Ich erzähle mal eine kleine Geschichte, die Astrid Lindgren von einer alten
Dame hörte:
Ich war jung zu jener Zeit, als fast alle Kinder oft geschlagen wurden. Man
hielt es für nötig, sie zu schlagen, denn sie sollten artig und gehorsam werden. Alle Mütter und
Väter sollten ihre Kinder schlagen, sobald sie etwas getan hatten, von dem Mütter und Väter
meinten, dass Kinder es nicht tun sollten.
Mein kleiner Junge, Johan, war ein artiger und fröhlicher kleiner Kerl, und
ich wollte ihn nicht schlagen. Aber eines Tages kam die Nachbarin zu mir herein und sagte, Johan
sei in ihrem Erdbeerbeet gewesen und habe Erdbeeren geklaut, und bekäme er jetzt nicht seine
Schläge, würde er wohl ein Dieb bleiben, sein Leben lang. Mit Müttern ist es nun einmal so, dass
ihnen angst und bange wird, wenn jemand kommt und sich über ihre Kinder beschwert. Und ich dachte:
Vielleicht hat sie recht, jetzt muss ich Johan wohl eine Tracht Prügel verpassen. Johan saß da
und spielte mit seinen Bausteinen – er war ja damals erst fünf Jahre alt –, als ich kam und sagte,
dass er nun Prügel bekäme und dass er selbst hinausgehen solle, um eine Rute abzuschneiden.
Johan weinte, als er ging.
Ich saß in der Küche und wartete. Es dauerte lange, bis er kam, und weinen
tat er noch immer, als er zur Tür hereinschlich. Aber eine Rute hatte er keine bei sich.
»Mama«, sagte er schluchzend, »ich konnte keine
Rute finden, aber hier hast du einen Stein, den du auf mich werfen kannst!« Er reichte mir
einen Stein, den größten, der in seiner kleinen Hand Platz fand. Da begann auch ich zu weinen,
denn ich verstand auf einmal, was er sich gedacht hatte: Meine Mama will mir also weh tun, und das
kann sie noch besser mit einem Stein. Ich schämte mich. Und ich nahm ihn in die Arme, wir weinten
beide, soviel wir konnten, und ich dachte bei mir, dass ich niemals, niemals mein Kind schlagen
würde. Und damit ich es ja nicht vergessen würde, nahm ich den Stein und legte ihn in ein
Küchenregal, wo ich ihn jeden Tag sehen konnte, und da lag er so lange, bis Johan groß war. Ein
Dieb wurde keiner aus ihm. Das hätte ich gerne meiner Nachbarin erzählen mögen, aber sie war schon
lange fortgezogen.
Als Astrid Lindgren diese Geschichte hörte, nahm sie sich vor, ihre Kinder auch
nicht zu schlagen:
Trotzdem wurden gute Menschen aus ihnen. Und auch
sie schlagen ihre Kinder nicht. Warum erzähle ich das alles? … Immer noch gibt es viele Mütter und
Väter auf der Welt, die ihre Kinder schlagen und glauben, das sei gut. Sie meinen, Kinder würden
artig und gehorsam durch die Schläge. Aber statt dessen werden sie zu solchen Menschen, die gerne
selber andere schlagen und weitermachen damit, wenn sie groß sind. Denn wie sollte einer, der sich
als Kind an die Gewalt gewöhnt hat, zu einem friedlichen Menschen heranwachsen? Und wie soll es
Frieden geben in der Welt, wenn es keine friedfertigen Menschen gibt? Zu Hause, in den Wohnungen,
da muss der Friede beginnen.
Ich glaube, es wäre gut, wenn ein Stein in den
Küchenregalen läge, überall auf der Welt, als Erinnerung: Schluss mit der
Gewalt gegen Kinder!
Hier noch 3 Bilder, die sich in jedes Erwachsenengehirn einbrennen sollten!

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