📔 Geschichten … 06/08

Es geht um die Wurst

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Meine »Auftritte« beim Metzger (Fleischer, Schlächter) waren legendär.

Ja, früher nannte man den Menschen, der essbare Tiere noch eigenhändig dahinmetzelte, METZGER (wenn er das nicht so gut, also schlecht tat, nannte man ihn SCHLÄCHTER).
Der hat dem Schwein noch höchstpersönlich die Kugel in die Stirn gejagt und ihm das Fell über die Schweineohren gezogen (ich mag keine Schweine-Ohren, weder die vom Bäcker noch die vom Schlächter!).
Wenn ich mich recht entsinne, war das aber nicht auf SCHWEINE beschränkt, sondern (be)traf auch Hasen, Hühner (und Hähne [die ich nur wegen der Gleichberechtigung erwähne]), Rinder und Kinder.

Der Serienmörder HAARMANN soll sogar mindestens 24 Jungs bzw. junge Männer zu Hackfleisch und Wurst verarbeitet haben. Böse (Feinschmecker-)Zungen seiner Stammkundschaft haben behauptet, dass deren Fleisch besonders zart und wohlschmeckend gewesen sei.
 Schon die alten Römer … oder waren es die Griechen? … naja, jedenfalls wussten schon damals die alten Männer das zarte Fleisch junger Männer zu schätzen. Allerdings nicht auf dem Teller …

Bei einem Metzger, der Jagd auf junge Männer macht, bekommt das Wort JAGDwurst einen besonders pikanten Beigeschmack.

Jedes deutsche Nachkriegskind weltweit kannte die Geschichte vom HAARMANN, also auch ICH. Vielleicht hat das meine Abneigung gegen Wurst verursacht.

Ich hätte statt »Abneigung« auch »Aversion« schreiben können, aber dann hätte es wieder geheißen (gehießen, gehisst), ich artikuliere mich verbal zu nebulös.

Mir war der BÄCKER ohnehin lieber als der METZGER. Trotzdem hatte ich meine Mutter regelmäßig dorthin begleitet.
Nicht wirklich freiwillig, sondern aus der Not heraus, dass es meine Mutti nicht riskieren wollte, mich allein zu Hause zu lassen, womöglich sogar mit meinem kleinen Bruder oder der einarmigen Großmutter.

»Kevin – Allein zu Haus« war nämlich ein Waisenknabe gegen mich!
Man konnte mich nicht mal allein zu Hause lassen, wenn ich SCHLIEF! Denn wenn mich ein böser Traum, ein lästiges Insekt oder gar die böse Sonne weckte (vom kleinen Brüderchen oder der kleinen Großmutter rede ich erst gar nicht!), war mit mir nicht zu spaßen!

Ich hasse noch heute die Sonne dafür, dass sie die Frechheit besaß, nicht nur frühmorgens klammheimlich wie ein Dieb durchs Fenster in mein Zimmer einzudringen, sondern mir sogar in die himmelblauen Äuglein zu leuchten!
Ich habe sie dann beschimpft wie ein Rohrspatz und verflucht wie ein Seemann. Verfluchte Sonne! Fall tot vom Himmel! Ersaufe meinetwegen im Meer! (Ich hatte nämlich gehört, dass die Sonne angeblich jeden Abend im Meer versinkt. Was ja auch kein Wunder ist, wenn man nicht schwimmen kann! Aber das verdammte Biest stand jeden Morgen wieder auf, als sei nichts geschehen … Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat. Vielleicht konnte sie ja doch schwimmen?!)

Ich habe übrigens meine Oma nie GROSSmutter genannt, weil sie KLEINER als meine Mutter war.
Meinen GROSSvater habe ich überhaupt nicht angeredet, weil der im Krieg gefallen und nicht wieder aufgestanden war. Praktisch blieb er auf dem Schlachtfeld liegen – was mich wieder wider Erwarten zum eigentlichen Thema bringt, nämlich unseren SCHLÄCHTER.

