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Lektüre 65/71

Geschichten, die mein Leben schrieb 2/7
Erfolgreich entschlüpft

Ich weiß nicht, ob ich meinen Eltern danken soll, dass ich weder abgetrieben noch ertränkt wurde. Zu ihrer Entschuldigung ist zu sagen, dass sie unmöglich ahnen konnten, was da mit meiner Geburt auf sie und den Rest der Menschheit zukommt.

Schon meine Geburt war alles andere als »normal« – und daran hat sich die nächsten Jahrzehnte nichts geändert. Aber, was rede ich. Lies es selbst …

Meine Geburtsstadt LUCKAU dümpelte Jahrhunderte vor sich hin, ohne in irgendwelchen Geschichtsbüchern oder wenigstens Straßenkarten erwähnt zu werden, obwohl Luckau alle Sehenswürdigkeiten zu bieten hatte, die eine hübsche Kleinstadt auszeichnen:

Da gab es die STADTMAUER und den davor angelegten STADTGRABEN, die beide dazu anschafft wurden, um sich feindliche Angreifer vom Leib zu halten. Das mag »vor meiner Existenz« sinnvoll gewesen sein, erwies sich jetzt aber als nutzlos, weil »der Feind« (ich) ja nun innerhalb der Stadtmauern wohnte.

Luckau besaß auch eine KIRCHE, die mich allerdings nie von innen gesehen hat.

Den MARKTPLATZ erwähne ich hier nur, weil auf dem die zuvor erwähnte Kirche stand. (Was hätten die Kirchen-Erbauer bloß ohne diesen Marktplatz gemacht? Und erst die zahlreichen Markthändler, die dort die Waren feilboten, die sie in ihren Läden nicht loswurden.)

Wie jede richtige Stadt hatte auch Luckau ein KRANKENHAUS, in dem ich als Einjähriger mit einer Nahrungsmittelvergiftung herumlag, ansonsten aber an dieses Gemäuer keine unschönen Erinnerungen habe.

Im RATHAUS hätte man meiner Mutter den Rat gegeben, mich besser abzutreiben – wenn sie dort Rat gesucht hätte und bekannt gewesen wäre, was für einen Balg sie da ausbrütet!

Das POLIZEIREVIER erwachte 5 Jahre nach meiner Geburt aus seinem Dornröschenschlaf und bekam dann allerhand zu tun. (Als 14-Jähriger hatte ich den dort Tätigen zwar vorgeschlagen, mich als Polizisten einzustellen. Dann könnte ich meine eigenen Untaten bearbeiten und die Kollegen erheblich entlasten. Diese [eigentlich geniale] Idee stieß allerdings auf wenig Begeisterung oder gar Zustimmung. – Da sage ich nur: Selber Schuld!)

Auch das berühmte ZUCHTHAUS LUCKAU bekam ab meinem 17. Geburtstag wieder seine Existenzberechtigung. (Allerdings hielt man mich dort nur 4 Monate lang aus, weil meine ehemaligen Nachbarn dort als Wärter angestellt waren und sich beharrlich weigerten, sich noch länger durch mich das Leben schwermachen zu lassen. Ich wurde dann ziemlich weit weg in ein anderes Gefängnis verlegt, aber auch dort war meine Anwesenheit nicht die helle Freude für die dortigen Sadisten, die sich Wärter nannten.)

Aber Luckau hatte auch erfreulichere Einrichtungen wie zum Beispiel das KINO. Das ich mangels Fernseher, Spielekonsole oder Smartphone beinahe täglich heimsuchte (und vollpinkelte).

Nicht erwähnenswert wären noch der BAHNHOF, der BUSBAHNHOF, das MOOR-BAD … Ich schreibe das mit Bindestrich, damit der flüchtige Leser beim Überfliegen des Textes nicht versehentlich MOTORRAD liest. Obwohl flüchtende Leser hier eigentlich nichts verloren haben!
Die FEUERWACHE halte ich ebenfalls für uninteressant (ich habe sie nie gebraucht). Besonders un-erwähnenswert sind der KINDERGARTEN sowie die SCHULE, die beide gar keine guten Erinnerungen an mich haben. Aber das beruht ganz auf Gegenseitigkeit!

