Eigentlich habe ich HEUTE Geburtstag. Aber künftig feiere ich ihn schon am
27. Januar.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich eigentlich nie zum Arzt gehe. Was ich nicht
selbst kurieren kann, braucht kein Medizinmann schlimmer machen!
SO dachte ich bis zum 26. Januar …
Da rief ich wegen starker Rückenschmerzen den Bereitschaftsarzt (wenn ich gewusst
hätte, wie es um mich steht, hätte ich besser mein TESTAMENT gemacht!).
Dieser Bereitschaftsarzt erschien 4 Stunden später, untersuchte mich ausgiebig und kam zu dem
Schluss, dass er keine Diagnose stellen kann, weil er Gynäkologe sei.
Da konnte ich noch froh sein, dass man mir keinen NERVEN-, TIER- oder ZAHNarzt
geschickt hatte!
Er wisse nicht, was da in meinem Unterleib anschwillt, das sei aber auf jeden Fall lebensbedrohlich.
Man müsse den Notarzt rufen und ich müsse sofort ins Krankenhaus!
Woher nimmt der Mann diese Gewissheit, wenn er nicht sicher ist, was mit bzw.
IN mir los ist? Ein Notarzt-Einsatz kostet meines Wissens einige hundert Euro. Die kann man sparen,
wenn man nicht im Sterben liegt (und falls man im Sterben liegt, kann man sich den Notarzt auch
sparen!) Das war und ist jedenfalls meine Philosophie. Ich hätte Philosoph werden
sollen. 😉
Vielleicht sollte man einem Menschen, der sich beruflich mit Unterleibern befasst, während des
Medizin-Studiums beibringen, dass sowohl Frauen als auch Männer eine Bauchschlagader haben,
die (wie ein poröser Gartenschlauch) anschwellen und auch platzen kann …!
Ich hätte (trotzdem) auf ihn hören sollen, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine
Lebenserwartung von WENIGER ALS 24 STUNDEN!
Aber ich ließ mir lediglich eine Spritze gegen die Schmerzen geben, die nicht wirkte
(dass in diesem Fall nur eine VOLLNARKOSE die Schmerzen nehmen kann, konnte ich
nicht wissen, und der Frauenarzt wusste das wohl auch nicht). Also versuchte ich, meine
Schmerzen mit
Doppelkorn zu
ersäufen.
Erst am nächsten Tag, dem 27. Januar, fuhr ich ins Neuköllner Krankenhaus.
Nachdem ich viereinhalb Stunden auf dem Flur der Notaufnahme herumgelegen und zwischendurch
allerlei Untersuchungen über mich hatte ergehen lassen, wurde ich zum Röntgen gebracht. Die
Röntgenärztin erzählte was von Steinen in den Harnwegen, und das müsse sich der Chirurg anschauen.
Kurz darauf untersuchte mich Dr. Jörg Schramm mit dem Ultraschall.
Weil ich so eine komische Vorahnung hatte, sagte ich ihm: »Wenn es was
Schlimmes ist, behalten Sie es für sich! Ich will das nicht wissen!«
Im selben Augenblick wurde sein Blick ernst:
»Herr Herrmann, Sie wollen es nicht hören, aber ES IST WAS SCHLIMMES! Und ich MUSS
es Ihnen sagen: Ihre Bauchschlagader ist gerade dabei zu platzen!«
Puuh, und ich dachte schon, es sei was Ernstes …
Das Riesending, das ich da auf dem Ultraschallmonitor sah, war also nicht mein Magen, sondern
meine Bauchschlagader!
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In wenigen Augenblicken würde mein gesamtes Blut in den Bauch laufen und mir
wäre nicht mehr zu helfen!
Normalerweise hat die Bauchschlagader einen Durchmesser von 2 Zentimetern,
MEINE war auf
8 Zentimeter angeschwollen!
Er machte einen Anruf, um meine Not-Operation vorzubereiten. Dann brachte er mich
sofort zur Computertomografie, und dann ging alles sehr schnell: Noch während mein Bauchraum
gescannt wurde, rief man den leitenden Arzt der Chirurgie, Dr. Guido Löhr, herbei. Er und
Dr. Schramm redeten auf mich ein, dass ich ein Notfall sei und sofort operiert werden muss,
weil ich anderenfalls garantiert nicht das Ende des Tages erleben werde! Die OP würde ca.
