Jobs in Neukölln

Seit 8 Monaten lebe ich nun ohne Fernseher und/oder Radio …
Und das hatte durchaus positive Auswirkungen auf meine Gesundheit: So habe ich jetzt den Blutdruck eines 20-Jährigen – und meine Leberwerte sind auf ein Viertel des Vierfachen gesunken!

Und warum? Weil mich (ohne TV + Radio) nichts mehr aufregt!
Kein Gottschalk, kein Jauch, kein Raab, keine Quiz-, Talk- oder sonstige Show. Weder Nachrichten, noch das Wort zum Sonntag oder das Gebet zur Nacht …
Ich kenne nicht den momentanen Stand der Staatsverschuldung, keine Arbeitslosen­zahlen, und ich weiß nicht mal, ob dieser Merkel noch Kanzler ist. Wie war doch sein Vorname? Siegfried? Claudia? Claudio? - Keine Ahnung. Es ist einfach herrlich, nicht verdummt zu werden!

Heute kam mir jedoch zufällig folgendes zu Ohren: 21 Neuköllner Schulen haben Bedarf an einem privaten Sicherheitsdienst signalisiert!
Nun bin ich dem schulpflichtigen Alter seit einigen Tagen entwachsen, und habe (meines Wissens) auch keine schulpflichtigen Kinder herumzulaufen. Deshalb bin ich nicht ganz auf dem Laufenden, was an den Neuköllner Schulen los ist, das man nicht selbst – mit roher Gewalt – regeln könnte?!
Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand regelt man doch in Neukölln seine Probleme, indem man »seinen großen Bruder holt«. In diesem Fall also den großen Bruder des Unruhestifters … Dann bekommt der Rotzbengel (im engsten Familienkreis) was auf die Fresse – und schon ist Ruhe im Karton!

Meines Wissens haben private Sicherheitsdienste keinerlei »Konnexion« (in der normalen Welt sagt man wohl: Beziehungen) zu großen Brüdern, noch dürfen sie selbst handgreiflich werden. Also kann man diese Steuergelder auch sparen.

Lasst das doch die Leute selbst regeln. ICH würde sofort meinen Spielplatz­betreuer-Job an den Nagel hängen und stattdessen an Neuköllner Schulen für Ruhe und Ordnung sorgen – wenn mir Straffreiheit garantiert wäre!

Wie ich schon im Erguss »Es stinkt!« androhte, mache ich mich derzeit als Spielplatzbetreuer (un-)nützlich.

Das muss man sich folgendermaßen vorstellen: Morgens um 10 Uhr versammelt sich unsere 4-köpfige Mannschaft – und dann ziehen wir los, auf einen unserer drei Spielplätze.
Auf welchen der drei ist eigentlich egal, weil alle drei »tot« sind! Das ist vormittags durchaus normal (und ICH habe mir diese bescheuerten Dienst­zeiten auch nicht ausgedacht). Aber dieser Zustand hält bis 18 Uhr an! Und dann gehts nach Hause. Ausruhen vom Nichtstun …

Wer mal auf einem Friedhof eine 8-Stunden-Schicht als »Ansprechpartner« getan hat, der kann nachempfinden, wie es mir geht, wenn ich 8 Stunden lang einen leeren Spielplatz anstarren muss!
Kurzzeitig habe ich sogar schon Kinder von der Straße weg auf einen unserer Spielplätze geschleppt, um überhaupt was zum Betreuen zu haben! Aber nach massivem Protest der Eltern habe ich das wieder aufgegeben.

In Neukölln sitzen die Kinder nach der Schule zu Hause, wenn die Eltern gehindert sind, sie zu begleiten!
Treffe ich mal ein Kind auf dem Schulweg und frage, was es nach der Schule macht, höre ich: »Computer, Fernseher, »SpielStation« (ich weiß nicht, wie diese Spielkonsolen alle heißen) … Frage ich, wie es mit FREUNDEN aussieht, höre ich: »Chat, SMS, Telefon.« Außerdem sieht man sich ja in der Schule.
Ich erinnere mich dunkel an Zeiten, als die Kinder bei Wind und Wetter draußen waren (ich war und hatte selbst solch ein Kind). Sie wussten, was Frischluft und Sonne sind, kannten Sand und Wiesen nicht nur aus dem Fernsehen, waren nicht mal bei Unwetter in der Wohnung zu halten … Lange ist es her.
Und warum ist das so? Weil die Neuköllner Eltern ihre eigenen Ängste auf ihre Kinder übertragen. Es könnte ja was passieren … Na gut, Neukölln ist nicht der SICHERSTE Berliner Bezirk – aber KINDERN passiert heute genauso viel oder wenig wie vor 10 Jahren. Und vor 10 Jahren gab es nicht mal Spielplatz­betreuer!

Nun friste ich mein tägliches »Arbeitnehmerdasein« auf einer Kinderschaukel!
Leute, wisst ihr, wie einem da nach 8 Stunden der Hintern wehtut?! Die Dinger sind viel zu schmal für einen Spielplatzbetreuer-Arsch! Da kommt man zum Feierabend so kaputt nach Hause, als hätte man acht Stunden am Fließband in der Zigarettenfabrik gestanden!

Wenn mir vor 5 Jahren jemand geweissagt hätte, dass ich heute mal für 12 Euro pro Tag aufstehen und mir 8 Stunden lang den Hintern platt sitzen würde – dann hätte ich diesen Menschen mit der Axt zum Teufel geschickt!

Aber, ich will nicht jammern. Es gibt auch schöne Tage in meinem Leben: Wenn ich nur 4 Stunden lang leere Spielplätze anstarren muss – allerdings entlohnt man mir die dann auch nur mit 6 €.
(6 € sind: je einmal Körnerbrot, Kola und Korn – mehr brauche ich nicht zum Leben.)

Zu unserer Truppe gehören eigentlich noch zwei andere. Aber man distanziert sich – weil diese beiden schon VORMITTAGS UM ZEHN UHR so besoffen sind wie ICH ABENDS UM ZEHN! Nach zahlreichen Protesten aus der Bevölkerung betreuen sie nun … den nächstgelegenen Imbiss … für einen Euro fünfzig die Stunde!

PS: Falls du Steuerzahler bist:
Verweigere die Zahlung aller Steuern, mit dem Hinweis darauf, wie dein Geld verschwendet wird!




© 07.07.2007 HansiHerrmann.de