50 DM für eine Augen-OP?

Okay, ich gebe es zu. Dieser Brief hier ist frech bis bösartig. Aber auf Werbung reagiere ich so! Da ist es mir egal, ob mir der OTTO-Versand, Brot für die Welt oder Augen für die Welt den Briefkasten zumüllt!

Eine Augenärztin Dr. Herz hatte sich meine Adresse verschafft, um mir einen Werbeprospekt zuzusenden, dem eine 👓 aus Pappe beilag, deren »Gläser« aus Butterbrotpapier bestanden!
Auf diese Weise sollte ich mir einen Eindruck davon verschaffen, wie ungut ein Mensch (in Afrika) mit grauem Star sieht (in DEUTSCHLAND sieht man durch eine Butterbrotpapier-Brille aber auch nicht besser!). Und wie notwendig eine 50-DM-Spende für eine Augen-Operation sei.

Der Brief dieser Ärztin:

März 2000 von Dr. med. Elisabeth Herz

Sehr geehrter Herr Herrmann,

zunächst möchte ich mich kurz vorstellen: Seit 30 Jahren arbeite ich nun als Ärztin, ein anstrengender aber sehr befriedigender Beruf. Meine ersten „Dritte Welt“-Erfahrungen habe ich als Notärztin in Vietnam und Kambodscha während des Indo-China-Krieges gesammelt.

Nach der Ausbildung zur Fachärztin für Augenheilkunde war ich fest entschlossen, meine Kenntnisse und Fähigkeiten denen zur Verfügung zu stellen, die sie am dringendsten brauchen: Blinde und Sehgeschädigte in Entwicklungsländern. Seit 1982 arbeite ich deshalb im Auftrag der Christoffel-Blindenmission in Kamerun / Westafrika. Ein Augenarzt ist hier für rund eine Million Menschen verantwortlich! (Zum Vergleich: In Deutschland kommt auf 13.000 Einwohner ein Augenarzt.)

Die meisten unserer Patienten leiden am Grauen Star. Nach einer Operation in unserer Augenklinik können sie oft schon am nächsten Tag wieder sehen. Die Menschen sind überglücklich: Das Leben in Dunkelheit ist zu Ende; sie fallen ihren Verwandten nicht mehr zur Last und können wieder ihre Felder bestellen.

Besonders tragisch ist es, zu erleben, wie viele Kinder und Jugendliche in Westafrika blind sind. Oft werden sie von ihren Familien vernachlässigt, erhalten nicht genug Zuwendung und Förderung. Dabei könnten die meisten, wenn sie operiert würden, wieder sehen, zur Schule gehen oder eine Berufsausbildung beginnen.

Der Ansturm auf unsere kleine Klinik in Acha-Tugi, tief im afrikanischen Busch, ist groß. Die Patienten sind oft tagelang zu Fuß oder mit dem Buschtaxi unterwegs. Längst reichen die Betten nicht mehr aus, so daß Patienten sogar auf dem Fußboden schlafen müssen. Wir haben daher angefangen, eine neue, größere Augenklinik in Bafoussam, einer für unsere Patienten besser erreichbaren kamerunischen Großstadt, zu bauen.

Warum ich für die Christoffel-Blindenmission arbeite? Die CBM ist seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Verhütung und Heilung von Blindheit besonders engagiert. In mehr als 100 Ländern der „Dritten Welt“ ist sie tätig und beschäftigt 418 Augenärzte.

Diese operierten allein im letzten Jahr 313.000 mal den Grauen Star. Diese enorme Arbeit wird fast ausschließlich aus Spenden finanziert. Das kann nur gelingen, wenn viele sich beteiligen.

Daher habe ich eine herzliche Bitte an Sie: Helfen Sie mit und machen Sie einen Blinden wieder sehend! Sie können das mit Ihrer Spende tun.
Eine Operation am Grauen Star kostet in der „Dritten Welt“ durchschnittlich 50 Mark. Jede Operation ist ein Nachweis der Wirksamkeit dieser Spenden. Meine Kollegen und ich wachen persönlich darüber, daß Ihr Geld vor Ort sinnvoll eingesetzt wird.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie die Christoffel-Blindenmission und damit auch meine Arbeit in Afrika unterstützen. Herzlichen Dank!

