📔 Geschichten … 03/08

Aufklärung – mal anders

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Als ich 5 Jahre alt war, sagte man über mich, ich sei FRÜHREIF.

Was ist »frühreif« an, bei, in einem KIND?

Wenn OBST frühreif ist, fällt es vom Baum, sofern es Baum-Obst ist, anderenfalls vom Strauch oder von sonst wo, auf jeden Fall: Es fällt von selbst zu Boden, man muss sich also weder strecken noch bücken, um es zu pflücken.
Und warum tut dies das Obst? Meistens, WEIL DER WURM DRIN IST. War also bei MIR der Wurm drin?

Zumindest einen BANDWURM hatte man jahrelang in mir vermutet, weil ich dünn war wie ein Hering und essen konnte, was ich (bzw. meine Mutter) wollte – ich nahm kein Gramm zu!
Erst 50 Jahre später klärte sich das auf: Ich war körperlich und geistig hyperaktiv. Und zwar in seiner extremsten Ausprägung. Das hat man aber erst festgestellt, nachdem arbeitslose Psychiater die Diagnose ADHS erfunden hatten. Da kam natürlich jede Erkenntnis oder Hilfe zu spät.
»Zappelphilipp« und »Suppenkasper« waren zutreffende Bezeichnungen für Kinder wie mich, aber leider keine anerkannten Diagnosen, hinter denen ich mich hätte verstecken können (rein optisch hätte ich mich aber hinter einem Besenstiel verstecken können).

Wie dem auch sei – man hat vergeblich mein Innerstes nach außen gekehrt, um der Ursache meiner »Schlankheit« auf den Grund zu kommen. In mir fand sich kein Bandwurm und auch sonst nichts, was da nicht hineingehörte.

Wenn mir erwiesenermaßen kein Bandwurm innewohnte, der mir das Futter wegfraß, was machte mich dann FRÜHREIF?

ES WAR MEIN UMGANG.
Bekanntlich formt ja der Umgang den Menschen. Und MICH haben nicht Gleichaltrige geformt, sondern Erwachsene.
Ich hatte mir das selbst so ausgesucht. Und dafür gab es zwei Gründe:

Die Welt der Erwachsenen war kinderfeindlich und nur auf die Bedürfnisse der Erwachsenen ausgerichtet. Wie will ein 5-Jähriger seinen eigenen Willen, eigene Interessen gegen Erwachsene durchsetzen, wenn er denen körperlich und geistig weit unterlegen ist?!
Das geht nur, wenn man »seinen Feind studiert«. Darum habe ich mich gerne im Stadtpark zu alten Leuten auf die Bank gesetzt und mir deren Lebensgeschichten angehört (die waren froh, einen wissbegierigen Zuhörer zu haben, und ich war froh, viel übers Leben zu lernen, ohne das selbst erlebt zu haben [als ich 16 war, hat mir die Leipziger Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie bescheinigt, dass ich »die Lebenserfahrung eines Rentners« habe – und dabei hatte ich bis dahin kaum was Weltbewegendes erlebt], meine »Lebenserfahrung« war eigentlich die Summe der Lebenserfahrungen meiner erwachsenen Mitmenschen).

Im Umgang mit gleichaltrigen Dummköpfen kann man nichts als Unsinn lernen und nichts als schlechte Erfahrungen machen. Darum habe ich mit denen kaum meine Zeit vertrödelt.
Um zur Erkenntnis zu kommen, dass man von einem Baum fallen und sich die Knochen brechen kann, muss man doch nicht selbst auf einen Baum steigen! Mir genügte es, zu erleben, dass das die anderen taten.

