Wenn ich gelegentlich irgendwelchen Leuten auf die Füße trete, bleibt es nicht aus,
dass ich schnell mal die eine oder andere Strafanzeige wegen Beleidigung oder Verleumdung am Hals
habe. Die muss juristisch keineswegs fundiert sein, der alleinige Zweck liegt darin, mich mundtot
zu machen. Ist man juristisch einigermaßen versiert, kann man sich erfolgreich gegen solche
Strafanzeigen wehren.
Das Recht der freien Meinungsäußerung ist ein Grundrecht, das – im Gegensatz zum Grundrecht
auf Unverletzlichkeit der Wohnung – in Deutschland recht gut beachtet wird und durchzusetzen
ist.
Nach den Umständen des Einzelfalls kann man sich aus der Fülle der Einzelfallentscheidungen u.a.
auf folgende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Thema »freie Meinungsäußerung«
berufen. Ich habe das bisher getan, und jedesmal wurde das Ermittlungsverfahren
eingestellt. Ein Beispiel.
Noch ein Beispiel.
Zunächst einmal
Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild
frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten.
Und nun einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts:
Zu »Meinungen« im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gehören
jedenfalls Werturteile, also wertende Betrachtungen von Tatsachen, Verhaltensweisen oder
Verhältnissen. Ein derartiges Werturteil ist notwendigerweise subjektiv. Es spielt keine
entscheidende Rolle, ob es »richtig« oder »falsch«, emotional oder rational begründet ist.
Diesen Meinungsäußerungen kann der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG nicht schon
aus der Erwägung abgesprochen werden, dieses Grundrecht schütze nur »wertvolle« Meinungen, d. h.
Meinungen, die eine gewisse ethische Qualität besitzen. Eine derartige Einschränkung enthält
Art. 5 Abs. 1 GG schon seinem Wortlaut nach nicht. Sie würde auch seinem Sinn
widersprechen.
Das in ihm gewährleistete Recht der freien Meinungsäußerung ist für die freiheitliche Demokratie
schlechthin konstituierend. Daraus folgt der
umfassende Charakter dieses Rechts. Es soll jede Meinung erfassen. Eine Differenzierung nach der
sittlichen Qualität der Meinungen würde diesen umfassenden Schutz weitgehend relativieren. Abgesehen
davon, daß die Abgrenzung von »wertvollen« und »wertlosen« Meinungen schwierig, ja oftmals unmöglich
wäre, ist in einem pluralistisch strukturierten und auf der Konzeption einer freiheitlichen
Demokratie beruhenden Staatsgefüge jede Meinung, auch die von etwa herrschenden Vorstellungen
abweichende, schutzwürdig. Aus diesem Grunde werden auch abwertende Werturteile über
andere Personen oder bestimmte Geschehnisse oder Verhältnisse durch Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG gedeckt, soweit nicht eine der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG
eingreift.
Das »Recht der persönlichen Ehre« und die »allgemeinen Gesetze« müssen im Lichte der Bedeutung
des Grundrechts der Meinungsfreiheit gesehen werden; sie sind ihrerseits aus der Erkenntnis der
wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so
in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken.
[Schließlich ist in dem angegriffenen Urteil unberücksichtigt
geblieben,] dass grundsätzlich auch die Form einer Meinungsäußerung der durch Art 5
Abs 1 GG geschützten Selbstbestimmung des Äußernden unterliegt. Dies gilt namentlich für das
gesprochene Wort. Die Spontanität freier Rede, für deren Zulässigkeit die Vermutung spricht, ist
Voraussetzung der Kraft und der Vielfalt der öffentlichen Diskussion, die ihrerseits Grundbedingung
eines freiheitlichen Gemeinwesens ist. Soll diese Kraft und Vielfalt generell erhalten bleiben,
dann müssen im Einzelfall Schärfen und Übersteigerungen des öffentlichen Meinungskampfes oder ein
Gebrauch der Meinungsfreiheit in Kauf genommen werden, der zu sachgemäßer Meinungsbildung nichts
beitragen kann. Die Befürchtung, wegen einer wertenden Äußerung einschneidenden gerichtlichen
Sanktionen ausgesetzt zu werden, trägt die Gefahr in sich, jene Diskussion zu lähmen oder einzuengen
und damit Wirkungen herbeizuführen, die der Funktion der Freiheit der Meinungsäußerung in der durch
das Grundgesetz konstituierten Ordnung zuwiderlaufen.
