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Ich weiß nicht, ob ich meinen Eltern danken soll, dass ich weder abgetrieben noch ertränkt wurde. Zu ihrer Entschuldigung ist zu sagen, dass sie unmöglich ahnen konnten, was da mit meiner Geburt auf sie und den Rest der Menschheit zukommt. Schon meine Geburt war alles andere als »normal« – und daran hat sich die nächsten Jahrzehnte nichts geändert. Aber, was rede ich. Lies es selbst … Meine Geburtsstadt LUCKAU dümpelte Jahrhunderte vor sich hin, ohne in irgendwelchen Geschichtsbüchern oder wenigstens Straßenkarten erwähnt zu werden, obwohl Luckau alle Sehenswürdigkeiten zu bieten hatte, die eine hübsche Kleinstadt auszeichnen: Da gab es die STADTMAUER und den davor angelegten STADTGRABEN, die beide dazu angeschafft wurden, um sich feindliche Angreifer vom Leib zu halten. Das mag »vor meiner Existenz« sinnvoll gewesen sein, erwies sich jetzt aber als nutzlos, weil »der Feind« (also ICH) ja nun innerhalb der Stadtmauern wohnte. Luckau besaß auch eine KIRCHE, die mich allerdings nie von innen gesehen hat. Den MARKTPLATZ erwähne ich hier nur, weil auf dem die zuvor erwähnte Kirche stand. (Was hätten die Kirchen-Erbauer bloß ohne diesen Marktplatz gemacht? Und erst die zahlreichen Markthändler, die dort die Waren feilboten, die sie in ihren Läden nicht loswurden.) Wie jede richtige Stadt hatte auch Luckau ein KRANKENHAUS, in dem ich als Einjähriger mit einer Nahrungsmittelvergiftung herumlag, ansonsten aber an dieses Gemäuer keine unschönen Erinnerungen habe. Im RAThaus hätte man meiner Mutter den Rat gegeben, mich besser abzutreiben – wenn sie dort RAT gesucht hätte und bekannt gewesen wäre, was für einen Balg sie da ausbrütet! Das POLIZEIREVIER erwachte 5 Jahre nach meiner Geburt aus seinem Dornröschenschlaf und bekam dann allerhand zu tun. (Als 14-Jähriger hatte ich den dort Tätigen zwar vorgeschlagen, mich als Polizisten einzustellen. Dann könnte ich meine eigenen Untaten bearbeiten und die Kollegen erheblich entlasten. Diese [eigentlich geniale] Idee stieß allerdings auf wenig Begeisterung oder gar Zustimmung. – Da sage ich nur: Selber Schuld!) Auch das berühmte ZUCHTHAUS LUCKAU bekam ab meinem 17. Geburtstag wieder seine Existenzberechtigung. (Allerdings hielt man mich dort nur 4 Monate lang aus, weil meine ehemaligen Nachbarn dort als Wärter angestellt waren und sich beharrlich weigerten, sich noch länger durch mich das Leben schwermachen zu lassen. Ich wurde dann ziemlich weit weg in ein anderes Gefängnis verlegt, aber auch dort war meine Anwesenheit nicht die helle Freude für die dortigen Sadisten, die sich Wärter nannten.) Aber Luckau hatte auch erfreulichere Einrichtungen wie zum Beispiel das KINO. Das ich mangels Fernseher, Spielekonsole oder Smartphone beinahe täglich heimsuchte (und vollpinkelte). Nicht erwähnenswert wären noch der BAHNHOF, der BUSBAHNHOF, das MOOR-BAD … Ich
schreibe das mit Bindestrich, damit der flüchtige Leser beim Überfliegen des Textes nicht
versehentlich MOTORRAD liest. Obwohl flüchtige Leser sowieso eingesperrt
gehören! Nachdem das nun geklärt ist, komme ich zu meiner Mensch-Werdung: Meine Mutter hatte es sich (wieder mal) mit entblößtem Unterleib
auf dem Küchentisch unbequem gemacht. (An diesem Tag im Februar aber nicht, um sich vögeln zu
lassen, sondern um »die Frucht ihres Leibes« bzw. ihrer sexuellen Betätigungen zu empfangen, also