Was will ich von meiner 6-jährigen Freundin lernen, wenn die genauso dumm (unwissend) ist wie ich? Also habe ich mir eine 12-jährige »Neben-Freundin« zugelegt, um von der Dinge zu lernen, die mir dann bei meiner »richtigen« Freundin zugute kamen (und ihr hoffentlich auch). Ich bin aber niemals fremdgegangen, das war eine rein ANATOMISCHE Beziehung, in der das Mädel die »Urologin« war und ich der »Patient« bzw. ich der »Frauenarzt« und sie die Unterleibskranke! Bis dahin hatte ich z.B. echt gedacht, dass alle Menschen im Stehen pinkeln. Nun wusste ich, dass MÄDCHEN keine Feuerwehrmänner werden können, weil sie nicht »den Strahl lenken« können (aber andere Vorzüge haben, die auch nicht zu verachten sind).

Ich glaube, die Erwachsenen halten Kinder absichtlich so lange wie möglich dumm, damit sie ihnen weiterhin überlegen sind.
Dazu gehört auch der Unsinn, Kindern MÄRCHEN vorzulesen.

Oder nehmen wir »Frau Holle«.
Welches Mädchen ist denn scharf darauf, von Frau Holle versklavt zu werden und SCHNEE aus ihren muffigen Bettdecken zu schütteln, wenn es schon zu faul ist, zu Hause mal der Mutter zur Hand zu gehen oder wenigstens das eigene Zimmer aufzuräumen. Wissend, dass es Schlitten mit Rädern und in den Skigebieten Schneekanonen gibt. Welchen Anreiz könnte es haben, sich in den Dorfbrunnen zu stürzen (sofern der überhaupt vorhanden ist)?

Wem dient solcher Unsinn? Doch nur den Erwachsenen, die ihre Kinder loswerden oder dumm halten wollen!
Früher haben sie ihre Kinder im Wald ausgesetzt und der bösen Hexe überlassen (siehe »Hänsel und Gretel«), heute erzählen sie den Kindern Märchen von Eltern, die das taten. Welche sind wohl die besseren oder schlechteren Eltern?

Es gibt Eltern, die bringen ihren Kindern das SCHWIMMEN bei.
Wozu? Es bringt doch auch niemand seinem Kind das FLIEGEN bei!
Wenn GOTT gewollt hätte, dass wir schwimmen, hätte Er uns FLOSSEN gegeben. Wenn Er gewollt hätte, dass wir fliegen, hätte Er uns FLÜGEL gegeben. Hat Er aber nicht. Weil Er uns VERSTAND gegeben hat, damit wir uns Schiffe und Flugzeuge bauen können.
Wozu also muss ein Kind schwimmen können? Damit es sich in Sicherheit wiegt, in tiefe Gewässer geht, um dann die letzte Erkenntnis seines kurzen Lebens zu erlangen, dass es gar kein Fisch ist und auch von Kiemenatmung keine Ahnung hat … Ein Nichtschwimmer setzt sich erst gar nicht dieser Erfahrung aus!

Wenn ich einen großen Bogen um jedes Gewässer mache, kein Schiff oder Flugzeug betrete und Bier statt Leitungswasser trinke, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass auf meinem Totenschein »Tod durch Ertrinken« steht.

Ja, über solche Dinge denke ich nach, BEVOR das Kind (in diesem Fall ich selber) im Brunnen liegt!

Und nun komme ich zum eigentlichen Thema AUFKLÄRUNG:

Die meisten Kinder fragen irgendwann (wenn sie keinen Fernseher, kein Internet und keinen intimen Umgang mit älteren Artgenossen haben, heutzutage also kein einziges Kind) die Eltern:
Wo kommen eigentlich die Babys her?

Das ist eine völlig bescheuerte Frage, weil jeder, der gesunde Augen im Kopf hat, doch sehen kann, dass sie im Bauch der Mutter sind (wenn die Emanzipation weiter mit Riesenschritten voranschreitet, werden es in absehbarer Zeit wohl die VÄTER sein, die ihren Nachwuchs austragen müssen; zum Glück muss ICH das nicht mehr erleben!!!).
Wenn also offensichtlich ist, dass das Baby im Bauch der Mutter ist – und sie wird das auch oft genug und unüberhörbar thematisieren –, dann erübrigt sich eine derartige Frage.
BABYS KOMMEN AUS DEM BAUCH DER MUTTER.