1,5 Stunden dauern – wenn alles gut geht! Falls etwas schiefgeht, würde man literweise Blut in
mich reinschütten müssen. Zu diesem Zweck lege man mir vorsorglich einen »Zugang« an der
Halsschlagader, an den notfalls ein »Gartenschlauch« angeschlossen werden könne, um mich voll Blut
zu pumpen!
Ich finde es überaus nett und hilfreich von den Ärzten, dass die einem die
aktuelle Situation mit derart deutlichen Worten plastisch vor Augen führen. Wann hat man schon als
Normalsterblicher die Gelegenheit, an einen Gartenschlauch angeschlossen zu werden?!
Ich war wegen RÜCKENSCHMERZEN ins Krankenhaus gegangen, aber nicht zum STERBEN!
Noch während die beiden auf mich einredeten, wurde ich OP-fertig gemacht. Man
zog mich aus, rasierte mir den Bauch (ich hielt das bisher nicht für nötig), die
Anästhesistin quatschte mich zu … Und ich hatte nichts Wichtigeres im Kopf als um ein Telefon zu
bitten!
»Herr Herrmann, ist Ihnen klar, dass Sie auf einem Operationstisch liegen und in
wenigen Augenblicken operiert werden?!«
»Das ist mir schon klar. Aber ich leite eine Spielzeug-Werkstatt mit 25 Leuten,
und ich muss ja in der Firma Bescheid sagen, dass sich jemand anderes um meine Leute kümmert!
Das ist mal wieder ein schönes Beispiel für meine Idiotie, das Wohl meiner
Mitmenschen über mein eigenes Wohl zu stellen.
Jeder »normale« Mensch hätte in dieser Situation ganz andere Sorgen. Und ich Depp sorge mich um
meine 25 Mitarbeiter – als wenn die nicht erwachsen wären und auch ganz gut OHNE MICH
weiterleben könnten …
Aber man reichte mir ein Telefon. Ich informierte die Sekretärin unserer Firma,
»dass ich heute wohl nicht in die Firma kommen kann, weil ich momentan auf dem
OP-Tisch liege und eine Intim-Rasur bekomme.«
Wer mich und meinen Galgen-Humor kennt, der glaubt mir kein Wort, wenn ich so rede. Aber die
Anästhesistin (Narkose-Ärztin) bestätigte gegenüber der Sekretärin meine Worte.
In der Zwischenzeit war ich vom Schambereich bis hoch zur Brust blank wie ein Suppenhuhn, bevor
es im Kochtopf landet.
Mein »letztes Wort« richtete ich an die Narkose-Ärztin:
»Wie weit muss ich zählen, bevor ich in Narkose bin? Ich habe das mal im Fernsehen
gesehen, dass die Leute vor der Narkose zählen.«
Darauf Sie: »SIE sind ein Notfall und müssen gar nicht zählen!«
Im selben Augenblick war ich auch schon narkotisiert … und kam irgendwann auf der Intensivstation
wieder zu mir. Lebend! 😅
Ich war »verkabelt« bis zum Gehtnichtmehr. Alle paar Minuten schlugen die
Apparate Alarm, weil irgendwas nicht in Ordnung war: Mal war der Sauerstoffgehalt meines
Blutes zu niedlichrig (und man zwang mich Todkranken, Atemübungen zu
machen – die mache ich nicht mal, wenn ich kerngesund bin!), dann war der Kreislauf nicht stabil
… Und wenn meine Apparate mal ein paar Minuten Ruhe gaben, schlugen die des anderen Patienten
Alarm!
Neben mir lag ein junger Türke, der hatte einen Messerstich in den Hals
bekommen und »starb« nun alle paar Minuten! Und jedes Mal, wenn seine Apparate lautstark Alarm
schlugen, dachte ich über die Worte meiner Oma nach: »MESSER, Gabel, Schere, Licht sind für
kleine Türken nicht!«
Ich will dich jetzt nicht mit Einzelheiten meines 8-tägigen
Krankenhausaufenthaltes langweilen. Aber die OP war das geringste Übel an der ganzen
Geschichte! Wenn man narkotisiert ist, hat man weder Schmerzen noch Sorgen.
Hier muss ich etwas Wichtiges einflechten, das man als potenzieller Patient
wissen sollte:
Das (ZU UNRECHT!) »verrufene« Krankenhaus Neukölln leistet sich bzw. seinen Patienten den »Luxus«,
extra »Schmerz-Ärzte« zu beschäftigen! Die sind »Weisungs-unabhängig«, dürfen also selbstständig
Patienten mit Schmerzmitteln zuschütten. Das ist viel angenehmer, als ständig nach einer Schwester
(oder einem Bruder) klingeln zu müssen, um sich dann einen Vortrag anzuhören, man hätte doch eben
erst … oder man sei nur die Nachtschwester und kenne sich mit den Infusionspumpen nicht aus.
