Gelegentlich schreibe ich auch mal nette Briefe – nicht ohne Hintergedanken. 😉
Ich hatte mal beim Neckermann-Versand einen Fotoapparat gekauft
(169 DM), bei dem irgendwann die automatische Blitzlicht-Zuschaltung versagte, sodass ich einen
Großteil der Filme »versaute«, weil die Fotos zu dunkel waren. Daraufhin schickte ich diesen
Fotoapparat direkt zum Hersteller – mit einem bösen Brief dazu. Einen Monat später schickte mir
der Hersteller dann allerdings gleich zehn neue Fotoapparate! Außerdem
lagen dem Paket 10 Leder-Etuis bei. Für meine Kamera hatte ich gar keins gekauft!
Die meisten Leute hätten diese 10 Fotoapparate behalten und sich einen
Kullerkeks gefreut … weil sie im Tal der Ahnungslosen wohnen. Denn da die Lieferung der zehn
Fotoapparate offensichtlich auf einem IRRTUM beruhte, hätte der Hersteller diesen Irrtum irgendwann
(spätestens bei der nächsten Inventur) bemerkt und zu Recht die Herausgabe von neun Fotoapparaten
verlangt. Und dieses Recht hätte er 10 Jahre lang gehabt. Ich hätte also die nächsten
10 Jahre neun dieser Fotoapparate nicht benutzen oder verkaufen dürfen, also gar nichts davon
gehabt.
Um die Sache für mich aber doch lohnend zu machen, schrieb ich der damals laufenden
RTL-Sendung »WIE BITTE?!« und schilderte den Fall. Noch am selben Tag ließ
RTL durch einen Kurier das Original-Paket mit den zehn Fotoapparaten bei mir
abholen. Einen Monat später sendete RTL diesen Fall.
⏱️ 3:17 Min.
💻 640×360: 39,5 MB
📱 320×180: 21,1 MB
📼 Digitalisiertes VHS-Video
Dies schrieb ich dann dem Hersteller HANIMEX, und erwähnte
auch, dass ihn diese Werbung zur besten Sendezeit bei RTL
91.137 DM gekostet hätte (ja, auch ohne Internet war ich damals ziemlich gut
informiert 😉).
09. Oktober 1992, an HANIMEX (Deutschland) GmbH
Auftrags-Nr. Ihre Lieferung vom 29.08.92
Sehr geehrte Damen und Herren,
falls Sie die Fernsehsendung "WIE BITTE?"
von RTL plus am 08.10.92 gegen 23 Uhr nicht gesehen haben sollten, haben Sie etwas verpaßt! Und
zwar wird in dieser Sendung jeweils donnerstags um 22.15 Uhr "Alltagsärger satirisch unter die
Lupe genommen".
Am 08.09.92 schrieb ich aus gegebenem Anlaß an RTL plus folgendes:
- Am 29.10.1991 bestellte ich beim Neckermann-Versand einen FOTOAPPARAT der Firma HANIMEX zum
Preis von 169 DM, der mir am 18.11.91 geliefert wurde.
Auf diesen Apparat gab der
Hersteller 12 Monate Garantie.
- Am 31.07.92 sandte ich diesen Fotoapparat mit einem Begleitschreiben direkt an den
Hersteller HANIMEX, weil die automatische Blitzlicht-Zuschaltung versagte.
- Am 02.09.92 bekam ich nun von der Fa. HANIMEX ein ziemlich großes Paket.
Mit einigem Staunen
- und steigender Freude - packte ich es aus: Aus einer Unmenge Styropor grub ich einen neuen
Fotoapparat aus. Dabei stieß ich auf etwas Hartes, das sich ebenfalls als Fotoapparat entpuppte.
Höchst erfreut grub ich nun weiter - und förderte einen weiteren Fotoapparat zutage! Um die Sache
etwas abzukürzen ... Ich fand zehn Fotoapparate! Dazu eine Rechnung über
10 Zoom-Kameras zum Preis von 0,00 DM. Außerdem entschuldigte man sich für die späte
Abwicklung meines Auftrages und dankte mir für das entgegengebrachte Verständnis. (Wer hätte bei
soviel "Kulanz" kein Verständnis ...?!)
Ich hatte gegenüber RTL plus verschwiegen, daß von den 10 Fotoapparaten nur
zwei tadellos funktionieren. Die restlichen acht haben nämlich auch "Macken" mit
dem Blitzlicht.