Und wie kommt das Baby da rein?, ist eine ebenso überflüssige Frage, die man sich selbst beantworten kann:
Was man im Bauch hat, hatte man zuvor im Mund, wie zum Beispiel die Suppe, das Brot oder den Hosenknopf.
Und wenn man ein bisschen wartet, dann landen Suppe, Brot und Hosenknopf wenig später im Nachttopf oder auf dem Klo.

Jedem Kind bekannt sein dürfte auch, dass der PAPA etwas damit zu tun hat.
Demnach steckt der Papa also der Mama was in den Mund, das sie runterschluckt, damit es im Bauch landet.
Weil es ein BABY und kein Hackfleisch werden soll, darf es die Mama nicht zerkauen, sondern muss es am Stück runterwürgen wie zum Beispiel den Hosenknopf.

Bis hierhin braucht das Kind keinerlei »Aufklärung«, wenn es über Verstand und/oder Fantasie verfügt.

Was MIR Kopfzerbrechen bereitete, war Folgendes:
Ein Baby ist sehr viel größer als ein Hosenknopf! Wer mal Verstopfung hatte, der weiß, wie schmerzhaft es sein kann, seinen Mageninhalt wieder loszuwerden.
Ich konnte und wollte mir einfach nicht vorstellen, dass ein komplettes Baby den Körper der Mutter auf demselben Weg verlässt wie Suppe, Brot oder Hosenknopf! Dass der Mama der Bauch aufgeschnitten wird wie dem bösen Wolf, der die Geiseln schluckte, hielt ich auch für unwahrscheinlich, denn dann hätte meine Mutter eine riesige Bauchnarbe von meiner Geburt haben müssen. Hatte sie aber nicht …

Zur Beantwortung dieser Frage reichte weder mein 5-jähriger Verstand noch meine Fantasie. Also stellte ich sie meiner Mutter anlässlich eines Spaziergangs im Stadtpark:
Mutti, wo kommen eigentlich die Babys RAUS?

Ich hatte nicht gefragt, wie sie in den Bauch kommen, deshalb ging meine Mutter fälschlich davon aus, dass ich das schon wüsste (immerhin hatte ich ja zwei Freundinnen). Darum antwortete sie knapp: Da, wo sie reinkommen.
Fertig. Das war meine gesamte »Aufklärung«.

Aha, meine Mutti hatte mich also AUSGEKOTZT und würde bald auch meinen Bruder auskotzen!
Das ist ja noch viel schlimmer als Verstopfung!
DAS würde ich auf keinen Fall miterleben wollen!

Jede gewissenhafte Mutter hätte sich zuerst vergewissert, was das Kind schon übers Kinderkriegen weiß. Dann hätte sie festgestellt, dass ich über die ENTSTEHUNG von Babys NICHTS wusste!

Ich wusste nur, dass nicht der STORCH die Babys bringen kann:
Mein Bruder ist 5 Jahre nach mir auf die Welt gekommen. Und zwar im Krankenhaus. Es gab also keinen Sinn, dass meine Mutter ZUCKER aufs Fensterbrett der Küche legt, damit ihr der Storch meinen Bruder ins Krankenhaus bringt.
Was wollte sie überhaupt im Krankenhaus, wenn ihr der Storch das Baby aufs Küchenfensterbrett legt?
Jedes Kind weiß auch, dass Störche keinen Zucker essen, sondern Frösche! Sie haben nämlich gar keine Zähne, die vom Zucker-Essen löchrig werden können.
Wenn ein kleiner Storch in der Lage ist, ein Baby (plus »Verpackung«) im Schnabel durch die Gegend zu fliegen, warum gibt er sich dann mit Fröschen zufrieden, statt BABYS zu essen?
Und was ist mit Kindern wie mich, die im WINTER geboren werden, wenn der Storch bekanntlich im warmen Süden wohnt? Wer macht dann seinen Job? Ein Spatz, eine Kohlmeise …?
Welchen Sinn kann es haben, meinen ausgekotzten Bruder in ein olles Kopftuch zu wickeln, das oben zuzuknoten und es einem Storch zum Rundflug über die Häuser zu übergeben, der sein schweres Bündel dann wieder auf dem Küchenfensterbrett ablegt? Da könnte sie meinen Bruder doch auch gleich auf dem Fensterbrett liegen lassen. Außerdem ist doch mein Bruder bei der Geburt sowieso blind und kann beim Rundflug nichts von der schönen Stadt sehen!
Und was ist, wenn der Storch meinen Bruder unterwegs fallen lässt?

