Aufgrund meiner weniger schönen Kindheit und Jugend neige ich nicht unbedingt zur
Wehleidigkeit … Ich habe mir gewissermaßen »ein dickes Fell zugelegt«, sodass mich so schnell
nichts umhaut.
Wenn ich mal ein paar Liter Blut verliere, renne ich nicht gleich zum Arzt.

Zur Erklärung:
Als ich eines Nachts keine Zigaretten mehr hatte, rief ich eine TAXI-Zentrale an und ließ mir welche
bringen.
Eigentlich eine Routine-Sache, weil mir öfter nachts die Zigaretten ausgingen und ich mir jedesmal
welche von einem TAXI bringen ließ. Und jedesmal zahlte ich dafür 20 DM (für
Zigaretten + TAXI).
Diesmal war das anders.
Der Fahrer merkte wohl, dass ich stockbesoffen war und verlangte 45 DM von mir. Ich gab
sie ihm durch mein Wohnzimmerfenster. Zur TÜR lasse ich niemanden rein, wenn ich besoffen bin. Zu
seiner eigenen Sicherheit!
Tja, erst, als dieser Abzocker schon längst über alle Berge (bzw. übers Berliner Flachland)
verschwunden war, wurde mir bewusst, dass ich total übers Ohr gehauen wurde. Für diese 45 DM
hätte ich mir normalerweise 2¼mal Zigaretten von der nahegelegenen Tankstelle bringen lassen
können!
Vor ohnmächtiger Wut, dass ich diesem Bastard nicht mehr den Schädel spalten konnte, riss ich den
Stecker meines Telefons aus der Wandsteckdose und schnitt ihn ab! (Damit ich mir niemals mehr im
Suff von einem TAXI Zigaretten bringen lassen kann. --- Was für eine dumme Logik, die nur ein
komplett ausgeschalteter Verstand hervorbringen kann!)
Dann schlug ich meine Wodka-Flasche dermaßen auf den Hartholz-Tisch, dass sie praktisch »zu
Staub« zerfiel, denn ich fand am nächsten Morgen keinerlei größere Scherben vor, sondern nur
winzige Glassplitter, die durch die gesamte Wohnung verteilt und kaum zu sehen waren.
Dummerweise war der BODEN dieser viereckigen Wodka-Flasche auf dem Tisch stehen geblieben und
schnitt mir die rechte Hand auf. Das merkte ich aber im Vollrausch gar nicht.
Erst, als ich auf der Couch saß und auf die verspiegelte Tür meines Wohnzimmerschrankes blickte,
wunderte ich mich, dass dort Blut runterlief … Ich hielt das zunächst für eine Halluzination,
denn WO sollte dieses Blut denn herkommen? Ich war allein in meiner Wohnung und der Schrank
stand 2 Meter von mir entfernt!
Ich war sogar so verrückt, das zu fotografieren!
Es dauerte ein par Sekunden, bis ich begriff, dass das Blut AUS MIR kam und aus meiner Hand im
weiten Bogen bis zum Schrank spritzte. – Da ich schon als 5-Jähriger sehr viel eigenes Blut (und
auch das meiner Mitmenschen) vergossen hatte, wenn ich einen »Tobsuchtsanfall« bekam (so nannte man
das damals), war ich einiges gewöhnt und durch ein paar Tropfen Blut eigentlich nicht aus der Ruhe
zu bringen …
Nun aber brach ich regelrecht in PANIK aus, denn dass mein eigenes Blut so weit spritzte,
signalisierte meinem vernebelten Gehirn wohl, dass meine eigene Existenz auf dem Spiel stand!
Weil ich als ältestes von insgesamt sieben Kindern (die von 6 Erzeugern
stammten!) in den abgelegensten Dörfern der DDR aufgewachsen war und einen Großteil meiner Kindheit
und Jugend in staatlichen Einrichtungen wie Säuglingsheim (0. − 2. Lebensjahr), Kinderheim
(7. − 11. Lebensjahr und 14. − 15. Lebensjahr), Jugendwerkhof (17. − 18. Lebensjahr),
Jugendstrafanstalt (18. − 20. Lebensjahr) verbringen musste, hatte ich gewisse
»Überlebensstrategien« entwickelt, um all das körperlich und vor allem psychisch durchzustehen.
Im Laufe der Jahre perfektionierte ich das immer weiter, was dann seinen Höhepunkt
fand, als einer meiner »Väter« als gedienter Fremdenlegionär sich regelmäßig im Jähzorn an mir
austobte … So lernte ich nicht nur, mich vor ihm zu schützen, sondern auch zwangsläufig seine
unglaublich brutalen Methoden, andere Menschen platt zu machen.
