📝Mein juristisches Nähkästchen (2)

Ein Freund kam eines Tages zu mir und meinte, er sei »im Arsch«, wenn ich ihm nicht helfe.
Er habe zwar seine »Haus-Anwältin«, die alles mögliche für ihn erledigt, aber nun sei sie mit ihrem Latein am Ende.

Die Sache war die: Mein Freund, der gern Auto fuhr wie eine besengte Sau und dabei von seinem Schwager (der ein »hohes Tier« bei der Berliner Polizei ist) Rückendeckung bekam, war wieder mal viel zu schnell unterwegs. Allerdings auf Brandenburger Landstraßen. Bis dahin reichte der Arm seines Schwagers leider nicht. Und weil vor ihm ein »Lahmarsch« fuhr und ihn nicht überholen ließ, auch nicht auf seine Lichthupe und das dichte Auffahren reagierte, hielt er an der nächsten Kreuzung hinter ihm, ging hin und beschimpfte und beleidigte den anderen Fahrer aufs Gröbste. Er bot ihm auch Schläge an. Dass der Mann ein »Bonze« der brandenburgischen Landesregierung war und seine Frau auf dem Beifahrersitz saß, machte die Sache nicht leichter.

Nun hatte er eine Anzeige wegen Beleidigung, Bedrohung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr am Hacken. Seinen Führerschein sei er auf jeden Fall los, und wenn die Sache glimpflich ausgeht, käme er mit einer Geldstrafe davon, sagte seine Haus-und-Heim-Anwältin.

Nun ja, nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird. Nachdem er mir die Story in allen Einzelheiten erzählt hatte, sagte ich ihm: Angriff ist die beste Verteidigung! Und riet ihm, den Spieß umzudrehen.
Das tat er dann auch. So kam es dann zu seiner Strafanzeige gegen den eigentlich Geschädigten, indem der nun beschuldigt wurde, meinen Freund durch sein ungerechtfertigtes Langsamfahren genötigt zu haben.
Betreffs der Beleidigung und Bedrohung stand Aussage gegen Aussage. Es gab keine unbeteiligten Zeugen, außer der Frau des Geschädigten, die aber als »parteilich« anzusehen war, schließlich war sie die Gattin des Geschädigten und hatte ein persönliches Interesse am Ausgang dieser Geschichte.
So wurde die Sache am Ende eingestellt.

Im Nachhinein bereue ich zutiefst, diesem »Freund« bei dieser und anderen Gelegenheiten »den Arsch gerettet zu haben«, denn diesem undankbaren Menschen habe ich zweimal 5 Jahre Knast zu verdanken! Die ersten 5 Jahre verschaffte er mir mit Hilfe seines Polizei-Schwagers im Januar 2002. Das bestreitet er bis heute hartnäckig. Das zweite Mal ging ich 2017 für weitere 5 Jahre in den Knast.
Bis dahin glaubte ich an den deutschen »Rechtsstaat« und hätte nicht für möglich gehalten, dass man unschuldig im Knast landen kann. Inzwischen bin ich – Dank Internet und eigener Erfahrungen – schlauer und weiß, dass in der »Bananenrepublik Deutschland« noch ganz andere Dinge möglich sind. Es genügt eine einzige falsche Beschuldigung, wenn die glaubwürdig vorgetragen wird! Das Web ist voller Beispiele.
Aber zurück zum eigentlichen Thema.

Ich selbst hatte die Taktik Angriff ist die beste Verteidigung mal Jahre zuvor angewendet und damit eine ganz gute Erfahrung gemacht:

So nebenbei (also nicht schwarz, aber auch nicht ganz blütenweiß) arbeitete ich mal mit einem Freund kurze Zeit für jemanden als Kraftfahrer. Mein Freund fungierte als Beifahrer.
Als die Sache beendet war, kam es zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen diesem »Arbeitgeber« und uns.
Mein Freund meinte, sein Autoradio sei noch in dem LKW, den wir diesem Menschen zurückgegeben hatten. Das war zwar keine 20 DM mehr wert, aber es ging ja ums Prinzip. Warum sollte er jemandem 20 DM schenken, der ihm nicht gut gesonnen war?! Und ich hatte da noch meinen Hammer drin. Keinen besonderen Hammer, einen, den man für zwei Mark in jedem Baumarkt kriegt. Aber es ging ja ums Prinzip! Warum sollte ich jemandem 2 DM schenken, der mir nicht gut gesonnen war?!
Mein Freund meinte, wir sollten uns das Autoradio und den Hammer von diesem Menschen aushändigen lassen. Ich war der Meinung, dass es sich nicht lohnt, für ein paar Mark durch halb Berlin zu fahren und diesen Menschen dann vielleicht gar nicht anzutreffen. Aber, es ging ja ums Prinzip! Warum sollten wir jemandem 22 DM schenken, der uns nicht gut gesonnen war?!

Eines Tages hatte ich gerade den Kleintransporter eines anderen »Arbeitgebers« vor meinem Haus eingeparkt, als sich kurz darauf ein Polizeiauto davor einparkte, zwei Polizisten ausstiegen und den Kleintransporter sorgfältig in Augenschein nahmen, besonders die vordere Stoßstange. Dann klopften die wie wild an meine (damals noch nicht einbruch- und kugelsichere) Wohnungstür. Ich rief meinen Freund Paul an und informierte ihn leise über den Sachverhalt. Der meinte, ich solle ruhig bleiben und nicht öffnen. Die würden schon wieder gehen, wenn es denen zu lange dauert. Paul Büttner musste es ja wissen. Der war 10 Jahre älter als ich und hatte als ehemalige Unterwelt-Größe (zu Zeiten, wo Berlin noch eingemauert und die Unterwelt fest in »deutscher Hand« war) ungleich mehr Erfahrung mit der Polizei als ich. Ich kannte mich besser mit der Arbeitsweise der JUSTIZ aus.

Ein paar Tage später flatterte mir eine Vorladung der Polizei ins Haus, ich solle zur Vernehmung hinkommen und den Kleintransporter mitbringen.
Hm, ich wusste nicht, was die Polizei weiß, hatte aber vor Kurzem den Kleintransporter mit einem Hochdruckreiniger peinlich genau von allen Roststellen befreit, besonders an den Stoßstangen (man weiß ja nie, wozu das mal gut sein kann). Dass das Auto an diesem Tag auch etwas zu wenig Luft auf den Reifen hatte, erwies sich für mich dann als Glück …

Ein Polizist hielt mir vor, mit diesem Kleintransporter nach Rudow zur Wohnung des Geschädigten gefahren zu sein. Dort hätte ich die Herausgabe meines Hammers gefordert (vom Autoradio war keine Rede – umso besser!). Als der Geschädigte mich abwies mit der Bemerkung »Verschwinde, sonst gebe ich dir einen Hammer!«, hätte ich eine Bemerkung gemacht wie »Das wirst du bereuen!« und sei gegangen. Kurze Zeit später sei der Schaden am Fahrzeug des Geschädigten festgestellt worden.
Ich soll dem mehrmals reingefahren sein, einmal mit der vorderen Stoßstange des Kleintransporters und dann nochmal mit der hinteren (das wäre dann nicht nur Verkehrsunfallflucht, sondern vorsätzliche Sachbeschädigung – dem sein neuer, weißer Benz sah wirklich nicht mehr schön aus).

Ich bestritt diese Anschuldigung und gab zu bedenken, dass kein vernünftiger Mensch wegen eines 2-DM-Hammers die Benzinkosten für eine 20-Kilometer-Fahrt auf sich nimmt, und dann noch in der Ungewissheit, dort überhaupt jemanden anzutreffen, zumal ich das hätte auch telefonisch klären können.
Meine Argumente leuchtetem dem Polizisten zwar ein, aber er hatte eine Strafanzeige zu bearbeiten. Also betrachtete er sehr sorgfältig die Stoßstangen des Kleintransporters und meinte dann auf meine Frage, ob denn Lackspuren meiner Stoßstangen am Auto des Geschädigten gefunden wurden, dass dies nicht der Fall sei. Dann vermaß er die Stoßstangen des Kleintransporters und rief aus: »Also, wenn Sie mit diesem Auto dem reingefahren sein sollen, dann müssen sie geflogen sein!«
Ich frohlockte ein wenig und ging frohen Mutes nach Hause …

Wenige Tage später hielt ich abermals eine Vorladung der Polizei in Händen. Diesmal sollte eine Gegenüberstellung beider Fahrzeuge erfolgen. Und diesmal wurden in der Polizei-Werkstatt auch alle Reifen des Kleintransporters aufgepumpt!
Beide Fahrzeuge wurden dann gegeneinander gestellt, und nun stimmten alle Anstoßstellen genau mit den Stoßstangen meines Kleintransporters überein! Weiteres Leugnen wäre zwecklos – meinte zumindest die Polizei.

