📖 Das war der Hirbel 08/15
von Peter Härtling

Kapitel 06

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Hirbels Prüfungen

Hirbel ist oft geprüft worden. Meistens waren es Frauen, die sich ihm an einem Tisch gegenübersetzten und ihn ein Spiel machen ließen. Aus dem Spiel konnten sie erkennen, ob der Hirbel klug oder dumm ist, ob er seine Mutter mag, ob er lieber allein ist, ob er gern Freunde hat oder nicht und vieles andere mehr. Diese Frauen nennt man Psychologinnen. Für Hirbel hießen sie Spielerinnen. Eigentlich mochte er die Spielerinnen, doch eine hatte ihm die Freude an der Sache verdorben. Sie hatte ihn dauernd angeschrien und ihm nicht erlaubt, mitten im Spiel aufzustehen und wegzulaufen. Das tat er, wenn er keine Lust mehr hatte.

Allmählich war der Hirbel so geübt im Spielen und wusste genau, was die Spielerinnen gern hatten, dass sich die Spielerinnen jedes Mal freuten, wie schön sein Spiel aussah. Sie merkten gar nicht, dass der Hirbel nicht spielte, wie er sollte, sondern wie sie wollten. Erst Fräulein Maier kam ihn auf die Schliche. Sie ließ ihn spielen. Sie hatte viele kleine Figuren, die er aufstellen sollte. Diese Männchen kannte er schon. Mit großer Geschwindigkeit stellte er sie so auf, dass es für die Spielerin stimmen musste.

Fräulein Maier lachte und sagte: »Mach das noch mal.«

Hirbel tat es, und das Spiel sah wieder genauso aus.

Fräulein Maier sagte: »Du kannst das ja auswendig.«

Hirbel sagte: »Das ist toll. Das hab’ ich gelernt. Gut, gell?«

Fräulein Maier holte ein anderes Spiel, das er noch nicht kannte, und bat ihn, ihr mit dem vorzuspielen. Hirbel weigerte sich. Er wusste, dass er sich jetzt verraten könnte. Er stand auf und sagte: »Ich muss ganz schnell aufs Klo.«

Fräulein Maier sagte: »Mach, und komm gleich wieder.«

Er kam nicht zurück. Er dachte nicht daran, ein anderes Spiel zu spielen. Er wusste, dass Müller-Maier dann etwas herauskriegten, was ihm gefährlich war.





© 13.12.2010 HansiHerrmann.de