Wenn er »gute Laune« hatte, erzählte und zeigte er mir, wie man einen Gegner bewegungs- oder
kampfunfähig macht oder komplett »ausschaltet« – und das Ganze verdammt schnell und lautlos.
Das ist der Grund, warum ich seit dieser Zeit jeder körperlichen Auseinandersetzung
aus dem Weg gehe und mich darauf beschränke, meinen »Gegner« möglichst nur verbal oder in
Schriftform niederzumachen (was mir bisher in hundert Prozent der unzähligen Fälle gelungen ist.
Auf dieser Homepage findest du einige Beispiele).
Nun stand ich plötzlich da und brach in Panik aus, als ich sah, dass Unmengen Blut aus mir
herausspritzten …
Mir war klar, dass ich nicht mehr lange leben würde, wenn ich nichts tat! Aber, WAS sollte ich tun?
Was KONNTE ich überhaupt im Vollrausch tun? Auf alles Mögliche und Unmögliche war ich ein Leben
lang vorbereitet und gewissermaßen »trainiert«, aber das hier war einmalig und unvorhergesehen
…
Ich lief die wenigen Schritte zum Telefon und wollte die Feuerwehr anrufen.
Weil ich einige Kenntnisse auf dem Gebiet der Panik-Forschung habe, wusste ich, dass man in einer
solchen Situation nicht mal imstande ist, den Notruf der Feuerwehr ins Telefon zu tippen – weil die
Nummer einem dann schlichtweg nicht einfällt, auch wenn man sie schon von Kindesbeinen auswendig
kennt. Darum hatte ich einen Zettel mit allen Notrufnummern beim Telefon hängen.
Als ich zum Wandtelefon griff, spritzte mein Blut auf den Zettel mit den Notrufnummern, der ja
direkt neben dem Telefon hing (später habe ich den neuen Zettel laminiert!).
Jetzt war aber nicht mal die NUMMER das Problem, sondern dass das Telefon mausetot war! Es gab
keinen Laut von sich! Konnte es ja auch gar nicht, weil es wegen des abgeschnittenen Steckers gar
nicht funktionieren konnte.
Mein HANDY kriegte ich zwar eingeschaltet, war aber nicht imstande, mit diesen kleinen Tasten eine
Nummer einzutippen, also flog es an die Wand …
Dann lief ich durch die Wohnung, machte (entgegen jeder Gewohnheit) alle vorhandenen Lampen an
und suchte etwas, um die Blutung zu stoppen.
In diesem Moment klingelte es an meiner Wohnungstür.
NIEMAND, der mich kennt, wagt es, nachts um halb Drei an meiner Tür zu klingeln. Ab 23 Uhr täte
das nur ein Lebensmüder!
Aber, nun war ich froh, dass jemand geklingelt hatte und ich nicht allein und hilflos auf der Welt
war.
Es war ein befreundetes Ehepaar, das auf dem Heimweg war und die Gunst der
Stunde nutzen wollte, von mir etwas Gras (Marihuana) zu bekommen. Sie waren recht froh, dass ich um
diese Zeit noch wach war und sogar die Klingel sowie alle Lampen an hatte.
Das erzählten sie mir aber erst einige Tage später, denn jetzt hatten sie ganz andere Gedanken im
Kopf, als sie in meinem Blut standen!
In meinem Flur hing »an zentraler Stelle meiner Wohnung« ein
Erste-Hilfe-Schränkchen, das ich von jedem Punkt meiner Wohnung aus mit wenigen Schritten erreichen
konnte. In ihm lag alles, was man für alle Eventualitäten braucht.
Mein Sicherheitsbewusstsein beschränkt sich ja nicht auf die
Vermeidung aller möglichen Unglücke, sondern auch auf deren anschließende Behandlung.
Ich hatte also nicht nur Rauchmelder in meiner Wohnung, sondern auch Feuerlöscher. Nicht nur eine
Axt, sondern auch Verbandmaterial.
Sogar für kleinere Operationen hätte meine medizinische Ausrüstung gereicht.
Immerhin hielt ich einen 45 kg schweren »Kampfhund«, der ständig in blutige Beißereien
verwickelt war, den ich immer selbst verarztete und der in seinen 14 Lebensjahren nie deswegen
einen Tierarzt gesehen hat.
Bilder von ihm.
Meinen Hund hatte ich schon oft verarztet
(hier
ein Bild, das zeigt, wie er nach einer Beißerei im eigenen Blut liegt), auch Nachbarn, die mit
irgendwelchen Verletzungen zu mir kamen, weil sie wussten, dass ich dafür ausgerüstet bin.