In der Stadt hielt man es übrigens für MUTTERLIEBE, dass mich meine Mutter überallhin mitschleppte. Dass sie mich nicht eine einzige Sekunde alleine lassen konnte, sprach sich erst im Laufe der Zeit in der Stadt rum. Und kein Babysitter der Welt, nicht mal ein Pädofiedler hätte sich MIR oder MICH freiwillig angetan! Von daher hatte meine »Lebhaftigkeit« auch etwas Positives. Sie schützte mich vor Kidnapping oder Schlimmerem wie Adoption.

Beispiel: unser Stadtpfarrer kam auf die verrückte Idee, mich adoptieren zu wollen!
Da war ich zwölf (und der feuchte Traum aller alten Frauen und katholischen Priester).
Unser Priester war zwar evangelisch, aber ich vertraute ihm trotzdem nicht, weil er so dumm war, mich als »Kontrolleur« in der Kirche einzusetzen, nachdem ich regelmäßig die Kollekte geplündert hatte.

Ich war einmal zu spät zum Gottesdienst erschienen und hatte erfreut festgestellt, dass da Körbe voller Geld im Kirchenvorraum rumstanden. Ich habe ein paar der Scheine an mich genommen (damit sie keinem Dieb in die Hände fallen!). Und fortan bin ich dann regelmäßig zu spät zum Gottesdienst erschienen. Damit das nicht auffällt, habe ich mich dann immer gleich hoch zum Organisten geschlichen und mich für dessen Arbeit interessiert. Bei der Gelegenheit erfuhr ich dann ganz beiläufig, wie eine Orgelpfeife oder ein Blasebalg funktioniert. (Die katholische Kirche hat sogar heute noch LEBENDE Blase-Bälger [man nennt sie Chor-Knaben], die dem Pfarrer unter die Kutte schlüpfen und ihm den Marsch blasen, während der seiner Kirchengemeinde über die Sünden fleischlicher Lust Vorträge hält.)
Mit »Orgelpfeifen« kannte ich mich schon davor aus, denn wir sieben Kinder wurden ebenfalls als »Orgelpfeifen« tituliert, wenn wir der Größe nach durch die Stadt marschierten. ICH war die größte Orgelpfeife und lief vorne, meine sechs jüngeren Geschwister im Gänsemarsch hinterher.

Der Pfarrer nahm mich gerne nach dem Gottesdienst mit zu sich nach Hause.
Da seine Haushälterin und meist auch seine erwachsenen Söhne anwesend waren, hatte ich diesbezüglich keine Bedenken.

Meine Mutter hatte mir zwar eingebläut, keinen fremden Männern zu vertrauen. Aber ich konnte ganz gut selbst auf mich aufpassen und auch selbst entscheiden, zu wem ich aufs Pferd steige oder wem ich unter die Kutte schlüpfe. Das muss mir kein Pfarrer von der Kanzel oder eine Mutter am Küchentisch predigen!

Jedenfalls hatte der Pfarrer die Angewohnheit, nach dem Gottesdienst die Kollekte auf seinen Küchentisch zu kippen und dann das Geld zu zählen.
Und bei dieser Gelegenheit fiel ihm dann auf, dass neuerdings weit weniger Geld eingesammelt worden war.
Da es seine Vorstellungskraft überstieg, jemand könnte die Kirche bestehlen, war er ziemlich ratlos.
Ich äußerte dann die Vermutung, dass vielleicht weniger Schäfchen als bisher oder ärmere Schäfchen seine Vorstellungen besuchen … Das brachte den Gottesmann auf die Idee, MICH seine Schäfchen zählen zu lassen!
DU bist doch sowieso immer oben beim Organisten und hast von dort einen guten Überblick über die Kirchenbesucher. Dann kannst du doch die Besucher zählen. Dann erfahren wir ja, ob es an der Anzahl der Besucher liegt, dass die Kollekte weniger geworden ist.
Ich fand diese Idee super. Sie hätte glatt von mir stammen können! Und so (ver-)zählte ich in den folgenden Wochen die Schäfchen in der Kirche.

