Neufassung: Juni 2023
Vorbemerkungen
Der Volksmund sagt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Natürlich kann und muss niemand sämtliche Strafgesetze kennen. Sogar viele Anwälte, die immerhin mindestens viereinhalb Jahre lang Jura studiert haben, sind nicht immer auf dem Laufenden. Seit Jahrzehnten stoße ich immer wieder auf Anwälte (und andere »Fachidioten«), die nicht auf dem aktuellsten Wissensstand sind. Das bedeutet nicht, dass ich schlauer bin als sie, sondern nur, dass ich mich zu Themen, die mich selbst betreffen, eben auf den neuesten Wissensstand bringe. Ein Arzt oder Anwalt kann oder tut das vielleicht aus den verschiedensten Gründen aber eben nicht. Genau DAS verlangt aber der Gesetzgeber: Nämlich, dass sich ein »Fachidiot« ständig weiterbildet. Und dass auch ICH als Otto Normalverbraucher alle erreichbaren Quellen nutze und alle zumutbaren Anstrengungen unternehme, um mich zu Themen schlau zu machen, die mich selbst betreffen! Bevor ich mir einen Tier-Porno herunterlade, muss ich mich also vorher darüber informieren, ob ich das straffrei tun darf. Auch ein Bauherr wird sich erst mit dem Thema Baurecht befassen und fachliche Hilfe in Anspruch nehmen (müssen), wenn er vorhat, mit einem Häuschen die Landschaft zu verschandeln. 😉 Der Gesetzgeber macht es einem aber auch nicht gerade leicht, zu verstehen, was er von seinen Bürgern verlangt oder was er ihnen verbietet: Jahrzehntelang (es waren genau 45 Jahre) geisterte der Begriff pornografische Schriften durch das Sexualstrafrecht. Ein unbedarfter Mensch konnte unter »Schriften« unbebilderte TEXTE verstehen, aber keine Fotos, Videos, Hörspiele oder Computer-Dateien. Erstmals 1975 hat der Gesetzgeber in
§ 11 StGB unter dem neu
eingefügten Absatz 3 definiert, was unter »Schriften« zu verstehen ist: Von der Existenz dieses neu geschaffenen Abs. 3 wussten wahrscheinlich nur Fachanwälte für Sexualstrafrecht. Und es gab weder Google noch Wikipedia oder unzählige Jura-Seiten, wo man sich informieren konnte. Es wäre auch verdammt lebensfremd gewesen, von den Menschen zu verlangen, dass sie sich vor jeder sexuellen Betätigung erst bei einem Fachanwalt für Strafrecht informieren, ob sie sich damit eventuell strafbar machen. Der Mensch erfuhr womöglich erst auf der Anklagebank von der Existenz dieses Paragrafen. Erst 22 Jahre später (1997) wird dieser Abs. 3 durch den Zusatz Datenspeicher ergänzt. Auch hiervon erfährt die Bevölkerung nichts. Weitere 24 Jahre später (2021) wurde aus dem missverständlichen
Begriff SCHRIFTEN endlich INHALTE gemacht. Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden. Aus diesem Juristen-Chinesisch wird zwar auch kaum jemand schlau. Aber zumindest ist nun das Missverständliche beseitigt. Und jeder, den es betrifft oder angeht, kann und sollte sich diesbezüglich informieren. Heutzutage stehen jedem unzählige Informations-Quellen zur Verfügung. Und niemand kann sich mehr damit herausreden, »Oh, das habe ich nicht gewusst!« Was ist eigentlich »Pornografie«?Der Gesetzgeber hatte es leider versäumt, diesen Begriff zu definieren, als er die Verbreitung pornografischer Schriften (bzw. Inhalte) unter Strafe stellte. Das hat der BGH nachgeholt: Als pornografisch ist eine Darstellung anzusehen, wenn sie unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse des Betrachters an sexuellen Dingen abzielt. Das war ein Beispiel für Juristen-Chinesisch. Übersetzt heißt das: Was sind pornografische Inhalte?»Inhalte« im Sinne des Strafgesetzbuches sind neben reinen Texten auch Fotos, Videos,
Zeichnungen, Tonaufzeichnungen, Computerdateien. Was ist Kinder-/Jugendpornografie?Kinder- und Jugendpornografie sind Darstellungen, die den sexuellen Missbrauch bzw. sexuelle Handlungen von Kindern oder Jugendlichen zum Gegenstand haben. Der Missbrauch bzw. die sexuelle Handlung muss nicht mal tatsächlich stattfinden. Es genügt, wenn es »so scheint als ob«! Auch Darstellungen, in denen Minderjährige derart gezeigt werden, dass dies beim Betrachter für sexuelle Erregung sorgen soll (sogenannte »Posing-Bilder«), sind verboten. Betrifft es ein KIND, ist das nach
§ 184b StGB ein
VERBRECHEN, das mit Freiheitsstrafe nicht unter 1 Jahr geahndet wird; handelt es sich um einen
JUGENDLICHEN, wird das gem.