Mir war gerade erst der Bauch auf 30 cm Länge aufgeschnitten und
zugetackert worden (mit Klammern, mit denen man Pferde und Großwild zusammenflickt). Der
(unerfahrene) Leser möge sich vorstellen, dass die Schmerzen mit denen vergleichbar sind, als wenn
man sich mit dem Hammer auf die Finger haut oder sich die Hand in der Autotür quetscht … mit dem
Unterschied, dass die Schmerzen bei derartigen Unfällen nach wenigen Minuten ausgestanden sind.
Auf jeden Fall ist es nicht sonderlich erbaulich, in dieser Situation dann mit einer Schwester über
Sinn oder Unsinn von Schmerzmitteln zu diskutieren!
Ich hatte das »Glück«, überhaupt keine Schmerzen zu verspüren und zudem auch
noch ziemlich gut drauf zusein.
Das war zum einen der Tatsache zu verdanken, dass ich am »Schmerz-Tropf« hing. Und zum anderen, dass
ich »bei Bedarf« einen Knopf an der Infusionspumpe drücken konnte, um eine zusätzliche Portion
Schmerzmittel zu bekommen. Was ich nicht wissen konnte: Beim Programmieren der Infusionspumpe hatte
man einen Fehler gemacht, sodass ich bei Bedarf nicht eine »zusätzliche Portion« Schmerzmittel
bekam, sondern »das volle Programm«! Ich war also dauerhaft HIGH (zu Deutsch: 🦈 Hai).
Das erfuhr ich, als die Schmerz-Ärztin zu mir kam, mich angrinste und meinte: »Na,
Herr Herrmann, Sie sind ja ziemlich gut drauf. Und Sie gucken wie ein Schiepchen (🐤 Hühnerküken).
Und dann erklärte sie mir die »Panne«, die für mich aber gar keine war. 🥳
Krankenhäuser machen krank!
Darum beschloss ich in der 5. Nacht, alle Apparate und Pumpen abzuschalten und mir alle
»Zugänge« und
Schläuche aus dem Leib zu reißen.
Dabei kam mir zugute, dass ich technisch ziemlich fit bin und einige
Computerkenntnisse hatte. So wusste ich, dass man die Infusionspumpen nicht einfach abschalten
darf, sondern wie einen PC »runterfahren« muss, weil sie anderenfalls Alarm schlagen.
Man bemerkte das am nächsten Morgen mit Entsetzen.
»Herr Herrmann, was haben Sie getan?!« »Also, ich bin jetzt
45 Jahre in diesem Krankenhaus. Aber DAS habe ich wirklich noch nicht erlebt!« … und
ähnliche Sprüche.
Mit mir kann man noch ganz andere Dinge erleben! Aber das behielt ich lieber für mich und sagte nur:
»ICH habe nicht vor, hier zu vergammeln! – Außerdem kann ich nicht allzu viel
verkehrt gemacht haben. Immerhin lebe ich ja noch!
Meinen Argumenten hat man selten etwas entgegenzusetzen! 😎
Der Arzt fragt mich: »Herr Herrmann, was bezwecken Sie damit?«
»Die Infusionsnadeln und -Schläuche hindern mich in der Bewegung. SO kann ich nicht
gesund werden! – Da ich nichts am Hals habe, könnte ich meine Medikamente auch SCHLUCKEN und muss
nicht an tausend Schläuchen hängen!«
»Okay, Herr Herrmann wird auf orale Medikation umgestellt.«
Und damit wäre dieses leidige Thema vom Tisch gewesen … wenn ich nicht sofort die nächste Rakete
gezündet hätte:
»In 3 Tagen habe ich Geburtstag. Und den werde ich nicht hier im Krankenhaus
verbringen, sondern zu Hause!«
Das hatte einen längeren Vortrag zur Folge: Ob mir überhaupt die Schwere meiner Operation bewusst
ist. Dass ich froh sein kann, überhaupt noch zu leben (ich war ja froh, aber ZU HAUSE wäre ich noch
viel froher darüber!). Ich müsse noch eine ganze Weile im Krankenhaus bleiben. Dann sei eine
mehrwöchige Reha fällig …
Heute ist der 4. Februar, der 8. Tag nach der OP – und ich bin zu
Hause!
Seit dem komme ich merkwürdigerweise ohne die stündlichen Schmerzmittel aus.
