Verständliche Wortwahl

Da trete ich völlig ahnungslos und unbefangen mit meinem Pitty vor das Haus, um dem Tier den nötigen Auslauf in den kühleren Abendstunden zu verschaffen (mir persönlich reicht die Luft, die zum Fenster reinkommt, völlig zum Leben und Sterben).
Ich trete also kaum zwei Schritte vor das Haus, als mir zwei Besoffene in den Weg treten. Jeder mit einer Bierflasche in der Hand. Nun sind mir Leute, die in der Öffentlichkeit saufen, ohnehin ein Gräuel. Wenn sich einer von denen aber vierzig Zentimeter vor mir aufbaut und mich anguckt, als sei er bereit, sein junges Leben wegzuwerfen, dann vergesse ich mein Hochdeutsch und gepflegte Umgangsformen …

Er säuselt irgendwas in seinen vollgesabberten Bart und geht mir nicht aus dem Weg. Also sage ich ihm: »Ey, du Krüppel. Hast du ein Problem? Brauchst du Stress? Wenn du keinen Alkohol verträgst, solltest du dich nicht in fremde Kieze begeben und dein Leben wegwerfen!«
Sein Kumpel hat das verstanden, versucht eine Entschuldigung und ist bereit, zu gehen. Dieser Bastard aber versteht meine Sprache nicht – er rührt sich nicht vom Fleck und starrt mich weiter an, als wolle er mich fressen.

Weil ich ca. 108 Semester Psychologie (und Arschlöcher) studiert habe, und seit 23 Jahren Neuköllner bin (nicht »bessere Wohngegend«, sondern »finsterstes Getto«), entnehme ich Körperhaltung und Gesichtsausdruck dieses Irren, dass dieser Mann innerhalb der nächsten zehn Sekunden auf mich losgehen wird.

In diesem Fall würde ein unangeleinter Pitbull in der Gegend rumlaufen und alles reißen, was nach RÜDE riecht! Oder, noch unangenehmer: Der kluge Hund würde dem Irrtum erliegen, dass ich mich nicht selbst verteidigen kann und auf seinen Schutz angewiesen bin (ein Pitbull trifft diese Entscheidung ganz autonom und reagiert entsprechend). Dann würde es eine riesige Sauerei vor unserer Haustür geben, die ICH nicht beseitigen müssen möchte!
Ja, an so etwas denkt ein umsichtiger Mensch VORHER, also bevor er sich eines Lebensmüden entledigt!

Nach meinen bisherigen Erfahrungen schätze ich das Gefährdungspotenzial dieses Mannes für mein leibliches Wohlergehen auf einer Skala von 1 bis 10 bei 8 ein, also unangenehm.
Darum versuche ich es letztmals mit sorgfältig gewählten Worten: »Alter, ich sage dir jetzt zum letzten Mal: Wenn du mir nicht sofort aus dem Weg gehst, dann binde ich meinen Pitbull an und dann bist du innerhalb zwei Sekunden mausetot! Ich reiße dich in Stücke und fresse dich, du Lebensmüder! Weißt du überhaupt, mit wem du dich hier anlegst, du kleiner Krüppel? Verpiss dich, ehe ich dir das Herz rausreiße, du Opfer! Ich töte dich schneller als dein Kumpel seine Bierflasche fallen lassen kann!«

ℹ️ Rein JURISTISCH ist es für mich bei einem späteren Strafprozess von entscheidender Bedeutung, dass ich meinem Gegenüber eine derartige Warnung zukommen lasse, bevor ich von meinem Notwehrrecht Gebrauch mache. Die Wahl der Worte bleibt mir überlassem, solange sie verständlich sind.

Er hat dann irgendwas von Alkohol nicht vertragen und keinen Stress haben wollen gemurmelt und sich auf den Weg gemacht. Ich gab ihm den Rat, sich nicht mehr in diese Gegend zu verlaufen, wenn er nicht Herr seiner Sinne ist, weil das in Neukölln ganz schnell tödlich enden kann.

Meinen vor dem Haus campierenden Nachbarn hat dies etwas Spaß und Abwechslung in ihren trostlosen Alltag gebracht. Und mir die Gewissheit, dass ich mich verständlich ausdrücken kann.

Hätte ich mich in dieser Situation »normal« verhalten, also so »wie es sich gehört«, dann läge ich jetzt auf meiner Couch und würde meine Wunden kühlen (ich habe erst ein einziges Mal in meinem Leben »meine Wunden gekühlt«, und dabei soll es auch bleiben! Foto), oder mein Hund hätte mir in die Hütte gepisst, falls ich ins Haus zurückgegangen wäre. Beides war vermeidbar.

Nee, liebe Leute, die ihr Neukölln und das Leben nur aus den Nachrichten kennt: In Neukölln spricht sich ganz schnell herum, wer ein Psychopath oder ein Arschloch ist. Und, ehrlich gesagt, möchte ich nicht als Arschloch durch Neukölln laufen, nicht mal mit Pitbull!


Wenn du kein Berliner bist, gib bei Spiegel-Online (Stern, Bild, Google oder sonstwo) den Suchbegriff »Neukölln« ein. »Gewalt« als zweiten Suchbegriff musst du nicht eingeben. 😉
Viel Spaß beim Lesen. 😏


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