Und sogar abends, wenn ich nicht einschlafen konnte, zählte ich sie.
Sie sprangen dann aber nicht über Hecken und Zäune Springende Schafe, sondern schlummerten in den Kirchenbänken, was die Zählerei sehr ermüdend machte. Wenn der Organist nicht zum Ende des Gottesdienstes ein überlautes Liedchen angestimmt hätte, hätte ich dort oben manches Mal sicher verpennt!

Dem Pfarrer nannte ich dann einige Schäfchen weniger, sodass die Anzahl der Schäfchen halbwegs mit dem Betrag in der Kollekte übereinstimmte. Und am Ende waren alle zufrieden. Besonders ich, weil ich so gut zählen konnte. 😇

Auch wenn ich damals des Pfarrers Lieblingsschäfchen war, gibt ihm das noch lange nicht das Recht, mich adoptieren zu wollen! (Ich erhebe doch auch keinen Besitzanspruch auf das Gänseblümchen, das am Wegesrand mein Herz erfreut! Muss man denn gleich immer alles haben wollen, was einem das Herz höher hüpfen lässt?!)

Meine Eltern fanden die Idee super, mich auf diese einfache und dazu noch legale Weise loszuwerden.

Mein Vor-Namens-Vetter HÄNSEL sowie dessen Schwester Gretel wurden von ihren Eltern ganz altmodisch im Wald ausgesetzt und damit der Hexe zum Fraß vorgeworfen. Hier nachlesen/anhören.
In unserem Fall hätte man 2 Jungs und 5 lebhafte Mädels in den Wald schleppen müssen, was praktisch unmöglich war, weil wir uns schon auf dem Weg dorthin gegenseitig zerfleischt hätten! Und was wir der armen alten Hexe angetan hätten, wäre in keinem Märchenbuch gedruckt worden, weil es einfach zu grausam für empfindliche Kinderseelen wäre.

Ich habe dem Pfarrer gesagt, wenn er an dieser idiotischen Idee festhält, würde ich mich im Glockenturm am Seil aufhängen!
Das war natürlich nicht mein Ernst. In Wahrheit hätte er selbst sich dort aufgeknüpft! Das sagte ich ihm aber nicht, weil ich ein nettes Kerlchen war. Trotzdem überzeugte ihn mein entschlossenes Auftreten vom Ernst meiner Worte – und ich musste nicht Theologie studieren, wie es das Schicksal seiner beiden leiblichen Söhne war.
Er führte mir zwar oft genug vor Augen, wie schlau doch seine Söhne sind. Ich hielt ihm aber entgegen, dass ich es nicht besonders schlau finde, die größte und längste Lügengeschichte der Welt auswendig zu lernen und auch noch selbst an den Unsinn zu glauben, den man diesbezüglich gelernt hat. Das Studium der Gynäkologie (oder Frauen-Kunde) hielt ich für erstrebenswerter, wobei ich nicht mal langweilige Uni-Lesungen besuchen musste, sondern mein Studium als Hobby in meiner Freizeit betreiben konnte.

An diesem Punkt trennten sich dann unsere Wege.

Und ich setze hier den Weg mit meiner Mutter zum Metzger bzw. der eigentlichen Geschichte fort.

Wir hatten es nicht weit zum Metzger, nur ein paar Schritte, denn die »Lange Straße«, in der wir gemeinsam residierten (zu deutsch: hausten) war nicht wirklich lang. Aber wahrscheinlich gab es schon eine »Kurze Straße«, die noch kürzer als unsere »Lange Straße« war. Ich hätte auch ungern hier in meinen Lebenslauf geschrieben, dass ich in der »KURZEN Straße« das Licht der Welt erblickte und meiner hübschen Freundin Renate fröhlich Blümchen pflückte.
Hier eines der wenigen Fotodokumente aus dieser Zeit.