[Aus den Leitsätzen:] Der Schutz von Meinungsäußerungen, die sich als Schmähung
Dritter darstellen, tritt regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsschutz zurück.
Eine Meinungsäußerung ist dann als Schmähung anzusehen, wenn sie jenseits auch
polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person besteht.
[Aus den Urteilsgründen:]
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der
Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, mit der sie eng verbunden ist, als auch im Interesse des
demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat. Das Ausmaß des Schutzes kann
allerdings von dem Zweck der Meinungsäußerung abhängen. Beiträge zur
Auseinandersetzung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage genießen stärkeren
Schutz als Äußerungen, die lediglich der Verfolgung privater Interessen dienen. Bei ersteren
spricht eine Vermutung zugunsten der freien Rede. Insbesondere muss in der öffentlichen
Auseinandersetzung […] auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form
geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des
Meinungsbildungsprozesses drohte. Eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze,
die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik in […] Auseinandersetzungen überhöhte Anforderungen
stellt, ist daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Bei Äußerungen, die einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellen,
spricht eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede. Bei Äußerungen, die im Zuge einer
ausschließlich privaten Auseinandersetzung gefallen sind, gilt hingegen keine derartige
Vermutungsregel. Die isolierte Betrachtung eines bestimmten Äußerungsteils
oder Satzes wird den Anforderungen einer zuverlässigen Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht.
Schließlich ist der Einfluß des Grundrechts auch bei der Einstufung einer Äußerung als
Werturteil oder Tatsachenbehauptung zu beachten. Das folgt daraus, daß Tatsachenbehauptungen im
Rahmen der fallbezogenen Abwägung regelmäßig ein geringeres Gewicht zukommt als Werturteilen. Schon
in der unzutreffenden Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung kann deshalb eine
Grundrechtsverletzung liegen. Allerdings ist die Abgrenzung zwischen Werturteil und
Tatsachenbehauptung nicht immer einfach. Während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich
Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist, steht bei Tatsachenbehauptungen die
objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund. Wer eine Tatsache
behauptet, will etwas als objektiv gegeben hinstellen. Anders als Werturteile sind
Tatsachenbehauptungen daher grundsätzlich einem Beweis zugänglich.
Bei Werturteilen handelt es sich stets um Meinungsäußerungen. Der
Grundrechtsschutz ist darauf aber nicht beschränkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts genießen auch Tatsachenbehauptungen, jedenfalls, wenn sie meinungsbezogen
sind, den Schutz des Grundrechts. Dabei unterscheiden sich Tatsachenbehauptungen von Werturteilen
dadurch, daß bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im
Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner
Äußerung charakteristisch ist. Zu den wesentlichen Abwägungsgesichtspunkten gehört auch die
Funktion, in welcher der sich Äußernde seine ehrkränkende Behauptung aufgestellt hat.
Wer eine Behauptung »leichtfertig« aufstellt, bringt damit aber bei weitem
noch nicht das Maß an Sorglosigkeit im Umgang mit der Wahrheit zum Ausdruck, das allein die
prinzipielle Versagung des grundrechtlichen Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigen
könnte.
§ 193 StGB steht mit seiner
offenen Formulierung einer Berücksichtigung der Belange der Meinungsfreiheit in besonderer Weise
offen und ist deshalb vor jeder Verurteilung nach § 185 StGB zu beachten.
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt die Meinungskundgabe unabhängig davon,
ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für
nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Auch die
polemische oder verletzende Formulierung der Aussage entzieht sie nicht seinem Schutzbereich.
Auch bei satirischer oder glossierender Meinungsäußerung darf Erklärungen kein Inhalt
untergeschoben werden, den ihnen ihr Urheber erkennbar nicht beilegen wollte.
Enthält die Äußerung einen ehrkränkenden Inhalt, so dass ein Konflikt zwischen
Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht besteht, muss eine Abwägung unter Berücksichtigung der
Schwere der Beeinträchtigung vorgenommen werden, die jedem der beiden Rechtsgüter droht. Handelt es
sich bei der Äußerung allerdings um eine Schmähkritik, erübrigt sich die Abwägung im Konkreten.
Hiervon kann aber nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn eine Äußerung überzogen oder
ausfällig ist. Schmähkritik wird sie vielmehr erst dann, wenn in ihr nicht mehr die
Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die
Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Handelt es sich bei der Äußerung
[…] um eine überspitzt formulierte Kritik an dem Verhalten […], scheidet die Annahme von
Schmähkritik aus.
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