≡ Inhalt
≡ Inhalt |
01. VorwortLiebe Leserin, lieber Leser, ADHS steht für Aufmerksamkeits Defzit Hyperaktivitäts Störung. Sie gehört zu den häufgsten Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter. Sie ist keine Folge einer falschen Erziehung. Kinder mit ADHS sind oft sehr kreativ und begeisterungsfähig, aber kaum in der Lage, ihr Verhalten zu steuern, sich zu konzentrieren oder nur wenigstens einen Moment ruhig zu sein. Aber nicht jedes auffällige Verhalten ist gleich ADHS. Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen die Möglichkeit geben, sich über das Krankheitsbild ADHS
umfassend und sachlich zu informieren. Die Broschüre liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema ADHS: Dazu erhalten Sie praktische Tipps für den Alltag in Familie, Kita oder Schule. Ergänzend finden Sie Listen mit weiterführender Literatur, Links und Adressen. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und viele neue Erkenntnisse! |
02. Was ist ADHS?
02a. ADHS bestimmt den AlltagKinder und Jugendliche mit ADHS unterscheiden sich von Gleichaltrigen darin, wie sie die Welt wahrnehmen und sich verhalten. ADHS kann sich auf unterschiedliche Weise äußern: Die betroffenen Kinder und Jugendlichen schaffen es kaum, konzentriert bei einer Sache zu bleiben und eine Aufgabe zu beenden; ständig fangen sie etwas Neues an und lassen sich leicht ablenken. Manche Kinder und Jugendliche verhalten sich auffällig im Kontakt mit anderen Menschen: Sie sind impulsiv und sehr ungeduldig, stören ständig, unterbrechen andere und können sich nur schwer an Regeln halten. Deshalb geraten sie oft in Konflikte mit Gleichaltrigen. Erwachsenen gegenüber sind sie deutlich trotziger als andere in ihrem Alter. Ständige Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung. Weder gutes Zureden noch Ermahnungen oder angekündigte Konsequenzen verbessern die Situation. Eltern und Erwachsenen zu widersprechen und die Grenzen zu testen, ist bei Kindern und Jugendlichen zunächst erst einmal nichts Besonderes und Teil der normalen Entwicklung. Das ungewöhnlich aufmüpfige Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS liegt jedoch nicht daran, dass sie absichtlich Streit suchen und andere bewusst ärgern möchten. Sie sind vielmehr meist nicht gut in der Lage, sich selbst zu regulieren und ihr Verhalten zu steuern. Sowohl Eltern als auch Erziehungsfachkräfte fühlen sich oft überfordert und hilflos, weil sie mit den Kindern oder Jugendlichen nicht mehr fertigwerden. Die Gefahr ist groß, dass sie innerhalb der Familie und in der Kita oder Schule als Störenfriede und Außenseiter abgestempelt werden. Die negativen Erfahrungen und Rückmeldungen können die Betroffenen immer weiter verunsichern und ihr Selbstvertrauen vermindern. Von ADHS betroffene Kinder sind in hohem Maße auf die Unterstützung ihrer Bezugspersonen angewiesen. So müssen alle zunächst lernen, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS anders reagieren als Gleichaltrige ohne diese Störung. Mit zunehmendem Wissen über ADHS sollte es Eltern, aber auch Kita-Fachkräften sowie Lehrerinnen und Lehrern leichter fallen, angemessen und unbelastet mit dem Kind umzugehen und auch wieder positive Seiten in den Vordergrund zu stellen. ℹ️ Mehr zu den Symptomen von ADHS: Abschnitt 03c⮧ 02b. Eine Mutter erzählt aus ihrem AlltagSandra erzählt über die Liebe zu ihren Kindern
02c. Möglichst früh diagnostizieren
Bei Eltern löst die Diagnose ADHS häufig zwiespältige Gefühle aus. Auf der einen Seite kann es ihnen schwerfallen zu akzeptieren, dass ihr Kind krank ist. Auf der anderen Seite fühlen sie sich entlastet, weil nun klar ist, dass nicht sie als Eltern irgendwie versagt haben, sondern ihr Kind aufgrund der Störung nicht in der Lage ist, sich so zubenehmen, wie es von ihm erwartet wird. Mit der Diagnose eröffnen sich neue Wege: Eltern können vielfältige Behandlungsmöglichkeiten für ihr Kind finden und für sich selbst Hilfsangebote in Anspruch nehmen. ℹ️ Mehr zur Behandlung von ADHS: Abschnitt 06⮧ 02d. ADHS früher und heute
|
04. Wie wird ADHS festgestellt?Wenn Eltern spüren, dass mit ihrem Kind etwas nicht in Ordnung ist, sollten sie sich nicht scheuen, möglichst frühzeitig ärztlichen Rat einzuholen. Am besten wenden sie sich zunächst an ihre vertraute Kinder und Jugendarztpraxis. 04a. Vorgehen bei der Feststellung von ADHS