An RTL plus hatte ich mich nur gewandt, weil ich bisher soviel "Kulanz" noch
nie erlebt hatte und der Meinung war, daß Ihr Service einem breiten Publikum bekannt gemacht werden
sollte.
RTL plus zeigte an diesem einmaligen Fall soviel Interesse, daß mich sofort nach Erhalt
meines Briefes der Produzent Herr Langenstein anrief und um Übersendung der Fotoapparate sowie
sämtlicher Unterlagen bat und diese noch am selben Tag durch einen Kurierdienst bei mir abholen
ließ.
Die Sendung "WIE BITTE?!" befaßt sich eigentlich ausschließlich mit
negativen Erlebnissen seiner Zuschauer. Deshalb dürfte Ihr Unternehmen um so positiver
herausgeragt haben:
Der Moderator Gert Müller-Gerbes sagte einleitend:
"Daß es immer mal wieder Ärger mit Versandhäusern gibt, das ist nichts Neues.
Oft genug haben wir an dieser Stelle schon darüber berichtet. Umso mehr freuen wir uns, heute
davon erzählen zu können, daß es auch anders geht."
Dann sagte einer der Darsteller, die den Fall satirisch nachstellten:
"Meistens bekommen die Kunden ja nur einen Brief des Bedauerns, wenn mal
etwas schief läuft."
Ein anderer antwortete darauf:
"Ja, das kenne ich. Und das nennt sich dann Kundenbetreuung."
Darauf sagte der erste Darsteller,
"daß wir jetzt endlich eine gültige Maßeinheit für wirklich freundliche
Kundenbetreuung haben. Die Maßeinheit berechnet sich in HERRMÄNNERn. ... Benannt ist die
Maßeinheit nach Hans-J. Herrmann aus Berlin."
Anschließend wurde von den Darstellern satirisch nacherzählt, daß ich Ihnen
einen defekten Fotoapparat mit einem entsprechenden Brief geschickt hatte, und der Brief
habe es dann "gebracht".
Eine Darstellerin meinte:
"Finde ich aber auch nichts besonderes, wenn sie (HANIMEX) nach einer
Drohung freundlich reagieren."
Hierauf entgegnete der erste Darsteller:
"FREUNDLICH REAGIEREN ist hier allerdings etwas untertrieben! Dem
Hersteller, der Firma HANIMEX, lag die Zufriedenheit Herrn Herrmanns nämlich so am Herzen, daß sie
Herrn Herrmann ein etwas größeres Paket schickte."
Dann wurde nachgespielt, wie ich Ihr Paket auspackte und insgesamt zehn Fotoapparate
zutage förderte, wobei darauf hingewiesen wurde, daß es sich hier um das Originalpaket handelte.
Um letzte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschichte auszuräumen, wurde auch noch Ihre Rechnung
über 10 Fotoapparate zum Preis von 0,00 DM vorgezeigt.
Nachdem der erste Darsteller eine andere Darstellerin gefragt hatte
"Nun sag mal selbst, ist das nun Kundenbetreuung, oder nicht?!"
und diese geantwortet hatte
"Kann man nix sagen!"
verkündete der erste Darsteller
"Wer für eine defekte Kamera 10 neue liefert, erhält
10 Herrmann-Punkte. AlleVersandhäuser müssen sich ab sofort daran messen lassen."
Sehr geehrte Damen und Herren, diese "Geschichte" wurde vom Studio-Publikum
mit mehrmaligem großen Beifall aufgenommen. Noch in derselben Nacht erhielt ich zahlreiche
Anrufe von Leuten, die allesamt der Meinung waren, daß dieser Beitrag der beste in der einstündigen
Sendung war.
Diese "Werbung" für Ihr Unternehmen hat insgesamt 190 Sekunden gedauert.
Bei Zugrundelegung der RTL-Werbepreise (28.780 DM pro Minute) hätte Sie ein Werbespot dieser Länge
91.137 DM gekostet! Von den Herstellungskosten mal ganz abgesehen. Außerdem wurde diese
"Werbung" nicht in einem Werbeblock ausgestrahlt (den ja bekanntlich viele Zuschauer gar
nicht sehen), sondern in einer Sendung, die aufgrund ihrer Beliebtheit eine relativ hohe
Einschaltquote hat und sich zudem sonst nur mit negativen Vorfällen befaßt.
Dies bitte ich Sie zu bedenken, wenn ich nun mir die Frage erlaube, ob ich die von
Ihnen gelieferten 10 Fotoapparate tatsächlich behalten darf.