Nachdem das nun geklärt ist, komme ich zu meiner Mensch-Werdung:

Meine Mutter hatte es sich (wieder mal) mit entblößtem Unterleib auf dem Küchentisch unbequem gemacht. (An diesem Tag im Februar aber nicht, um sich vögeln zu lassen, sondern um »die Frucht ihres Leibes« bzw. ihrer sexuellen Betätigungen zu empfangen, also MICH.)
So »empfing« sie mich auf diesem Küchentisch gleich zweimal: Das erste Mal bei meiner Zeugung, und dann bei meiner Geburt.

Ein Küchentisch mag nicht die bequemste Unterlage für derartige Aktivitäten sein, hat aber den unschätzbaren Vorteil, dass er die »perfekte Arbeitshöhe« hat! (Wenn du daran zweifelst, probiere es selbst aus!) Man kann darauf nicht nur im Sitzen, Liegen oder Stehen (es soll sogar bei Fahrradfahren geh’n!) speisen und Speisen zubereiten …
Ich will das an dieser Stelle nicht verständlicher schreiben, weil hier auch Vorschulkinder herkommen und dann im Kindergarten rumerzählen, dass dem Hans seine Eltern auf dem Küchentisch rumgesaut haben!
Was sie nicht wissen: Selbst ICH fand diesen »Arbeitsplatz« überaus praktisch. Und nicht nur das. Auch eine Waschmaschine im Schleudergang verhilft zu »Höhenflügen« – sofern sie nicht korrekt ausgewuchtet ist und deshalb ordentlich vibriert (notfalls kann man ja einen Mauerstein, ein Bügeleisen oder den gusseisernen Weihnachtsbaumständer den Schleudergang mitfahren lassen). 😉

Ja, gut, im Nachhinein finde ich es schon ein bisschen unappetitlich, von einem Tisch zu speisen, auf dem die Mutter mit ihrem nackten Arsch lag und sich vom Vater (also MEINEN Vater, nicht ihrem!) ficken ließ. Andererseits: Welche Existenzberechtigung hätte der Küchentisch sonst gehabt, wenn meine Mutter gar nicht kochen konnte. Er hätte doch die meiste Zeit des Tages (und der N8) nur nutzlos im Weg gestanden.

Da ich aber bereits produziert und auf dem Weg durch den Geburtskanal bin (als NICHTSCHWIMMER nicht ganz ungefährlich!), kann ich weitere Ausführungen zu diesem Thema weglassen und mit meiner Geburt fortfahren.

Als »Geburtshelferin« hatte sich meine EINARMIGE OMA (die Mutter meiner Mutter) eingefunden.
Der Sohn der Mutter meines Vaters (also mein Erzeuger persönlich) hatte sich der Einberufung zum Geburtshelfer erfolgreich durch FLUCHT entzogen, indem er vorgab, den Krankenwagen zu rufen.

Das war natürlich purer Unfug, denn er hätte nur das Küchenfenster öffnen müssen, damit das Weh-Geschrei meiner Mutter wie ein Lauffeuer durch die Stadt rast und irgendwann auch beim Krankenhaus angekommen wäre.

Damals, anno 1953, war in solchen Fällen die »Flucht« des Mannes ein ganz natürlicher Instinkt, der sogar MIR noch innewohnte, als ich 22 Jahre später selbst Vater wurde und mich auf einem Zuckerrüben-Acker Traktor fahrend befand.

Der MANN rennt seit Menschengedenken total furchtfrei Flugsauriern und Mammuts hinterher, fällt aber in Schockstarre, wenn er eine Gebärende sieht!

Ich persönlich reagiere schon mit einer Blutleere im Gehirn, wenn ich sehe, wie eine Sau ferkelt, eine Kuh kalbt oder eine Henne ihr Küken ausbrütet! Ich gucke nicht mal hin, wenn ein Metzger Hackfleisch macht … und das alles ist NICHTS gegen eine Gebärende!
Gut, als Erst- oder gar Geburtshelfer macht mich das ungeeignet. Aber damit kann ich leben. Niemand außer mir ist schließlich perfekt.