Und wieder mal hat der Erfolg mir recht gegeben und bestätigt, dass ich selbst
am besten weiß, was gut für mich ist! Entgegen aller fachidiotischen Ratschläge und Erfahrungen!
🤪
Meine Chancen, die nächsten 5 Geburtstage zu erleben, stehen nicht schlechter als von einem Auto
überfahren zu werden – also gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass ich kaum meinen Laptop
oder gar die Wohnung verlasse. 😉
Die Reha habe ich nach dem 2. Besuch abgebrochen.
Ich sah keinen Sinn darin, durch halb Berlin zu reisen, um dann …
- wie ein Zirkus-Pferd mit anderen Deppen auf einer un-grünen Wiese im Kreis zu laufen
(wenn ich überhaupt irgendwohin laufe, dann habe ich ein ZIEL!).
- endlos eine imaginäre »Treppe« zu besteigen, die aus nur einer einzigen Stufe besteht
(wenn ich schon die Mühe auf mich nehme, eine Treppe zu besteigen, dann will ich
auch irgendwo ankommen!).
- mich auf einem »Fahrrad« abzustrampeln, ohne einen einzigen Zentimeter vorwärts zu kommen.
- mir Ratschläge über vernünftige Ernährung anzuhören (wenn die Leibesfülle
der Vortragenden erkennen lässt, dass ihre Vorträge nur grauenvolle Theorie
sind!).
- Falls du an dem Krankenhausbericht interessiert bist,
hier ist er.
- Und hier ein Bild, das zeigt, warum mein heutiger Erguss
Blut-Ergüsse
heißt.
- Hier kannst du eine virtuelle Reise durch meinen Körper machen (von oben nach unten,
scheibchenweise):
⏱️ 54 Sek.
💻 640×360: 10,3 MB
📱 320×180: 5,0 MB
Video: CT-Reise durch meinen Körper
06.02.2009:
Heute wurden um 9 Uhr die 29 Klammern aus meinem Bauch entfernt – und ich bin wieder etwas
leichter. 😉
20.02.2009:
Seit dem 16. Februar arbeite ich wieder (drei Wochen Langeweile waren genug!).
Die ersten 3 Tage habe ich mich wie ein Zombie durchs Leben (und die Firma) geschleppt. Aber dann
war ich wieder ganz der Alte.
Ich spüre keinerlei Schmerzen oder Beeinträchtigungen mehr, und ich kann heute gar nicht mehr
wahrhaben, dass ich noch vor drei Wochen auf dem Sterbebett lag. Das ist in weiter Ferne …
Die Ärzte sagten mir zwar, dass ich keineswegs kuriert bin – die Bauchschlagader (oder jede andere)
kann jederzeit wieder platzen. Aber sollte das der Fall sein, dann SOLL ES SO SEIN. Ich werde
dieses Krankenhausmartyrium nicht nochmal auf mich nehmen!
Was solls?! Ich habe gelebt. Und ich habe im Leben unzählige Spuren hinterlassen – so schnell
vergisst man mich nicht.
Und wenn doch, kann mir das scheißegal sein!
Außerdem: ICH KOMME WIEDER! 😉
Ich bin zwar höllisch abgemagert, und die Leute sagen, sie hätten schon Tote gesehen, die gesünder
aussahen als ich – aber ich sage:
Auf die INNEREN WERTE kommt es an! 😉
Tipp: Falls du vorhast, dich als Patient ins Vivantes Klinikum Neukölln zu begeben,
solltest du nicht allzu viel auf die
Erfahrungsberichte anderer Patienten geben, sondern deine eigenen Erfahrungen
machen.
MIR hat man dort nicht nur das Leben gerettet, sondern mich auch optimal versorgt und umsorgt!
👍😊
Nachtrag am 4. Oktober 2022:
14 Jahre nach dieser OP lebe ich immer noch. Und ich habe sogar meine
schwere Herz-OP heute vor
9 Jahren verdammt lange (und entgegen aller ärztlichen Weisheit) überlebt. Vielleicht bin
ich ja tatsächlich so etwas wie ein »Überlebenskünstler«, was man mir gerne und oft nachsagt …
Dabei tue ich doch seit genau 40 Jahren nichts anderes als:
- Nicht auf die Ratschläge von Fachidioten hören und
- mindestens 16 Stunden jeden Tag am Computer hocken, mich im Web schlaumachen und an meiner
Homepage basteln.
Da bleibt mir gar keine Zeit zum Sterben! ⏳😉
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