Neuköllner Spielplatzbetreuung (3/6)

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen!

Diese Geschichte fing – wie so viele – ganz harmlos und unbedeutend an:
Ich habe einen Ein-Euro-Fünfzig-Job als Spielplatzbetreuer. Und weil ich den ernst nehme, versuche ich, einige Missstände aus der Welt zu kriegen. Wenigstens die, die zum Nachteil der Kinder sind.

In Berlin-Neukölln machen ca. 300 Leute diesen Job (mehr oder weniger gern). Kaum einer von denen regt sich über irgendwas auf. Sie bringen ihre »Arbeitszeit« hinter sich – und fertig.

Weil die drei von mir betreuten Spielplätze nicht im besten Zustand sind, fotografierte ich sie und stellte die Bilder mit einem kurzen Kommentar auf meine Webseite.
In unmittelbarer Nähe eines der Spielplätze wird ab den frühen Abend­stunden offen mit Drogen gehandelt! Das hatte ich dazugeschrieben.
Dann informierte ich per eMails die zuständigen Stellen. Das schien mir einfacher, als einen endlosen Briefwechsel zu führen.
Ich wollte die Sache in keiner Weise »öffentlich« machen, deshalb verlinkte ich keine dieser Seiten und sperrte sie auch für Suchmaschinen …

Auf der Seite Spielplatz, Berlin-Neukölln, Am Venusplatz äußerte ich mich am 17. August kritisch über die Drogendealer (und schickte der Polizei den Link zu dieser Seite, die ansonsten niemandem bekannt war).
Schon wenige Minuten später brach dort eine ungeheure Aktivität aus … wie mir meine Logfiles verrieten.

Um nicht zu viel Wirbel um diese Sache zu machen, schrieb ich am 22. August auf der betreffenden Spielplatz-Seite Folgendes:

22.08.2007
Liebe Polizei, ich entnehme meinen Logfiles, dass Sie regelmäßig diese Seite besuchen.
Es liegt mir fern, Ihnen zusätzliche Arbeit zu machen – aber vielleicht ist ja § 29 ASOG eine der Geld- und Personalknappheit der Berliner Polizei angemessene Alternative?

Sofort danach hörten ihre Besuche auf meinen Seiten auf.

Meine Logfiles lassen den Schluss zu, dass die Polizei sich nicht sehr lange für dieses Thema interessierte. Vielmehr hat sie »gesucht«!
Auf 300 Seiten mit 800 Bildern muss doch irgendwas Verbotenes zu finden sein.

Da setzen sich also Polizeibeamte stundenlang hin und durchsuchen meine Seiten … Gleichzeitig gibt es aber zu wenige Polizisten, um wenigstens den Dealern das Handwerk zu legen, die in aller Öffentlichkeit und in unmittelbarer Nähe zu einem Kinderspielplatz ihren Geschäften nachgehen!

Offenbar fand die Polizei auch Verdächtiges – denn plötzlich durchsuchte jugendschutz.net intensiv meine Seiten!
Mit welchem Resultat, steht auf einem anderen Blatt.

Wie steht es schon in der Bibel geschrieben? Suchet, so werdet ihr finden!
Dealer auf öffentlichen Plätzen muss man nicht suchen, die werden einfach ignoriert – solange sie keinen Stress und keine Arbeit machen.
Bei ca. 800 Bildern findet man garantiert ein paar »verdächtige«! Wenn man gezielt sucht, findet man wahrscheinlich in jeder Sendung des Kinderfernsehens »verdächtige« Bilder …!