Hier ein lebendes Beispiel für meine WEHLEIDIGKEIT, die ich zutreffenderweise aber lieber »emotionale Überempfindlichkeit« nennen würde:
Mein Weib weilte mal anlässlich eines kleinen operativen Eingriffs (aus Datenschutzgründen darf ich leider nicht schreiben, dasss sie sich eine Unterleibs-Zyste entfernen und gleichzeitig sterilisieren ließ; den Begriff Sterilisieren kannte ich bis dahin nur im Zusammenhang mit Küchen- und Operations-Utensilien) … Mein Weib befand sich also im Krankenhaus.
Als ich sie dort besuchsweise auf der Intensivstation heimsuchte, war ihr dortiger Aufenthalt eigentlich das Normalste der Welt. JEDER Frisch-Operierte kommt dort hin. Aber bei mir hat der Anblick, wie sie so blutleer und »leblos« daliegt, mit unzähligen Infusionsschläuchen und Kabeln an diverse Apparaturen angeschlossen, eine akute Kreislaufschwäche ausgelöst.
Eine anwesende Ärztin hat mir dann eine Spritze verpasst – anderenfalls hätte ich mich wahrscheinlich blutleer neben meinem blutleeren Weib niedergelassen und ebenfalls mein Leben ausgehaucht.
Als ich anderentags dorthin komme (und wiederum mit dem Schlimmsten rechne), kommt mir mein (lebendes!) Weib schon auf dem Stationsflur entgegen und tut so, als wäre sie gestern nicht wie eine Außerirdische auf Weltraummission verkabelt gewesen.

Sie fand meine gestrige Kreislaufschwäche lustig und fragte mich:
Was würdet ihr Männer nur tun, wenn IHR die Kinder kriegen müsstet?
Keine Ahnung. Wahrscheinlich in der zweiten Schwangerschaftswoche sterben?!

Männer rufen ja schon nach dem Seelsorger, wenn sie eine VERSTOPFUNG haben.
Was wäre wohl, wenn die »Verstopfung« die Ausmaße eines Neugeborenen hätte …?! DAS möchte mann sich gar nicht vorstellen!

Bei meiner Mutter hatte das ewige Rein-und-Raus dann dazu geführt, dass ihr das 5. Kind, meine Schwester Ilona, auf der Krankenhaus-Treppe in die Trainingshose flutschte.
Ich habe einfach zu selten Verstopfung, um da mithalten zu können.

ICH flutschte leider in keine Trainingshose, sondern meiner einarmigen Oma aus den Fingern und landete unsanft auf dem Küchenboden. Wie ein Marmeladenbrot, also mit der »guten Seite« nach unten.
Wieso der Küchenboden nicht vorsorglich mit Kissen ausgelegt wurde, weiß der Henker. Trampolins und Sprungtücher waren noch nicht erfunden.
Man hätte mich zumindest mit einem an der Küchenlampe befestigten Seil vor dem Absturz bewahren können.

Ich stelle mir das so vor:
Der künftige Quälgeist (ich) bekommt die Schlinge eines Strickes um den Hals, dessen anderes Ende an der Küchendecke bzw. -lampe befestigt ist. Wenn man keine zwei »linke Pfoten« hat (meine Oma hatte nur EINE!), kann man den Strick um einen FLASCHENZUG führen, wodurch sich der Balg mühelos ans Tages- bzw. Küchenlicht zerren lässt. Rutscht er der einarmigen Oma aus der (linken) Hand, hängt er dann sicher am Strick!
Ja, gut, sein Leben auf Erden war dann ziemlich kurz – aber er landete wenigstens nicht auf der Nase am Küchenboden.

Mein Erzeuger war in Richtung Krankenhaus enteilt. Allerdings nicht, um hinein zu gehen und Bescheid zu sagen, dass seine Frau bzw. meine Mutter ein Kind bekommt, sondern er benutzte dazu die vor dem Krankenhaus stehende TELEFONZELLE!