Ob ein Kind tatsächlich eine ADHS aufweist, wird daran festgemacht, inwieweit die Symptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität ausgeprägt sind. Hierfür werden international anerkannte Klassifikationssysteme zugrunde gelegt. Zwar können einzelne Verhaltensweisen auch bei gesunden Kindern im Laufe ihrer Entwicklung auftreten, der Unterschied zu Kindern mit ADHS ist jedoch, dass diese alle drei Symptome aufweisen, und dies nicht nur vorübergehend. ℹ️ Die Untergliederung der drei ADHS-Symptome: Abschnitt 03b⮥ Für die Diagnose ist entscheidend, dass die Auffälligkeiten länger als sechs Monate andauern und nicht nur in der Schule oder zu Hause auftreten, sondern gleich in mehreren Lebensbereichen (Familie, Kita, Schule, Verein u.a.). Um sicher zu sein, dass tatsächlich eine ADHS vorliegt, müssen außerdem andere psychische
Störungen als Ursachen ausgeschlossen werden. Denn die können sich ähnlich äußern. Bei jüngeren Kindern ist es für ihre Bezugspersonen nicht immer leicht, altersgemäßes von auffälligem Verhalten zu unterscheiden, denn manchmal können die Übergänge fließend sein. In diesem Alter treten durchaus einzelne typische Verhaltensweisen auf, ohne dass eine ADHS vorliegt. Bei unter 3-Jährigen ist daher eine sichere Diagnose noch nicht möglich. Auch im Kindergartenalter kann diese nur dann gestellt werden, wenn die Symptome sehr stark ausgeprägt sind. Familiäre Konflikte wie die Trennung der Eltern oder Veränderungen wie die Geburt eines Geschwisterkindes oder ein Umzug sowie ein traumatisches Erlebnis können das Kind stark belasten und sich vorübergehend in Form von Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit oder Impulsivität äußern. Im Unterschied zu ADHS wird dieses Verhalten aber wieder aufgegeben, wenn die Probleme vorbei sind. ℹ️ Hilfreiche Kontakte bei der Suche nach Spezialistinnen und Spezialisten: Abschnitt 10⮧ Sandra erzählt über erste Vermutungen
04b. Sorgfältige UntersuchungenDie Diagnostik ist komplex und erfolgt in der Regel in mehreren Schritten. Auch eine körperliche Untersuchung gehört dazu, um organische Erkrankungen wie eine Seh- oder Hörstörung oder eine Erkrankung der Schilddrüse als Ursache für das auffällige Verhalten auszuschließen. Ein weiterer wichtiger Teil ist die Befragung der Eltern über das Verhalten zu Hause sowie der Erziehungs- und Lehrkräfte über das Verhalten in Kita oder Schule. Nicht zuletzt ist es wichtig, die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst zu befragen, um herauszufinden, wie sie ihre Situation erleben, was sie denken und fühlen. ADHS tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf: leicht-, mittel- und schwergradig. Eltern, die Hilfe suchen, wenden sich am besten zuerst an ihre vertraute Kinderarztpraxis. Sandra erzählt über die Diagnose
|
05. Wie entsteht ADHS?Unter welchen Bedingungen ADHS entsteht, ist bislang nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich ist, dass es nicht nur eine Ursache gibt, sondern dass die Störung durch ein Zusammenspiel von körperlichen Faktoren, Umwelt und gesellschaftlichen Einflüssen hervorgerufen wird. 05a. Ursachen und RisikofaktorenMittlerweile gilt es als sicher, dass Erbfaktoren eine große Rolle spielen. KÖRPERLICHE URSACHEN Grundsätzlich ist das menschliche Gehirn in der Lage, die Aufmerksamkeit auf die jeweils relevanten Reize zu konzentrieren und die unwichtigen zu ignorieren. Kinder und Jugendliche mit ADHS aber nehmen sämtliche Reize aus ihrer Umwelt ungefiltert auf und können sie nicht richtig verarbeiten. Dadurch wird ihr Gehirn ständig mit vielen unwichtigen Details überfrachtet. Um mit dieser Veranlagung gut umgehen zu können, brauchen sie konkrete Unterstützung und Hilfe, insbesondere klare, überschaubare und berechenbare Strukturen und Regeln. ℹ️ Eltern finden Tipps für den Alltag mit ADHS-Kindern in Abschnitt 07b⮧ UMWELTEINFLÜSSE So haben beispielsweise Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft geraucht haben, ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko, ADHS zu entwickeln Immer wieder wird der Einfluss der Ernährung auf die Entstehung von ADHS diskutiert. So stehen etwa Farb- und Konservierungsstoffe sowie allergieauslösende Nahrungsmittel im Verdacht, ADHS-Symptome auszulösen oder zu verstärken. Bislang konnte ein direkter Zusammenhang nicht nachgewiesen werden. ℹ️ Wie Eltern den Alltag gut meistern können und welche Unterstützungsangebote es für Eltern von ADHS-Kindern gibt, wird im Kapitel »ADHS im Familienalltag« in Abschnitt 07b⮧ beschrieben. GESELLSCHAFTLICHE EINFLÜSSE |