MICH.) Ein Küchentisch mag nicht die bequemste Unterlage für derartige Aktivitäten sein, hat aber den
unschätzbaren Vorteil, dass er die »perfekte Arbeitshöhe« hat! (Wenn du daran zweifelst, probiere
es selbst aus!) Man kann darauf nicht nur im Sitzen, Liegen oder Stehen (es soll sogar bei
Fahrradfahren geh’n!) speisen und Speisen zubereiten … Ja, gut, im Nachhinein finde ich es schon ein bisschen unappetitlich, von einem Tisch zu speisen, auf dem die Mutter mit ihrem nackten Arsch lag und sich vom Vater (also MEINEN Vater, nicht ihrem!) ficken ließ. Andererseits: Welche Existenzberechtigung hätte der Küchentisch sonst gehabt, wenn meine Mutter gar nicht kochen konnte. Er hätte doch die meiste Zeit des Tages (und der N8) nur nutzlos im Weg gestanden. Da ich aber bereits produziert und auf dem Weg durch den Geburtskanal bin (als NICHTSCHWIMMER nicht ganz ungefährlich!), kann ich weitere Ausführungen zu diesem Thema weglassen und mit meiner Geburt fortfahren. Als »Geburtshelferin« hatte sich meine EINARMIGE OMA (die Mutter meiner Mutter) eingefunden. Das war natürlich purer Unfug, denn er hätte nur das Küchenfenster öffnen müssen, damit das Weh-Geschrei meiner Mutter wie ein Lauffeuer durch die Stadt rast und irgendwann auch beim Krankenhaus angekommen wäre. Damals, anno 1953, war in solchen Fällen die »Flucht« des Mannes ein ganz natürlicher Instinkt, der sogar MIR noch innewohnte, als ich 22 Jahre später selbst Vater wurde und mich auf einem Zuckerrüben-Acker Traktor fahrend befand. Der MANN rennt seit Menschengedenken total furchtfrei Flugsauriern und Mammuts hinterher, fällt aber in Schockstarre, wenn er eine Gebärende sieht! Ich persönlich reagiere schon mit einer Blutleere im Gehirn, wenn ich sehe, wie eine Sau ferkelt,
eine Kuh kalbt oder eine Henne ihr Küken ausbrütet! Ich gucke nicht mal hin, wenn ein Metzger
Hackfleisch macht … und das alles ist NICHTS gegen eine Gebärende! Hier ein lebendes Beispiel für meine WEHLEIDIGKEIT, die ich zutreffenderweise aber lieber
»emotionale Überempfindlichkeit« nennen würde: Sie fand meine gestrige Kreislaufschwäche lustig und fragte mich: Männer rufen ja schon nach dem Seelsorger, wenn sie eine VERSTOPFUNG haben. Bei meiner Mutter hatte das ewige Rein-und-Raus dann dazu geführt, dass ihr das 5. Kind,
meine Schwester Ilona, auf der Krankenhaus-Treppe in die Trainingshose flutschte. ICH flutschte leider in keine Trainingshose, sondern meiner einarmigen Oma aus den Fingern und
landete unsanft auf dem Küchenboden. Wie ein Marmeladenbrot, also mit der »guten Seite« nach unten. Ich stelle mir das so vor: Mein Erzeuger war in Richtung Krankenhaus enteilt. Allerdings nicht, um hinein zu gehen und Bescheid zu sagen, dass seine Frau bzw. meine Mutter ein Kind bekommt, sondern er benutzte dazu die vor dem Krankenhaus stehende TELEFONZELLE! Wahrscheinlich dachte er sich: Wenn schon solch neumodische Dinger in die
Landschaft gestellt werden, dann benutze ich sie auch! (Diese Telefonzelle war übrigens die
einzige in Luckau.) Leider hatte der Mann in seiner prä-väterlichen Aufregung vergessen, anzusagen, WER die Gebärende
ist und WO sie wohnt! »Kommen Sie schnell! Meine Frau kriegt ein Kind!«, sind äußerst dürftige