Schon im voraus bedanke ich mich recht herzlich für Ihr freundliches Entgegenkommen
und versichere Ihnen, daß ich Sie auch künftig weiterempfehlen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Original
Als ich HANIMEX schrieb, dass acht der 10 Fotoapparate
ebenfalls Blitzlicht-Macken hätten, hegte ich die stille Hoffnung, dass ich die kaputten
Fotoapparate auf jeden Fall behalten darf. Aber der Hersteller hatte eine vernünftigere Idee:
17.11.1992, von HANIMEX-VIVITAR PROD.-MANAGEMENT
Ihr Schreiben vom 09.10.1992
Sehr geehrter Herr Herrmann,
vielen Dank
für Ihre nette Zuschrift, die wir mit Interesse zur Kenntnis genommen haben. Als erstes möchten
wir für die verspätete Beantwortung um Ihr Verständnis bitten, da immer noch Umzugsarbeiten und
Jahres-Geschäftsabschluß den Vorrang hatten.
Auch einige unserer Mitarbeiter haben die bewußte "WIE BITTE!"-RTL-Sendung
verfolgen können, welche selbstverständlich am nächsten Tag das Gesprächsthema Nr. 1 in unserer
Firma war.
Wie Sie selbst feststellen konnten, ist unsere Service-Abteilung auf großmöglichste
Kundenkulanz ausgerichtet, wobei tatsächlich ca. 70% aller eingehenden Reparaturen sofort in ein
neues Produkt umgetauscht werden. Normalerweise natürlich nur entsprechend der
Einsendungs-Stückzahl.
Recherchen in Ihrem Fall haben ergeben, daß es sich "NUR" um einen
EDV-Eingabefehler handelte -welcher leider- oder zur Freude von Ihnen, auch in der Versand-Kontrolle
nicht erkannt wurde.
In Ihrem Schreiben erwähnen Sie, daß von den an Sie übersandten Hanimex
35 ZM Kameras 8 Stk. "Macken" am Blitzlicht aufweisen, was wir uns im
Moment wirklich nicht erklären können.
Diesen Neuware-Defekt zu analysieren, wäre für uns aber sehr wichtig, zumal wir bei
einem eigenem Lager-Test keine Blitzgeräte-Defekte feststellen konnten.
Wir sind der Meinung, daß Ihnen die defekten Kameras keine Freude bereiten
können und bieten Ihnen aus diesen Gründen folgendes an:
Mit getrennter Post erhalten Sie in den nächsten Tagen wiederum einen größeren
Karton aus unserem Hause.
Hierin wird sich diesmal aber nur -EINE-, dafür aber hochwertige
Vivitar 470 PZ Power-Zoom Autofocus Kamera mit neuesten nützlichen Features, z.B. Reduzierung
roter Augen, 3-Wege Autoblitz, 38-70mm Zoombereich, u.s.w befinden. (Unverbindliche
VK-Preisempfehlung DM 299.00)
Hierfür bitten wir Sie um die Übersendung der acht defekten Hanimex 35 ZM Kameras.
(Versandkosten bitte zu unseren Lasten)
Der Versandkarton der 470 PZ Kamera an Sie ist so bemessen, daß Sie ihn gleich zum
Rückversand benutzen können.
In der Hoffnung, daß Sie mit unserer Handlung einverstanden sind und mit der neuen
Vivitar 470 PZ Kamera hervorragende "Herrmänner" Erinnerungsfotos machen werden,
verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Hanimex (Deutschland) GmbH -Produktmanagement-
Original
6 Tage später erhielt ich von der Firma
HANIMEX die Kamera im Wert von 300 DM.
Hier der Lieferschein und ein Bild vom Fotoapparat. Und hier
ein Video:
⏱️ 30 Sek.
💻 640×360: 6,4 MB
📱 320×180: 3,3 MB
📼 Digitalisiertes VHS-Video
📝 Anmerkung: Ich filme grundsätzlich den Empfang JEDER
WARENSENDUNG und kann das jedem empfehlen, weil man dadurch in der Lage ist, gerichtsfest zu
beweisen, wenn die Ware fehlerhaft, beschädigt oder unvollständig geliefert wird!
Weil HANIMEX sowieso ein Recht auf Herausgabe der neun
zuviel gelieferten Kameras hatte, schickte ich 8 zurück – und hatte am Ende immer noch (neben
der ersetzten) eine im Wert von 169 DM behalten und eine weitere im Wert von 300 DM
geschenkt.
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