Es kam zur Gerichtsverhandlung, zu der ich aber keinen Verteidiger mitnahm, weil ich wegen einer solchen Bagatelle kein gutes Geld schlechtem hinterher werfen wollte.
Der Staatsanwalt verlas die Anklageschrift. Dann begann die Beweisaufnahme. Ich stellte den Antrag, den Geschädigten und dessen Ehefrau getrennt voneinander befragen zu dürfen. Das wurde genehmigt.

Also ließ ich den Geschädigten zuerst seine Version der Geschichte wiederholen. Ich hielt ihm vor, ob es richtig sei, dass ich weder sein Wohnhaus noch seine Wohnung kenne und ihn dort noch nie besucht hatte. Das bestätigte er. Nur mein Freund Paul kenne die. Und der sei weder Beschuldigter noch hätte er einen Führerschein oder könne Auto fahren.
Dann fragte ich ihn, ob er es für besonders vernünftig hält, dass ich wegen eines 2-DM-Hammers bei strömendem Regen 20 Kilometer fahre, wenn das Benzin für den Kleintransporter den Wert des Hammers bei weitem übersteigt. Das Autoradio erwähnte ich absichtlich nicht – und der Geschädigte erwähnte es auch nicht, was zu seinem Nachteil war, denn für 22 DM hätte es sich sehr wohl gelohnt, nach Rudow zu fahren! 😉

Ich fragte ihn auch nach dem Wetter zur »Tatzeit«, und er meinte – wie schon in früheren Aussagen –, dass es NICHT geregnet hätte. Das war falsch, denn es hatte nachweislich in Strömen geregnet und darauf stützte sich auch mein Alibi: Ich war mit diesem Kleintransporter morgens zu meinem Freund gefahren, und weil es in Strömen regnete, machten wir einen Video-Tag, guckten uns also Videos an, die mein Freund mit seiner Kamera gemacht hatte, denn bei diesem Wetter konnten wir draußen keine Plakatwände aufstellen, was unser eigentlicher Job als »Schwarzarbeiter« gewesen wäre. Mein Freund und dessen Frau bezeugten diese Aussage.
Der Geschädigte blieb aber dabei, dass es nicht geregnet hatte und ich bei ihm gewesen sei.
Ich fragte ihn, wann er denn festgestellt habe, dass sein Auto beschädigt sei. Er erzählte, dass er seiner Frau bei ihrer Rückkehr vom Einkaufen berichtet hätte, dass ich dagewesen sei und wegen einer komischen Bemerkung von mir hätte er so ein komisches Gefühl gehabt, dass ich was mit seinem Auto gemacht haben könnte. Dann sei er zusammen mit seiner Frau hinunter auf den Parkplatz gegangen, hätte den Schaden festgestellt und die Polizei gerufen.

Nun wurde die Ehefrau des Geschädigten in den Gerichtssaal gebeten. Sie wurde dahingehend belehrt, dass sie als Zeugin die Wahrheit sagen müsse, aber nichts sagen müsse, was ihren Ehemann oder sie selbst belasten könnte. Sie erklärte sich bereit auszusagen und auch meine Fragen zu beantworten.
Ich fragte sie nach dem Wetter. Sie gab richtig an, dass es zur Tatzeit und auch davor und lange danach stark geregnet hatte. Ich hielt ihr vor, dass ihr Mann das Gegenteil behauptet hätte, sie blieb aber bei ihrer Aussage.
Dann fragte ich sie, wann und wie sie den Schaden am Fahrzeug ihres Mannes entdeckt habe. Sie sagte, dass sie den sofort entdeckt hätte, als sie vom Einkaufen über den Parkplatz nach Hause gegangen war. Der Schaden war unübersehbar! Sie wäre dann in die Wohnung gegangen und hätte das ihrem Mann erzählt. Dann hätte ihr Mann ihr gesagt, dass ich da gewesen sei und eine komische Bemerkung gemacht haben soll.
Auf meinen Vorhalt, ihr Mann habe aber ausgesagt, dass ER von sich aus auf die Idee kam, das Auto zu inspizieren, widersprach sie dem. Es sei so gewesen, wie sie es ausgesagt hatte!