Damals hatte noch kein Mensch einen Kühlschrank, sodass wir ziemlich oft zum Fleischer gehen mussten, wenn wir kein Gammelfleisch essen wollten.
Der Fleischer (Bäcker, Schuster, Frisör sowie jede andere Gelegenheit, ein ausgiebiges Schwätzchen zu halten) war ein beliebter Treffpunkt älterer Damen und ersetzte denen oft das nachmittägliche Kaffeekränzchen.
Diesmal unterbrach die Tür-Glocke das traute Zusammensein dreier mittelalterlicher Damen (also im Alter meiner Mutter, die mit ihren 21  Jahren »nicht mehr ganz frisch«, aber auch noch nicht vom Aussterben bedroht war).

Ich lieeebte es, wenn die Leute ihre Arbeit oder ihr Schwätzchen unterbrachen, sobald »ICH DIE BÜHNE BETRAT«!
Jedes kleine Kind hält sich für den Mittelpunkt der Welt. Das ist normal und legt sich mit der Zeit (und wenn nicht, dann geht der Mensch später in die Politik oder wird Arzt, Lehrer, Anwalt oder Richter). Aber bei mir war das ziemlich ausgeprägt und legte sich erst, als ich der Generation 60+ angehörte.

Im Laden befanden sich die erwähnten drei Mittelalterlichen sowie der Metzger, den ich hier aus humanitären Gründen sowie aus Rücksicht auf unsere dahinvegetierenden Veganer »Fleisch- und Wurstwaren-Produzent« nennen möchte, aus Gründen der Zeitersparnis aber kurz mit »Metzger« tituliere.
Der Tiermörder bediente gerade die älteste der drei Kundinnen, eine wirkliche (aber zum Glück nicht meine) Oma, die aus dem unerschöpflichen Wurst-Angebot von ca. sieben verschiedenen Sorten jeweils eine Kotzprobe wählte. Weil sie das mit Bedacht tat, waren dem Massenmörder, der sich am Morgen frisch rasiert hatte, inzwischen Bartstoppeln aus den Ohren gewachsen.

Liebe Leute, wenn eine OMA einkaufen geht, dann wird die Kunden-Schlange hinter ihr immer länger. Das sehen natürlich die Leute auf der Straße und denken sich, »Oh, da gibts wohl was, das es nur selten gibt!« Das konnte in der DDR praktisch ALLES sein! »Sonst stünden ja nicht so viele Leute an.« Also reihen sie sich artig in die Schlange ein, die inzwischen den gesamten Gehweg füllt und bis runter zum Marktplatz reicht. Das kriegen auch die Kunden der Markthändler mit und gesellen sich dazu, bis schließlich die gesamte Einwohnerschaft bei diesem Metzger ansteht – ohne allerdings zu wissen, WARUM man dort ansteht. In der DDR spielte es auch keine Rolle, für welches Produkt man anstand, weil ALLES Mangelware und somit begehrenswert war.

Der Schöpfer hat mir nicht sehr viel Nützliches mitgegeben, davon aber eine ganze Menge, besonders UNGEDULD!
Neben FLIEGEN, MÜCKEN, SPINNEN und der SONNE kann mich WARTEN zur Weißglut bringen. Weil es sich aber nicht gehört, in einer Fleischerei zu explodieren (man denke dabei an die verderblichen Lebensmittel, die durch meine herumfliegenden Innereien versaut würden!), erhebe ich artig meine Stimme:
Mutti, ICH WILL EINE BOCKWURST!

Ich habe mein Leben lang die besten Schnäppchen verpasst, auf wahnsinnig vieles verzichtet, weil ich nicht WARTEN konnte oder wollte.