§ 184c StGB mit
Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bestraft. Ebenso ist es verboten, bei Ablichtungen den Fokus auf die Geschlechtsteile oder das Gesäß eines Minderjährigen zu richten. Die dargestellten Personen müssen nicht mal ECHTE Kinder oder Jugendliche sein. Auch KI-generierte (Avatare) oder gezeichnete Minderjährige fallen unter das Verbot! Was ist Missbrauch?Sexuelle Handlungen an einem Minderjährigen vornehmen oder von einem Dritten vornehmen lassen. Sexuelle Handlungen von einem Minderjährigen an sich oder einem Dritten vornehmen lassen. In diesen Fällen ist bereits der Versuch strafbar – der Missbrauch hat also auch stattgefunden, wenn der Täter bei seinem Vorhaben gestört wurde oder es aus anderen Gründen nicht vollendet hat! Einen Minderjährigen sexuelle Handlungen an sich selbst vornehmen lassen. Auf ein Kind durch pornografische Darstellungen, Tonträger oder entsprechendes Reden einwirken. Beispiel: Wer ein Kind auffordert, sich breitbeinig fotografieren oder betrachten zu lassen, oder wer ihm pornografische Darstellungen zeigt, um ihm einzureden, dass das »normal« sei, der missbraucht dieses Kind! Wer ein Kind für eine solche Tat anbietet oder nachzuweisen verspricht. Selbst wenn das angebotene Kind gar nicht tatsächlich existiert, ist der Verbrechens-Tatbestand erfüllt! Wer ist ein Kind?Kind im Sinne des Gesetzes ist eine Person unter 14 Jahren. Wer ist Jugendlicher?Jugendlicher im Sinne des Gesetzes ist eine Person zwischen 14 und 18 Jahren. Was ist Tier- und Gewaltpornografie?Tierpornografisch sind Darstellungen, die sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben. Gewaltpornografisch sind Darstellungen, bei denen zu den sexuellen Darstellungen noch Gewalt hinzukommt. Wann »besitzt« man pornografische Schriften?Gehst du ins Restaurant und nimmst dort Platz, dann beSITZT du den Stuhl – auch wenn er dir nicht gehört. Leihst du dir einen Film aus der Videothek oder von einem Nachbarn, dann besitzt du ihn. Und findest du etwas auf der Straße, dann gelangst du in dessen Besitz, sobald du es aufhebst – egal, ob du es in die Mülltonne werfen oder zum Fundbüro bringen wolltest! Praktisch besitzt du im Sinne des Gesetzes alles, was man bei dir findet. (Der, dem eine Sache gehört, ist der EIGENTÜMER.)
Auf das Internet bezogen bedeutet das: Bist du wirklich nur zufällig auf einer solchen Seite
gelandet (also ohne sie aufgerufen zu haben), musst du sofort den temporären Speicher deines PCs
löschen! Rufst du allerdings eine solche Webseite gezielt auf, dann hast du selbst bei
ausgeschaltetem Cache dasselbe Problem, als hättest du die Dateien auf deinem Rechner gehabt. Denn
die Gerichte gehen davon aus, dass es einer erheblichen kriminellen Energie bedarf, gezielt solche
Seiten zu suchen/aufzurufen! Nach herrschender Rechtsprechung gilt: Wer bewusst und gewollt Seiten mit
kinderpornografischem Inhalt aus dem Internet AUFRUFT und auf dem Bildschirm seines Computers
BETRACHTET, verschafft sich den BESITZ von kinderpornografischen Inhalten. Es ist also nicht nur
das Abspeichern solcher Dateien strafbar. Erhältst du eine eMail mit kinderpornografischem Inhalt, kannst du sie an das zuständige LKA senden, musst sie dann aber sofort löschen, denn du darfst auf keinen Fall eine Kopie »zu Beweiszwecken« speichern! Wann macht man sich strafbar?Erlaubt
Verboten
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ℹ️ Ich befasse mich hier nur mit Themen, von denen ich sehr viel mehr verstehe als ein
Durchschnittsbürger. Das bedeutet aber nicht, dass ich immer auf jedem Rechtsgebiet auf
dem neuesten Wissensstand bin. Ich empfehle deshalb, alle verfügbaren Info-Quellen zu
nutzen und ggf. anwaltschaftlichen Rat einzuholen! Die Inhalte dieser Seite sind »allgemeine Aufklärung über rechtliche Hintergründe« bzw. »die an die Allgemeinheit gerichtete Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen oder Rechtsfällen in den Medien« nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Das bedeutet, dass ich Anfragen zu speziellen Problemen meiner Besucher nicht beantworten darf! ▶ Bei Verwendung der Inhalte meiner Seiten sind die Lizenzbedingungen zu beachten! ◀ |
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© 28.03.2007 | Neufassung: 25.06.2023 HansiHerrmann.de
Letzte Änderung: 08.09.2025 21:50:45
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