Liebe Leute, in was für einer Zeit wurde ich in die Welt geworfen?
Vonseiten Kindergarten und Schule war auch keine vernünftige Aufklärung zu erwarten, da wurde von Bienen und bestäubten Blüten geredet. Und meine Mutti hätte mir doch brühwarm erzählt, wenn sie von einer Biene bestäubt worden wäre …

Wer sich nicht die Mühe machen will oder zu verklemmt ist, sein Kind sach- und fachgerecht aufzuklären, der besuche mit ihm einfach einen ZOO.

Ich rate allerdings dringend davon ab, dem Kind vor dem LÖWEN-Gehege Anschauungsunterricht zu geben, weil es dort eine völlig falsche Vorstellung von ehelichen Pflichten bekommen könnte, da sich Löwen bekanntlich ein paar hundertmal am Tag paaren!

Auch fickende HUNDE sind keine geeigneten Anschauungsobjekte, weil die sich mit so ziemlich allem und jedem paaren, der ihnen vor die Flinte kommt. Mit menschlichen Waden genauso wie mit Stuhl- und Tischbeinen, Sofakissen und ‑ritzen, Plüschtieren und dergleichen. (Mein Pitbull zum Beispiel war eine Zeit lang in eine Stoff-Löwin verliebt. Als die ihm gewissermaßen »die kalte Schulter zeigte«, hatte mein Hund tagelang Depressionen. Davon gibt es Fotos.)
Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, doch mal kopulierenden Hunden beizuwohnen, kann man dem Kind ja erklären, dass das nichts mit Ficken zu tun hat, sondern mit Nächstenliebe: Der eine (untere) ist blind und der andere (obere, der mit der Pistole unterm Bauch) schiebt ihn über die Straße.

Empfehlen kann ich das AFFEN-Gehege. Dort geht es halbwegs menschlich zu:
Beim Anblick zweier Affen-Männchen beim Oralverkehr kann man dem Kind etwas über gleichgeschlechtliche Partnerschaften erzählen. Dass nicht nur menschliche MÄNNER MÄNNER heiraten dürfen und FRAUEN FRAUEN, sondern dass die auch keine eigenen Kinder haben können, auch wenn sie die Bewegungen machen, als ginge das. Zum Glück gibts ja Kinderheime und die Dritte Welt, von wo sie ihren Nachwuchs holen können.
Könnte mir mal bitte jemand verraten, wo die ERSTE und ZWEITE Welt ist? Ich höre, sehe und lese immer nur von der DRITTEN Welt. Da muss es doch auch irgendwo die anderen beiden geben …

Wer HASEN bzw. Karnickel zu Hause hat, sollte seinem Kind gegenüber bestreiten, dass das, was die tun, irgendwas mit Sex oder Kindermachen zu tun hat, weil allein die Geschwindigkeit, mit der Hasen das tun, das Kind den Rest seines Lebens traumatisieren könnte, wenn es feststellt, dass es weit weniger schnell ist.

Ich war ein sehr wissbegieriges Kind, das ständig zu hören bekam: Du kannst einem aber auch Löcher in den Bauch fragen! Womit keine meiner Fragen zufriedenstellend beantwortet wurde. Selbst von GOOGLE bekam ich das schon als Antwort! 😒

Nur der Vollständigkeit halber: Ich wurde EHELICH geboren.
Die Ehe meiner Erzeuger hielt vom 10. Januar bis zum 10. April, also volle 90 Tage. Das mag nicht sehr lange sein, ist aber immer noch besser, als »vom Esel im Galopp verloren« zu werden … 😉





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