Nun ging es aber nicht um meinen Hund oder die Nachbarn, sondern um mich selber! Und ich war
voller Panik, sodass ich überhaupt nicht in der Lage war, an mein Erste-Hilfe-Schränkchen auch nur
zu denken oder mich gar selbst zu verarzten.
Meine Bekannte riss dann ein paar Geschirrtücher aus meinem Wohnzimmerschrank und wickelte sie
mir um die klaffende Wunde. Dann kam ich einigermaßen zu mir und bat sie, Verbandmaterial aus
meinem Erste-Hilfe-Schränkchen zu nehmen und mir einen Druckverband zu machen.
Als das getan war, wollte sie den Notarzt rufen. Das lehnte ich aber ab und
sagte: »Das muss genügen. Wenn das hält und ich morgen noch lebe, gehe ich zum
Arzt, ansonsten hat es nicht sein sollen …«
Die beiden fanden das ziemlich krass, hielten sich aber daran, weil sie mich schon lange kannten.
Die Frau wollte dann noch alle meine Fußböden wischen, aber das fand ich dann ziemlich krass.
Außerdem wollte ich mich nur noch hinlegen und meinen Rausch ausschlafen.
Aber zunächst musste ich mehrmals meinen Druckverband erneuern, weil er nach wenigen Augenblicken
total blutdurchtränkt war. Ich nahm nur die obersten Kompressen ab und ersetzte sie durch
zahlreiche neue, bis ich sicher war, dass das bis zum Morgen halten würde.
Am nächsten Vormittag ging ich zu einer chirurgischen Arztpraxis.
Obwohl das Wartezimmer rappelvoll war, musste ich nicht lange warten. Nachdem ich den
»Unfallhergang« geschildert hatte, kam ich als »frisch Verunfallter« rasch dran.
Der behandelnde Chirurg wollte dann die Wunde säubern und vernähen, ich bestand aber darauf, dass er
sie nur mit »Pflasterklammern« und einem neuen Druckverband versieht.
Obwohl er große Bedenken hatte und der Meinung war, dass das nicht lange halten könnte und ich dann
wieder viel Blut verlieren würde, fügte er sich meinem Willen.
Zwei Monate später wurden mir dann in einer hand-chirurgischen Klinik unter örtlicher Betäubung
die in der Hand verbliebenen winzigen Glassplitter entfernt und die Wunde ordnungsgemäß vernäht.
Hier
ein Bild, das nach der Hand-OP entstand.
Zuvor kaufte ich mir das medizinische Fachbuch »Handchirurgie« zum stolzen Preis
von
68 DM und studierte es sehr sorgfältig.
Das tue ich grundsätzlich immer: Vor einem Besuch beim »Fachidioten« (Arzt,
Anwalt, Handwerker aller Art) bringe ich mich bezüglich meines Problems auf dessen Wissensstand.
Das hat den VORTEIL, eine gewisse Kontrolle zu haben, dass er keinen Fehler macht.
Der NACHTEIL ist, dass ich zielich genau weiß, was auf mich zukommt …
In dem Buch stand auf 436 Seiten alles zum Thema: Anästhesie-Techniken (bei der
Lokalanästhesie ist das überaus schmerzhaft, weil mit einer langen Nadel in die verschiedenen
Nervenbahnen unter der Achselhöhle gestochen wird und die dann mit Strom gereizt werden, um
herauszufinden, welche den Schmerz der betroffenen Hand weiterleitet; nur diese wird dann betäubt).
Erzeugung einer Blutleere im betroffenen Arm. Instrumentarium bei der Operation. Hautnahttechniken
u.s.w.
Dieses Buch lässt bei Handchirurgen keine Frage offen, und bei mir auch nicht.
Auch 15 Jahre später schaue ich gelegentlich mal rein, um mir anhand der darin abgebildeten
Scheußlichkeiten vor Augen zu führen, welche Folgen ein kleiner Ausrutscher haben kann …
Und ich habe noch mehr aus diesem Erlebnis gelernt: Ich kaufe seitdem keine viereckigen
Wodka-Flaschen (einzige Ausnahme:
Augen auf beim Einkauf!).
Und ich bin von WODKA auf DOPPELKORN umgestiegen, meine
Suche zeigt dir unter dem
Suchbegriff Doppelkorn einige interessante Seiten.
Dass es mich selbst mal erwischte, war wirklich eine einmalige Ausnahme. Ansonsten lasse ich
meinen Frust anders ab. 😉 Siehe Die Axt im Haus …
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