06. Wie wird ADHS behandelt?
06a. Hilfe auf mehreren EbenenTrotz der einheitlichen Definition der ADHS Symptome kann das Erscheinungsbild der Störung bei den einzelnen Kinder sehr unterschiedlich sein. Daher muss die Behandlung an den Bedarf angepasst und individuell ausgerichtet werden. Entscheidend dabei ist, dass Eltern in ihrem Erziehungsverhalten gestärkt werden und Kita Fachkräfte, Lehrerinnen bzw. Lehrer Sicherheit im Umgang mit ADHS haben. Um festzustellen, wie eine sinnvolle Behandlung aussehen kann, sind verschiedene Fragen zu klären: In der Praxis hat sich eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen als hilfreich erwiesen. Ärztliche bzw. psychologische Fachkräfte stellen ein solches »multimodales Behandlungskonzept« stets individuell zusammen. Die Basis hierfür bildet eine sorgfältig durchgeführte Diagnostik. Am Beginn jeder Behandlung stehen ausführliche Aufklärungs- und Beratungsgespräche mit medizinischen und psychologischen Fachkräften. Darin einbezogen werden nicht nur die Eltern und das Kind bzw. der Jugendliche selbst, sondern nach Möglichkeit auch dessen Erziehungs- und Lehrkräfte. Ziel ist, dass alle Beteiligten ein besseres Verständnis für das Störungsbild ADHS entwickeln. Außerdem werden die einzelnen Behandlungsschritte dargestellt und besprochen. Eltern von Kindern, die sich auffällig verhalten, ohne dass bereits ADHS festgestellt worden ist, oder auch von Kindern mit einer leichten ADHS können eine Erziehungsberatung in Anspruch nehmen. Das bedeutet nicht, dass sie denken müssen, ihr Umgang mit dem Kind oder ihre Erziehung seien nicht richtig. Dieses Angebot kann vielmehr als Möglichkeit gesehen werden, das Verhalten des Kindes besser zu verstehen und zufriedenstellender darauf zu reagieren. Auch gibt es für Eltern und pädagogische Fachkräfte spezielle Trainings, die helfen können, ADHS zu verstehen und angemessen mit dem betroffenen Kind umzugehen. ℹ️ Weitere Informationen zu Elterntrainings: Abschnitt 07⮧ 06b. Psychosoziale Maßnahmen
Nicht jeder der genannten Punkte ist für jedes Kind relevant. Bei der Planung der Behandlung wird gemeinsam mit dem Kind und den Eltern entschieden, welche Maßnahmen förderlich sind. So kann es einem Kind helfen, zur Ergotherapie zu gehen, um seine Motorik besser zu steuern und auszubauen, einem anderen hilft ein Training zur Selbstorganisation. Ergänzend können psychologische oder psychiatrische Behandlungen verordnet werden. Zur Umsetzung psychosozialer Maßnahmen sowie medizinischer und psychologischer Therapie im Rahmen eines Behandlungsplans arbeiten viele Fachkräfte zum Wohl des betroffenen Kindes oder Jugendlichen zusammen, wie obige Abbildung 4 zeigt. Die Unterstützung der Eltern spielt bei allen Maßnahmen eine zentrale Rolle, und für jede Fachkraft ist der Austausch mit ihnen entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahmen. Für Eltern und pädagogische Fachkräfte gibt es spezielle Trainings, die meist auf dem verhaltenstherapeutischen Ansatz beruhen. ℹ️ Weitere Informationen zu Elterntrainings: Abschnitt 07⮧ 06c. Behandlung mit MedikamentenOb ADHS mit Medikamenten behandelt werden soll, wird seit Jahren kontrovers und emotional diskutiert. Eltern sind durch die öffentlich geführte Debatte oft sehr verunsichert und