etliche »Promenadenmischungen« bis zum dominanten Pitbull. Und jeder hat
tadellos und zuverlässig» funktioniert«.
(Klein-)Kinder und Hunde brauchen kurze, klare, verständliche Ansagen!
Komm! verstehen und befolgen sie eher als langgezogene Vorträge wie:
Jetzt komm doch endlich mal! Was trödelst du denn so? Wie lange soll ich denn auf
dich warten? Ich habe dir doch schon zigmal gesagt, dass du das nicht tun sollst! Und so
weiter.
Kleinkinder und Hunde verstehen das nicht. Und ältere Kinder lernen, bei solchen Vorträgen »auf
Durchzug zu schalten«.
Wer mit wachen Sinnen durchs Leben geht, kann das ständig erleben. Auch, dass ungeduldige Hundehalter
bzw. Eltern an der Leine bzw. ihrem Kind zerren und Hund oder Kind regelrecht hinter sich
herziehen.
Dabei sollte jedem klar sein, dass eine gewaltsame Aktion immer eine entsprechende Re-Aktion zur
Folge hat!
Wenn Hund oder Kind sich nicht wunschgemäß verhalten, dann nicht, weil sie stur sind, sondern
weil sie nicht verstanden haben, was man von ihnen erwartet! Es liegt also beim Hundehalter
bzw. der Person, die ein Kind betreut, sich verständlich auszudrücken. 😉
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