Wahrscheinlich dachte er sich: Wenn schon solch neumodische Dinger in die Landschaft gestellt werden, dann benutze ich sie auch! (Diese Telefonzelle war übrigens die einzige in Luckau.)
Allerdings setzte ihre Benutzung voraus, dass man die Nummer kennt, die man anzurufen gedenkt. Anderenfalls musste man die erst aus dem – hoffentlich vorhandenen – Telefonbuch heraussuchen. (Das dürfte aber nicht allzu schwierig gewesen sein, weil außer Bürgermeister, Feuerwehr, Krankenhaus und Polizei sowieso niemand ein Telefon besaß. Und diese vier Nummern konnte man im Kopf haben und mit sich herumtragen.)
Neben der anzurufenden Nummer musste man auch HARTGELD bei sich haben und in den dafür vorgesehenen – hoffentlich nicht verstopften – Geldeingabeschlitz stecken. (Kostenlose Notrufnummern gab es damals noch nicht. Die bundesdeutschen Notrufnummern wurden sowieso erst 20 Jahre später eingeführt. In der DDR wahrscheinlich mit weiteren 30 Jahren Verzögerung. Und bis zu meinem 50. Geburtstag wollte ich mit meiner Geburt auch nicht warten!)

Leider hatte der Mann in seiner prä-väterlichen Aufregung vergessen, anzusagen, WER die Gebärende ist und WO sie wohnt! »Kommen Sie schnell! Meine Frau kriegt ein Kind!«, sind äußerst dürftige Informationen, die einen schnellen Rettungseinsatz geradezu verhindern.
Zum Glück gab es in der DDR so etwas Nützliches wie die »Mütterberatung«, zu der jede werdende Mutter gehen musste (sofern sie über zwei gesunde Beine verfügte).

Meine einarmige Oma hatte zwar zwei gesunde Beine, ist da aber nie hingegangen und hat trotzdem drei gesunde Kinder geworfen – MICH nicht mitgezählt, denn ich war erstens nicht ihr Kind, sondern Kindeskind, und zweitens hatte sie mich nicht geworfen, sondern vom Küchentisch fallen lassen. Das macht strafrechtlich den Unterschied, dass das Werfen eine vorsätzliche Handlung und das Fallenlassen ein Unfall ist, der jedem mal passieren kann, wenn er mit nur einer Hand einen glitschigen Fleischklumpen aus dem Fleischwolf zu ziehen versucht.

Bei der Mütterberatung wurde den künftigen Müttern u.a. beigebracht, wie man dem Säugling die Windeln umbindet (ohne ihm den Unterleib abzuschnüren) und wie man das plärrende Kind von den vollgeschissenen Windeln befreit.
Damals gab es nur umweltfreundliche Stoff-Windeln, die schlimmer stanken als jedes vollgekotzte Katzenklo! Die wurden geleert, ausgekocht und wiederverwendet, bis sie von selbst auseinanderfielen. Spätestens dann musste das Kind »sauber« sein, also selber aufs Töpfchen gehen können.

Wer clever war, ließ sein Kind so lange »im eigenen Saft schmoren« (also in seiner eigenen Scheiße liegen), bis das Kind von selbst darauf kam, aufs Töpfchen zu gehen. Mein Sohn war in Rekordzeit »sauber«. 😉

Baby-Fertignahrung gab es auch noch nicht, sodass die Frauen selber einen Brei anrühren mussten, der dick genug war, dass er das Kind sättigte, aber dünn genug, damit ihn der säugende Ling (Säugling) durch den Flaschennuckel saugen konnte.
Die Rezeptur musste strikt eingehalten werden, wenn mann bzw. Frau das Kind nicht umbringen wollte!

Meine Mutter war im Krankenhaus als Schwangere registriert, sodass man dort nur sämtliche Karteikarten durchsuchen musste, um herauszukriegen, welche der zahlreichen Schwangeren mit ihrem errechneten Geburtstermin am dichtesten am aktuellen Datum liegt.
Die Karteikarte meiner Mutter wurde aus der Los-Trommel gezogen – und schon konnte sich der Krankenwagen in Bewegung setzen … um mir rechtzeitig zu meinem ersten Geburtstag zu gratulieren. Soll heißen: Er kam zu spät, um noch irgendwas bezüglich meiner Geburt verbessern, verändern oder verhindern zu können.