wissen nicht, was sie tun sollen. Für die Entscheidung, ob das betroffene Kind Medikamente einnehmen soll oder nicht, steht dem Arzt oder der Ärztin eine wissenschaftlich begründete ADHS-Leitlinie als Orientierungshilfe zur Verfügung. Sie liefert wissenschaftlich begründete Empfehlungen, wann die Mittel zum Einsatz kommen sollen und wann nicht. Medikamente können eine wichtige Ergänzung zu anderen Behandlungsformen darstellen. Sie sind dabei stets nur ein Baustein in einer Gesamtbehandlung. Bevor ein Medikament zur Behandlung von ADHS gegeben wird, ist es wichtig, dass die Bezugspersonen des Kindes und das Kind selbst gut verstanden haben, was ADHS bedeutet und welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Der Einsatz von Medikamenten richtet sich laut aktueller Leitlinie nach dem Schweregrad der Erkrankung: Bei einer medikamentösen Behandlung ist es notwendig, Wirkungen und Nebenwirkungen in mindestens
sechsmonatigen Abständen zu kontrollieren. Sandra erzählt über Medikamente
06d. (Teil-)Stationäre TherapieIn der Regel wird sowohl die Diagnostik als auch die Behandlung ambulant
durchgeführt. |
07. ADHS im Familienalltag
07a. Eine Herausforderung für ElternEin Kind mit ADHS großzuziehen, ist eine besondere Herausforderung – turbulent, bunt, aber vor allem eins: anstrengend. Viele Konflikte und Probleme sind auszuhalten und zu bewältigen. Das Kind fordert sehr viel Aufmerksamkeit, dadurch fühlen sich auch Geschwister oft vernachlässigt und belastet. Bei all diesen Anforderungen verblassen manchmal die schönen Momente, die Eltern und Kinder miteinander erleben. Trotz aller Bemühungen passiert es dann, dass bei einem Kind mit ADHS in erster Linie das unpassende Verhalten gesehen wird. Wenn weder gutes Zureden noch Ermahnungen weiterhelfen, ist es nicht verwunderlich, wenn selbst nervenstarke Eltern irgendwann nicht mehr weiterwissen. Sie probieren die unterschiedlichsten Wege aus, um dennoch zu ihrem Kind durchzudringen. Wechselnde Erziehungsmethoden erschweren den Betroffenen jedoch die dringend benötigte Orientierung und verstärken eher die Auffälligkeiten. So kann sich ein Kreislauf entwickeln, der es Eltern zunehmend schwerer macht, ihrem Kind gegenüber liebevoll und zugewandt zu bleiben. Sandra erzählt über die Beziehung zu ihrem Mann
Eine Folge davon kann sein, dass sich diese Kinder und Jugendlichen selbst als »anders« und weniger wertvoll wahrnehmen. Wenn dann noch Eltern, etwa wegen der schlechten schulischen Leistungen, Druck ausüben, führt das schnell zu Trotz, Widerstand und Resignation. Lassen sich die Eltern hierdurch provozieren und reagieren entsprechend gereizt, kann die Situation in der Familie eskalieren. Eine solch anhaltend aufgeladene Konfliktsituation wiederum kann dazu beitragen, dass sich eine bereits vorhandene Störung noch verstärkt. Wenn dann die Diagnose ADHS gestellt wird, wissen die Eltern, dass das Verhalten ihres Kindes durch eine psychische Störung und nicht durch eigene Erziehungsfehler verursacht wird. Diese Klarheit ist erst einmal eine große Entlastung. Nun können sie überlegen, ob und welche Unterstützungsangebote sie in Anspruch nehmen möchten. In Gesprächen mit medizinischen und psychologischen Fachkräften bekommen sie Gelegenheit, über ihre Erfahrungen zu reden.