  • Am Montagmorgen (20.8.) bekam ich gegen 8 Uhr einen Anruf von der Polizei (woher die wohl meine Festnetz-Nummer haben, wenn die in keinem Telefonbuch steht?! 😦).
    Ein Herr fragte mich, warum ich sie nicht reinlasse. Sie wären eben bei mir gewesen, aber ich hätte nicht die Tür aufgemacht.
    Ich sagte ihm, dass ich niemanden erwarte und deshalb meine Klingel nicht vor 10 Uhr anmache.
    Dann fragte er mich, was ich mit dieser Seite bezwecke? Das Problem der Dealerei sei bekannt, auch die Leute.
    Als ich fragte, warum die Polizei dann nichts dagegen unternimmt, redete er was von Personalknappheit bei der Polizei. Man fahre ja in diesem Gebiet Streife …
    Ich sagte ihm, dass ich das so lange auf dieser Seite stehen lasse, bis die Dealerei an diesem Spielplatz aufhört. Die Leute können meinet­wegen überall dealen, aber nicht direkt neben einem Spielplatz!
    Darauf verlangte dieser Polizist, dass ich auf den Polizeiabschnitt komme und eine Aussage mache. Ich sagte ihm, dass ich dies nicht tun kann, weil ich die Dealer überhaupt nicht kenne – der Polizei sind sie doch bekannt!
  • Am 23.8. bekam ich eine Vorladung zur Zeugenvernehmung. Für heute (5.9.), 9 Uhr.
  • Als ich dort heute um 8 Uhr 50 anrief und sagte, dass ich nicht kommen werde, weil ich nichts zur Sache sagen kann, drohte dieser Beamte, dass er mich dann »vorführen lassen« werde. Als ZEUGE müsse ich dort erscheinen und aussagen.
    Ich sagte ihm, dass ich so weit im Strafrecht versiert bin, dass ich meine Rechte kenne: Als Zeuge erscheinen und aussagen muss nur, wer vom Staatsanwalt oder Richter vorgeladen wird! Hier nachzulesen
    Er antwortete verärgert, dass er dann seinen Bericht schreiben und der Staats­anwaltschaft zuleiten wird.
    ICH BITTE SOGAR DARUM! Und möge er als weitere (wirkliche) Zeugen SEINE KOLLEGEN angeben, die über diese Dealereien länger und besser informiert sind als ich.

Die ganze Aufregung der Polizei verstehe ich schon deshalb nicht, weil ich diese Seite auf meiner Homepage überhaupt nicht verlinkt hatte. Sie war auch für Suchmaschinen gesperrt. Nur die zuständigen Stellen kannten den Link zu dieser Seite!
Erst nachdem ich merkte, dass die Aktivitäten der Polizei gegen MICH gerichtet sind, habe ich die Seite verlinkt und für Suchmaschinen freigegeben.

💡 Das kann ich übrigens jedem in einer ähnlichen Situation empfehlen:
Das Schaffen von »Öffentlichkeit« bietet einen gewissen Schutz!
In diesem Fall schützt es mich vor »unangemessenen Aktivitäten« der Polizei. 😉


Ich verstehe mittlerweile, warum immer mehr Leute nichts sehen, nichts hören und nichts sagen wollen, wenn um sie herum getreten, geschlagen, misshandelt, geraubt und gedealt wird!

Hier ein Link speziell für die betreffenden Polizisten.   Link zu Polizei-Beratung.de

Übrigens …
Zivilcourage ist nie zu viel Courage!


04.10.2007
Heute bekam ich Post von der Staatsanwaltschaft:

… Ermittlungen haben bisher leider nicht zur Feststellung des Täters geführt. Ich habe deshalb das Verfahren eingestellt.

Ich werde den polizeibekannten Tätern diese erfreuliche Nachricht in Kopie an ihrem »Arbeitsplatz« hinterlegen. 😈


Nachtrag im Januar 2023:
Diese Seite hatte eine positive »Langzeitwirkung« beim BEZIRKSAMT:
Spielplatz in Neukölln, Venusplatz Der Park, der wegen seiner Unübersichtlichkeit den Drogenhandel an diesem Spielplatz begünstigt hatte, wurde radikal »dem Erdboden gleichgemacht«! Kein Strauch blieb stehen, sämtliche Bäume wurden beschnitten, sogar der Spielplatz wurde komplett neu gestaltet (Sanierungskosten: 400.000 €).
Seit nunmehr 15 Jahren sind Park und Spielplatz so übersichtlich, dass dort kein Drogenhandel mehr stattfinden kann. 🙂

Mehr als das wollte ich eigentlich nie. 😎





© 05.09.2007 HansiHerrmann.de