Ihre
Dr. med. Elisabeth Herz

PS: Wenn Sie noch Fragen haben, rufen Sie doch meine Kollegen von der Christoffel-Blindenmission an. Telefon: 0180 …

Original


Davon abgesehen, dass …
meine Oma einen grauen Star [Bild: STAR] hatte,
mein Stiefvater einen schwarzen Raben [Bild: RABE] und
ich selbst eine Blaumeise [Bild: Blaumeise],
muss wohl niemand Spendengelder für eine Butterbrotpapier-Brille rauswerfen.

Dass ich mehr als nur EINE Meise habe, beweist das folgende Video:

Video-Vorschaubild⏱️ 1:36 Min.
💻 640×360: 21,5 MB
 📱  320×180: 11,3 MB
 Meisen-Küken an meinem Fenster

Da meine Finger ebenso schnell sind wie meine Zunge, musste diese Dr. 🎔 nicht lange auf meine freche Antwort warten:

20.03.2000 an Dr. Elisabeth Herz, Rabenweg 2, 76185 Karlsruhe

Ihr Schreiben "im März 2000"


Sehr geehrte Frau Doktor,

zunächst einmal möchte ich meiner Verwunderung Ausdruck verleihen, woher Sie meine Adresse haben.
Ich kann mich gar nicht erinnern, schon mal bei Ihnen in Behandlung gewesen zu sein.

Ihr Brief hat mich tief erschüttert.
Da hat eine junge Frau die Ausbildung zur Augen-Fachärztin absolviert, und dann findet die Ärmste hier in Deutschland kein ausreichendes Betätigungsfeld, weil auf 13.000 Einwohner ein Augenarzt kommt und muss deshalb seit 30 Jahren ihr Brot in der Dritten Welt verdienen, wo auf eine Million Einwohner nur ein Augenarzt kommt.
Hätten Sie nicht vor Ihrem Studium daran denken können? Die Ärzte­schwemme in Deutschland war doch abzusehen.

Es ist auch traurig, dass die meisten Ihrer Patienten an grauem Star leiden. Hier in Deutschland sind es mehr Übergewicht und Kreislauf, die den Leuten zu schaffen machen.

Wenn Sie schildern, wie groß der Ansturm auf Ihre kleine Klinik tief im afrikanischen Busch ist, dann sollten Sie erst mal sehen, wie groß der Ansturm auf deutsche Sozialämter ist ...!

Ihr Anliegen, 50 DM für die Augenoperation eines Afrikaners zu spenden, muss ich ablehnen, weil ich bereits hier in Deutschland mit meinen Steuern zahlreichen Einwanderern ein sorgenfreies Leben finanziere.
Außerdem, stellen Sie sich mal vor, jeder, der mit dem Elend anderer Leute konfrontiert ist, würde mich wegen einer Spende angehen ...! Wie groß müsste da mein Briefkasten sein - und erst mein Vermögen.
Tipp: Versuchen Sie es doch mal mit Ihrer Spenden-Bitte bei den deutschen Größen, die ja schon Millionen an Helmut Kohl und seine CDU gespendet haben. Die haben offensichtlich zu viel Geld und können Ihnen vielleicht weiter helfen - und wenn nicht, dann werden die ihre Gründe haben, denen ich mich anschließe.

Übrigens konnte ich die mir von Ihnen zugesandte Brille nicht gebrauchen.
Sie als Augenärztin sollten wissen, dass ich nicht durch Butterbrotpapier hindurch sehen kann.
Könnten Sie mir statt dessen vielleicht eine 3-D-Brille zusenden? Auf Pro7 läuft momentan eine Dokumentation über das afrikanische Buschleben - und so könnte ich mir eher ein wirklichkeitsnahes Bild verschaffen.

Mit freundlichem Gruß

Zumindest das Geld für »meinen« Werbeprospekt hat diese Frau für die Zukunft gespart.


TV-Sendung über Dr. Elisabeth Herz 05.05.2015
🠙 Gestern kam ein TV-Bericht über diese Dr. Herz. Es gibt sie tatsächlich! Nun habe ich sie 15 Jahre nach ihrem Werbebrief endlich mal gesehen. 😳


Nachtrag am 21.03.2022
Man sagt ja: KLEINE SÜNDEN BESTRAFT GOTT SOFORT!
Mein frecher Brief an diese Augenärztin war wohl eine große Sünde, denn 20 Jahre später erkrankte ich selber am GRAUEN STAR.
Weil ich die Augen-O‌P ablehnte (da ich sie nicht für »lebensnotwendig« hielt), sehe ich inzwischen auf dem rechten Auge »durch Butterbrotpapier« … nun brauche ich also keine Butterbrotpapier-Brille mehr!
😎





© 11.03.2007 HansiHerrmann.de