Informationen, die einen schnellen Rettungseinsatz geradezu verhindern. Meine einarmige Oma hatte zwar zwei gesunde Beine, ist da aber nie hingegangen und hat trotzdem drei gesunde Kinder geworfen – MICH nicht mitgezählt, denn ich war erstens nicht ihr Kind, sondern Kindeskind, und zweitens hatte sie mich nicht geworfen, sondern vom Küchentisch fallen lassen. Das macht strafrechtlich den Unterschied, dass das Werfen eine vorsätzliche Handlung und das Fallenlassen ein Unfall ist, der jedem mal passieren kann, wenn er mit nur einer Hand einen glitschigen Fleischklumpen aus dem Fleischwolf zu ziehen versucht. Bei der Mütterberatung wurde den künftigen Müttern u.a. beigebracht, wie man dem Säugling die
Windeln umbindet (ohne ihm den Unterleib abzuschnüren) und wie man das plärrende Kind von den
vollgeschissenen Windeln befreit. Wer clever war, ließ sein Kind so lange »im eigenen Saft schmoren« (also in seiner eigenen Scheiße liegen), bis das Kind von selbst darauf kam, aufs Töpfchen zu gehen. Mein Sohn war in Rekordzeit »sauber«. 😉 Baby-Fertignahrung gab es auch noch nicht, sodass die Frauen selber einen Brei anrühren mussten,
der dick genug war, dass er das Kind sättigte, aber dünn genug, damit ihn der säugende Ling
(Säugling) durch den Flaschennuckel saugen konnte. Meine Mutter war im Krankenhaus als Schwangere registriert, sodass man dort nur sämtliche
Karteikarten durchsuchen musste, um herauszukriegen, welche der zahlreichen Schwangeren mit ihrem
errechneten Geburtstermin am dichtesten am aktuellen Datum liegt. Gelegentlich fragt mich mal ein Gehirnamputierter, ob ich als Baby mal vom Wickeltisch gefallen
bin, wenn ich laut sage, was ich gerade über ihn denke. Eltern verschweigen oft ihrem Nachwuchs, was bei seiner Geburt + Aufzucht schiefgelaufen ist.
ICH hatte nicht dieses Glück, sondern mir das ständig anhören müssen. Mein Erzeuger hat sein Erzeugnis (bzw. mein Geschrei) lumpige fünf Wochen lang ausgehalten. Dann ist er mit unbekanntem Ziel getürmt! Aber nicht etwa aus der Stadt, sondern er hat komplett das Land verlassen, um sicherzugehen, dass mein Geschrei nicht mehr bis zu ihm dringen kann. (Diese »Gründlichkeit«, »Endgültigkeit« hat er mir vererbt. Blöderweise konnte ich dieses Erbe nicht ausschlagen.) Mutter + Großmutter waren zwar ebenfalls mit mir überfordert, aber sie konnten ja nicht auch noch
abhauen. Dann hätte ich ganz mutterseelenalleine in der Wohngegend rumgelegen. Darum entschied das
Jugendamt, dass meine Mutter mit Sechzehneinhalb zu jung für mich ist (eine ältere wollte ich aber
nicht haben!) und inhaftierte mich für die nächsten 2 Jahre in einem Säuglingsheim. Zum Thema TELEFONZELLEN möchte ich noch folgendes einfügen: Betreffs der Notunterkunft: Angesicht der ins Astronomische steigenden Mieten
zeichnet sich sowieso ein Trend zur 9-Quadratmeter-Einraumwohnung ab, wie sie einst meine Oma
bewohnte. Bei der waren Flur, Küche, Bad, WC, Wohn-, Schlaf-, Kinder- und Gäste-Zimmer in einem
einzigen Raum vereint! 03.08.2023, Nachtrag: Der Trend geht derzeit ohnehin in Richtung MINIMALISMUS, TINY HOUSE und dergleichen. Nun mag mancher einwenden: Aber wer möchte denn inmitten verglaster Wände
hausen? Noch ein paar Wörter zum HANDY: Na ja, zumindest computer-technisch habe ich Schritt gehalten und einen der ersten »richtigen«
PCs gehabt. Ab 1982 BIS HEUTE habe ich Zweidrittel meines Lebens, also täglich 16 Stunden am Computer
zugebracht! Das sind volle 26 Jahre, die ich ausschließlich vor dem PC hockte, also nicht
»richtig gelebt« habe. |
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© 23.01.2023 HansiHerrmann.de
Letzte Änderung: 08.09.2025 21:39:44
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