In den Trainings geht es auch darum, dass Eltern die Sicht auf ihr Kind überdenken und gegebenenfalls verändern: Nicht das Fehlverhalten soll im Mittelpunkt stehen. Die liebenswerten Eigenschaften, Stärken und Fähigkeiten werden zentral und die Eltern dazu ermutigt, diese (wieder) deutlich zu sehen. Eine wertvolle Hilfe für Eltern ist ein guter Kontakt zu den Erziehungs- und Lehrkräften in Kita
oder Schule. Gemeinsam kann man Probleme und Fortschritte durchsprechen und das Verhalten
aufeinander abstimmen. Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe ist für viele Eltern eine nützliche
Hilfe und Entlastung. ℹ️ Elterntrainings können zu verschiedenen Themen konkrete Anleitung geben: Sandra erzählt über Strukturen
|
08. ADHS in der Kita
08a. Die Situation in der KitaFür Erzieherinnen und Erzieher, die ohnehin im Kita-Alltag vielen verschiedenen Anforderungen gerecht werden müssen, sind Kinder mit Anzeichen von ADHS eine große Herausforderung. Sie zu integrieren, gelingt schwer, und die üblichen Hilfestellungen, um sie in die Gruppe
einzufügen, scheitern häufig. Es sind Kinder, die sich oft nicht an Regeln halten können, schwer
auf Anweisungen reagieren und nur schlecht mit Hindernissen oder Enttäuschungen umgehen können.
Viele haben Mühe mit alltäglichen Dingen wie Anziehen oder Zähneputzen, und häufiger als
andere sind sie in Unfälle verwickelt. Für Erzieherinnen und Erzieher stellt sich die Frage, ob das
Verhalten noch altersgerecht oder bereits auffällig ist und welche Gründe es hat. 08b. Was können Erzieherinnen und Erzieher tun?Erzieherinnen und Erzieher sollten zuallererst verstehen, warum Kinder, bei denen eine ADHS vermutet wird, sich so und nicht anders verhalten und worin genau ihre Probleme liegen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um in schwierigen Situationen mit der gebotenen pädagogischen Professionalität reagieren zu können. Wichtig ist, sich klarzumachen, dass die Kinder nicht absichtlich so handeln und dass es ihnen nicht möglich ist, »etwas einzusehen« oder sich »von Grund auf zu verändern«. Ein solcher Anspruch kann nur scheitern. Sich bewusst zu machen, dass es nicht etwa ein bösartiger »Charakter« der Kinder ist, sondern eine Störung, hilft, eine positive Beziehung zu ihnen zu bewahren. Es gibt einiges, was Erziehende zur Unterstützung von Kindern mit auffälligem Verhalten tun können. Ziel sollte es sein, den Kita Alltag in harmonische Bahnen zu lenken. Ein immer wiederkehrender Tagesablauf mit festen Ritualen schafft Sicherheit und Orientierung und
macht den Alltag für die Kinder vorhersehbar (zum Beispiel durch Willkommens- und Abschiedsrituale
oder Lieder). Für die Diagnose und Behandlung von ADHS spielt die Kita eine sehr wichtige Rolle. Oft sind es die Erzieherinnen bzw. Erzieher, die merken, dass ein Kind ADHS haben könnte, und Eltern auf die Auffälligkeiten aufmerksam machen. Dabei sollten sie sich aber unbedingt darauf beschränken, nur ihre Beobachtungen mitzuteilen, und nicht vorschnell das Urteil fällen: »Das Kind hat ADHS.« Ihre Beobachtungen und Informationen sind aber eine wertvolle Hilfe und ein wichtiger Baustein bei der Erstellung der Diagnose. Hierzu kommen spezielle Fragebögen zum Einsatz. Auch bei der Behandlung von ADHS leistet die Kita einen wichtigen Beitrag. Regelmäßige Gespräche mit den Eltern sind wünschenswert und hilfreich, denn zwischen Kita und Elternhaus abgestimmte Regeln und Maßnahmen unterstützen das Kind bei einer guten Entwicklung. Erzieherinnen und Erzieher können Eltern auf Probleme aufmerksam machen und über Hilfsangebote aufklären. Im ständigen Austausch zwischen Kita-Fachkräften und Eltern können für das betroffene Kind verlässliche und abgestimmte Maßnahmen zur Behandlung der ADHS gefunden werden. Für die Planung und Durchführung von Elterngesprächen bietet das zentrale adhs netz e. V. umfassende Hilfestellungen und Materialien an. |
09. ADHS in der Schule
09a. Die Situation in der SchuleIn der Schule müssen Kinder und Jugendliche mit ADHS genau das tun, was sie am wenigsten können: über einen längeren Zeitraum ruhig auf ihrem Platz sitzen bleiben und sich auf den Inhalt der Unterrichtsstunde konzentrieren. Da Kinder und Jugendliche mit ADHS bei den Anforderungen in der Schule schnell auffallen, fragen sich Lehrerinnen und Lehrer, was mit ihnen los ist. Warum haben sie die richtigen Bücher und Hefte oft nicht dabei? Warum tun sie nicht, was man ihnen sagt? Sandra erzählt über Lösungen