Gelegentlich fragt mich mal ein Gehirnamputierter, ob ich als Baby mal vom Wickeltisch gefallen bin, wenn ich laut sage, was ich gerade über ihn denke.
Und wenn ich dem/der dann wahrheitsgemäß sage, dass es nicht der Wickel-, sondern Küchen-Tisch war, dann fühlt er/sie/es sich verarscht.
Das Paradoxe daran ist: Man will mir das einerseits nicht glauben, weil es so unwahrscheinlich ist, andererseits ist man aber überzeugt davon, dass es so gewesen sein muss, weil ich anderenfalls so etwas nicht von mir geben würde …

Eltern verschweigen oft ihrem Nachwuchs, was bei seiner Geburt + Aufzucht schiefgelaufen ist. ICH hatte nicht dieses Glück, sondern mir das ständig anhören müssen.
Ich sage nur: Während der Schwangerschaft rauchen, saufen, koksen, kiffen, Umweltgifte, Gendefekte, Inzucht und Sodomie sind auch keine idealen Voraussetzungen für einen START INS LEBEN! Da halte ich einen Sturz vom Küchentisch für das kleinere Übel, zumal ein Küchentisch kein Baukran ist. Außer SCHORF AUF DER NASE hatte ich keine weiteren Blessuren davongetragen.

Mein Erzeuger hat sein Erzeugnis (bzw. mein Geschrei) lumpige fünf Wochen lang ausgehalten. Dann ist er mit unbekanntem Ziel getürmt! Aber nicht etwa aus der Stadt, sondern er hat komplett das Land verlassen, um sicherzugehen, dass mein Geschrei nicht mehr bis zu ihm dringen kann. (Diese »Gründlichkeit«, »Endgültigkeit« hat er mir vererbt. Blöderweise konnte ich dieses Erbe nicht ausschlagen.)

Mutter + Großmutter waren zwar ebenfalls mit mir überfordert, aber sie konnten ja nicht auch noch abhauen. Dann hätte ich ganz mutterseelenalleine in der Wohngegend rumgelegen. Darum entschied das Jugendamt, dass meine Mutter mit Sechzehneinhalb zu jung für mich ist (eine ältere wollte ich aber nicht haben!) und inhaftierte mich für die nächsten 2 Jahre in einem Säuglingsheim.
Als ich dann nach Hause kam, war die schönste Zeit ihres Lebens für Mutter + Großmutter schlagartig vorbei. Aber davon kündet ein anderes Kapitel.

Zum Thema TELEFONZELLEN möchte ich noch folgendes einfügen:
Meine Geburt hätte auch ohne diese Dinger stattgefunden. Aber sie haben hunderttausendfach Leben gerettet, Einsamkeit + Langeweile bekämpft, Kommunikation und anonyme Drohanrufe ermöglicht.
Nun werden die Letzten ihrer Art durch die Telekom ausgerottet, weil sie angeblich überflüssig sind. 😒
Schon beim Begriff überflüssig komme ich ins Grübeln: Wasser z.B. ist flüssig, Öl und Benzin auch. Aber was ist denn über-flüssig, also mehr als flüssig? Habe ich da im Physikunterricht einen Aggregatzustand verpasst? Oder im Deutschunterricht? Demnach ist »über« die STEIGERUNG von etwas: Übergröße, Überlänge, Übergewicht usw. Sogar Überfluss kenne ich. Aber überflüssig? 😵
Dessen ungeachtet sollte die Telekom aufhören, die angeblich mehr als flüssigen Telefonzellen abzureißen, denn sie mögen zum Telefonieren nicht mehr benutzt werden, haben aber weiterhin ihre Existenzberechtigung, zum Beispiel als NOT-UNTERKUNFT für Wohnungslose, Unterstellplatz bei schlechtem Wetter, Treffpunkt für Verliebte, Sperrmüll-Ablage und und und und und und

Betreffs der Notunterkunft: Angesicht der ins Astronomische steigenden Mieten zeichnet sich sowieso ein Trend zur 9-Quadratmeter-Einraumwohnung ab, wie sie einst meine Oma bewohnte. Bei der waren Flur, Küche, Bad, WC, Wohn-, Schlaf-, Kinder- und Gäste-Zimmer in einem einzigen Raum vereint!
Wenn sie noch leben täte, würde sie dazu sagen: Na und, hat’s mir geschadet?!
Und ich hätte ihr geantwortet: Nicht direkt.
Aber wie schneidet man sich die Fingernägel, wie schält man Kartoffeln und wie bekommt man einen Nagel in die Wand … mit nur EINER HAND?
Diese und ähnliche Fragen erwarten seit 60 Jahren eine Antwort!