Ich fragte das Gericht, ob man den Aussagen dieser Leute überhaupt Glauben schenken darf, wenn die als Ehepaar zusammenleben und sich in Kernpunkten ihrer Aussagen derart widersprechen. Dann wies ich (so ganz beiläufig) darauf hin, dass der Geschädigte Alkoholiker sei und schon mehrmals kleinere Bagatellschäden an seinem Fahrzeug selbst verursacht hatte, seiner Ehefrau gegenüber aber immer anderen die Schuld daran gab. Ich fragte die Zeugin, ob dies zutreffend sei, was sie bestätigte. Dann fragte ich sie, ob es möglich sei, dass ihr Ehemann selbst die Schäden an seinem Fahrzeug verursacht haben könnte und wieder nur einen Sündenbock dafür bräuchte. Sie hielt das für möglich und nicht ganz ausgeschlossen. Meine Frage, ob sie mich oder den Kleintransporter am Tatort gesehen hätte, verneinte sie. Sie sah mich heute zum ersten Mal. Sie war aber unmittelbar nach der »Tat« auf diesem Parkplatz gewesen und hatte den Schaden festgestellt, auf ihrem Nachhauseweg hätte sie also diesen Kleintransporter sehen müssen!

Ich wies das Gericht darauf hin, dass allein die Übereinstimmung der Anstoßstellen beider Fahrzeuge kein Tatbeweis wären, zumal dieser Kleintransporter nicht das einzige Fahrzeug seiner Art in Berlin ist und auch keinerlei Lack- oder andere Spuren gefunden wurden, die auf genau dieses eine Fahrzeug als »Tatwerkzeug« hinweisen. Außerdem hatte ich ja das Alibi meines Freundes und seiner Ehefrau, die keinen ersichtlichen Grund hatten, für mich zu lügen – außer, sie hätten zur Tatzeit im Tatfahrzeug als Beifahrer gesessen! 😉

Na ja, hinterher ist man immer klüger, zumindest was den Geschädigten und seine Frau angeht. Ich erntete einen Freispruch mangels Beweises und musste mir nach der Gerichtsverhandlung im Gerichtsflur noch die wüstesten Beschimpfungen des Geschädigten anhören, der mir lautstark vorwarf, das Blaue vom Himmel gelogen zu haben und der gewiefteste Ganove auf Gottes Acker zu sein!
Hm, niemand hat den beiden verboten, sich anständig und gewissenhaft auf die Gerichtsverhandlung vorzubereiten … Die waren sich ihrer Sache so sicher, dass sie sich nicht mal darüber unterhielten und ihre Aussagen miteinander »abstimmten«.

Der Freispruch war nicht meine Schuld, sondern mein Verdienst. Denn ich hatte mich (wie schon immer) sorgfältig auf den Prozess vorbereitet und im Vorfeld auch Erkundigungen über dieses Paar eingeholt. 😉
Ich bin dann direkt nach dieser Gerichtsverhandlung mit meiner Akte rüber auf die andere Straßenseite des Kriminalgerichts gegangen und habe einen dort ansässigen Anwalt damit beauftragt, 2.700 DM Entschädigung für den zeitweiligen Verlust meines Führerscheines und der (Schwarz-)Arbeitstelle von der Staatskasse zu verlangen. Die bekam ich dann auch. Davon hätte ich mir dann 1.350 neue Hämmer kaufen können. 🤑
Diesen Anwalt hatte ich übrigens aus der Vielzahl der in der Nähe des Kriminalgerichts ansässigen Anwälte nur gewählt, weil er – wie ich – mit Nachnamen Herrmann hieß.




© 18.02.2014 HansiHerrmann.de