09b. Wie können Lehrerinnen und Lehrer helfen?Lehrerinnen und Lehrer spielen eine wichtige Rolle bei der Diagnosestellung von ADHS, denn sie wissen um die Auffälligkeiten des Schülers oder der Schülerin im Unterricht und im Klassenverband. Bei erheblichen Problemen mit den Schulleistungen sollte zunächst abgeklärt werden, ob eine Intelligenzminderung oder eine Lernstörung wie eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt. Sehr wichtig ist dann eine adäquate Förderung – sei es in speziellen Förderstunden oder im regulären Unterricht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um die Lernbedingungen in der Schule so zu verbessern, 09c. Hilfe für Lehrerinnen und LehrerÄhnlich wie Elterntrainings gibt es Trainings für Lehrkräfte, in denen es speziell um die ADHS-Symptomatik im schulischen Umfeld geht. Die Angebote gibt es für Einzelpersonen oder Gruppen. Lehrkräfte haben darüber hinaus die Möglichkeit, Beratungen auf verhaltenstherapeutischer Basis zu erhalten. Diese Maßnahmen sollen ihnen helfen, die Problematik, aber auch die Bedürfnisse eines Kindes mit ADHS besser zu verstehen und angemessen darauf einzugehen. Sinnvoll ist die Kombination von Eltern- und Lehrertrainings. Den Lehrkräften sollte schriftliches Material über die Inhalte des Elterntrainings zur Verfügung gestellt werden, damit ein gegenseitiger Austausch möglich ist. 09d. Kooperation mit Eltern und anderen BezugspersonenLeider passiert es immer wieder, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS viel Ablehnung
erfahren. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und klagen zu Hause, die Lehrerin bzw. der Lehrer sei
»unfähig und doof«. Wenn Eltern sich dann vollkommen auf die Seite ihres Kindes stellen und ihm
beipflichten, dass alles nur an der Lehrerin oder dem Lehrer liegt, verhärten sich die
Fronten. Umgekehrt glauben Lehrerinnen und Lehrer schnell, dass die Eltern versagen und diese es
sind, die es nicht schaffen, ihr Kind richtig zu erziehen. Um solche Konflikte zu vermeiden, ist es
wichtig, dass Lehrerinnen und Lehrer genauso wie Eltern über die Hintergründe und Ursachen von ADHS
Bescheid wissen. Um Kindern und Jugendlichen mit ADHS eine möglichst gelungene Schulzeit zu ermöglichen und um
Lehrkräfte und Eltern zu entlasten, ist es wichtig, dass die Erwachsenen sich untereinander
austauschen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, um die Lernbedingungen in der Schule so zu verbessern, dass alle profitieren – sowohl Kinder oder Jugendliche als auch Lehrkräfte. Schülerin/Schüler Klasse Schule |
10. AdressenUmfassende Informationen zum Thema ADHS bei Kindern und Jugendlichen sowie Adressen von Elterninitiativen in der Nähe Ihres Wohnorts finden Sie bei folgenden Vereinigungen:zentrales adhs netz ADHS Deutschland e. V. Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder und Jugendärzte e. V. Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit
Teilleistungs-/ Wahrnehmungsstörungen e. V. Adressen kinder‑ und jugendpsychiatrischer, psychosomatischer und psychotherapeutischer Universitätskliniken finden Sie hier:Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
e. V. Adressen von Ärztinnen und Ärzten für Kinder‑ und Jugendpsychiatrie und ‑psychotherapie finden Sie hier:Berufsverband für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in
Deutschland e. V. Adressen von Kinder‑ und Jugendpsychotherapeutinnen und ‑psychotherapeuten finden Sie bei folgenden Verbänden:Berufsverband der Kinder‑ und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder‑ und
Jugendlichenpsychotherapeuten e. V. Vereinigung Analytischer Kinder‑ und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland e. V. Weitere Suchmöglichkeiten:Bundespsychotherapeutenkammer Kassenärztliche Bundesvereinigung |
11. Impressum
Fotonachweise |
https://www.hansiherrmann.de/fuerkitas/adhs.php
© 03.11.2024 HansiHerrmann.de
Letzte Änderung: 11.09.2025 09:15:37
Lizenz: CC BY‑NC‑ND 4.0
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de