03.08.2023, Nachtrag:
Weil es Dank menschlicher Intelligenz nun auch künstliche Intelligenz gibt, konnte ich der KI die Fragen stellen, die mich seit 60 Jahren plagen und einer Antwort harren.
ChatGPT hat mir die Antworten gegeben: Bildschirmfoto   Text-Seite
Allerdings konnten die meiner Oma nicht mehr helfen, weil es die von ChatGPT erwähnten Hilfsmittel damals noch gar nicht gab.

Der Trend geht derzeit ohnehin in Richtung MINIMALISMUS, TINY HOUSE und dergleichen.
Wenn man sich solch eine Telefonzelle vernünftig einrichtet, lässt es sich darin durchaus leben und auch sterben.
Meine Oma hatte einen Kack-, einen Wasser- sowie einen Kohlen-Eimer im Zimmerchen stehen. Die hätten auch in einer Wohnzelle Platz, zumal man den Deckel des Kack-Eimers als Sitzgelegenheit oder Abstellfläche für den einflammigen Gas-Kocher verwenden kann. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt, und IKEA würde sicher mit dem einen und anderen Möbelstück für ein wohnliches Ambiente sorgen.

Nun mag mancher einwenden: Aber wer möchte denn inmitten verglaster Wände hausen?
Ich behaupte: Jeder, der sowieso schon sein Intimstes auf Facebook, Insta & Co. preisgibt!
Aber, wie und wo soll man dann schlafen?
Man kann im Sitzen und Stehen schlafen (spart nicht nur Platz, sondern auch Matratze und Kissen). Jeder Verwaltungsbeamte kann dir vorführen, dass das geht! Die können sogar mit offenen Augen schlafen!

Noch ein paar Wörter zum HANDY:
Sein Vorläufer, gewissermaßen der Ur-Ahn, war das AUTOTELEFON.
Ich habe solch ein Ungetüm mal eigenhändig gesehen …
Da sitze ich mit meiner Gattin bei unserem Lieblings-Kroaten auf der Terrasse und warten darauf, dass der Ober das Essen serviert, als direkt vor dem Restaurant ein fettes Auto hält, dem ein Mensch entsteigt, den Kofferraum öffnet und ihm einen riesigen, schweren Koffer entnimmt.
Er nimmt am Nebentisch Platz, legt den Koffer neben sich auf einen freien Stuhl, öffnet den Deckel, nimmt einen wuchtigen Telefonhörer heraus, wählt eine Nummer (ob per Wählscheibe oder Tasten, konnte ich nicht erkennen oder hab es vergessen) und TELEFONIERT! Ganz ohne die obligatorische Strippe, die normalerweise zur Wandsteckdose führt.
Als technisch Interessierter hatte man ja schon davon gehört und gelesen. Aber wenn man solch ein Wunderwerk der Technik dann mal lebend in freier Wildbahn sieht, ist das doch ein ziemliches Erlebnis.
Das Ding aus der Ferne bewundern – mehr konnte man nicht, denn dieses Teil kostete 15.000 D-Mark, also so viel wie ein Mittelklasse-Auto. Und mir war ein Auto unterm Hintern wichtiger als ein Telefon, das man mit sich rumschleppen konnte (wenn man kräftig genug war).

Na ja, zumindest computer-technisch habe ich Schritt gehalten und einen der ersten »richtigen« PCs gehabt. Anschaffungspreis: 14.464 DM.
Dafür bekam man einen Rechner, der beim Einschalten so doof war wie ein Bügeleisen. Ein Betriebssystem, wie man es heute kennt oder gar Software gab es praktisch nicht. Was man wollte, das er tut, musste man ihm selber beibringen (programmieren). Dazu gab es ein Doppel-Disketten-Laufwerk (praktisch das Gedächtnis des Dummkopfes) sowie einen Nadel-Drucker (der meißelte wie ein Steinzeitmensch – allerdings mit Drucknadeln statt Holzhammer und Steinmeißel – die Schrift aufs Papier).

Ab 1982 BIS HEUTE habe ich Zweidrittel meines Lebens, also täglich 16 Stunden am Computer zugebracht! Das sind volle 26 Jahre, die ich ausschließlich vor dem PC hockte, also nicht »richtig gelebt« habe.
Dies könnte die Erklärung dafür sein, dass ich heute etwa 20 Jahre jünger geschätzt werde, als ich tatsächlich bin.

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Letzte Änderung: 17.03.2024 19:19:09

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