So hatte ich später, als ich erwachsen war, eine FREIBANK-Fleischerei direkt gegenüber meiner Wohnung (in der DDR, wo es selten Fleisch zu kaufen gab).
Diese Fleischerei verkaufte nur einmal wöchentlich Fleisch und Wurst. Und das auch nur für wenige Stunden, bis der Laden leergekauft war. Dann war wieder für eine Woche Ladenschluss.
Mein Weib, unser Sohn und ich waren gerade erst vor Kurzem hierher in die Stadt gezogen und kannten deshalb diese Fleischerei noch nicht. Da wir bisher nur kalte, leere Fliesen gesehen hatten, hielten wir diesen Laden für dauerhaft geschlossen … bis ich eines Nachts um 2 Uhr wach werde, weil unten auf der Straße undefinierbare Geräusche zu hören sind. Es hörte sich an wie Stimmen und Stühlerücken. Aber das konnte nur Teil meines Traumes sein, denn in der DDR wurden um 18 Uhr alle Läden geschlossen, um 20 Uhr sämtliche Kneipen und Tankstellen. Sogar die Straßenbeleuchtung wurde abgeschaltet. Wenn man Scharniere in der passenden Größe gehabt hätte, dann wären sicher auch die Bürgersteige über Nacht hochgeklappt worden.
Ab 20 Uhr war die Stadt praktisch tot, jedenfalls fand kein öffentliches Leben mehr statt. Was, um alles in der Welt war also dort unten auf der Straße los?
Wenn ich die Ursache der Geräusche nicht kenne, finde ich sowieso keinen Schlaf mehr. Darum trete ich ans Fenster – und traue meinen Augen nicht: Da sitzen eine Menge Leute auf Klapphockern, Melkschemeln und Sitzutensilien, wie sie Angler benutzen.

ℹ️ MELK-SCHEMEL sind einbeinige Hocker, die man sich mit einem Gürtel fest auf den Hintern schnallt. Geht man in die Hocke, sitzt man automatisch auf dem Hocker (wahrscheinlich hat er daher seinen Namen). Steht man, sieht es aus, als wenn einem ein Hockerbein im Hintern steckt.
Ich habe mal ähnliche Gebilde in einem Sex-Shop gesehen, die man sich allerdings VORNE umschnallte. In diesem Fall war allerdings das Hockerbein ein männliches Glied – das dann allerdings nicht dem TRÄGER im Hintern steckte, sondern dessen Gegenüber! Pfui Teufel! Warum benutzen diese Leute kein ECHTES, GUT DURCHBLUTETES »Hockerbein«? Die sollten wissen, dass künstliche Körperglieder ungesunde Weichmacher enthalten, die für den Empfänger nicht gerade gesundheitsfördernd sind. ICH möchte jedenfalls keine Weichmacher in meine Körperöffnungen appliziert bekommen! Außerdem finde ich es paradox, Produkten WEICHmacher zuzusetzen, die man(n bzw. Frau) naturgemäß gern hart + fest haben will. 😜

Ich wecke meine bessere andere Ehehälfte und informiere sie kurz über die seltsamen Vorgänge unten auf der Straße. Aber auch sie ist und bleibt ratlos.
Irgendwann finden wir wieder in den Schlaf – und haben frühmorgens die ERKLÄRUNG:
Uns gegenüber ist offensichtlich eine Fleischerei! Wir müssen also nur über die schmale Straße gehen, um uns mit Fleisch und Wurst einzudecken.
Aber warum setzen sich denn Leute schon nachts um zwei auf die Straße, wenn der Laden erst sechs Stunden später aufmacht?
Weil sie denken: Der frühe Vogel fängt den Wurm.Beziehungsweise: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Ich habe »mahlt« mit h geschrieben, weil ich denke (annehme, vermute), dass das Sprichwort Leute meint, die in einer Mühle ihr Getreide gemahlen haben wollten.
Sicherheitshalber frage ich mal die schlaue KI, damit ich hier keine falschen Weisheiten verbreite …
ChatGPT gibt mir folgende Antwort:

Das Sprichwort “Wer zuerst kommt, mahlt zuerst” stammt aus dem Bereich des Handwerks und bezieht sich auf das Mahlen von Getreide zu Mehl.
Früher wurden Getreidekörner in einer Mühle gemahlen, um daraus Mehl herzustellen. Meines Wissens ist das auch HEUTE noch so! 🤨
Da die Mühlen oft nur begrenzte Kapazitäten hatten und nicht alle Bauern gleichzeitig ihr Getreide mahlen lassen konnten, galt die Regel, dass derjenige, der als erster mit seinem Getreide bei der Mühle ankam, auch als erster bedient wurde. Dieses Prinzip wurde dann auf andere Bereiche übertragen und steht heute metaphorisch für die Idee, dass derjenige, der zuerst da ist oder sich zuerst meldet, bevorzugt behandelt wird.
Bildschirmfoto

Lag ich mit meiner Mutmaßung also gar nicht so verkehrt. 😁
Na ja, wenn man seine Kindheit und Jugend in Dörfern verbracht hat, weiß man sowas eben. 😏

Und warum ist diese Fleischerei nur einen einzigen Tag pro Woche geöffnet?
Das kann die KI nicht wissen, darum sage ICH es dir: Weil sie FREIBANK-Fleisch verkauft, also das Fleisch notgeschlachteter Tiere. Und weil nicht ständig Tiere notgeschlachtet werden, fällt nicht so viel Fleisch an, das man täglich verkaufen könnte.

Bricht sich z.B. ein Pferd die Hacken oder ein Schwein erliegt einem Hitzschlag, dann wird es an Ort und Stelle notgeschlachtet, weil es sich nicht lohnen würde, das einzelne Tier extra in eine Schlachterei zu transportieren.
Das FREIBANK-Fleisch ist übrigens qualitativ mindestens so gut wie das aus einer regulären Schlachtung. Es unterliegt sogar strengeren Kontrollen. Eigentlich ist es sogar hochwertiger als das aus industriellen Schlachtungen, weil die Tiere nicht den Stress beim Transport zum und im Schlachthof hatten.

Trotzdem war dieses Fleisch sogar sehr viel preiswerter als »normales« Fleisch, sodass man es in großen Mengen kaufen konnte, ohne dass einem das ein Loch in die Haushaltskasse reißt.

Natürlich war ich nicht so hirntot, mich schon nachts auf die Straße zu setzen (das hätte ich nicht mal getan, wenn das Fleisch verschenkt worden wäre!), sondern ich habe oben am Fenster abgewartet, bis der Kundenstrom verebbt war, dann erst bin ich über die Straße gegangen und habe sämtliche »Reste« gekauft.
Das war oft viel mehr, als wir gebrauchen konnten – und einen Tiefkühler hatten wir nicht –, aber wir haben uns gesagt: In der allergrößten Not, schmeckt die Wurst auch ohne Brot. Beziehungsweise: In der allergrößten Not, schmeckt das Fleisch auch ohne Kartoffeln und Gemüse.

Ich käme auch niemals auf die Idee, mich stundenlang vor ein Kaufhaus zu stellen und es dann unter Lebensgefahr zu stürmen, nur weil es das 10er-Pack Unterhosen aus chinesischer Produktion für 2 € verhökert. Oder beim Discounter das 20er-Pack Socken für 9 € zu ergattern. Was können wohl Socken taugen, und wie viele Wäschen können die überstehen, wenn sie nur 45 Cent pro Paar kosten??? Bild-Dokument.
RAMSCH aus Fernost kann ich das ganze Jahr über haben, da muss ich nicht auf den SSV warten und mir fremde Ellenbogen in die Rippen hauen oder mich gar zu Tode trampeln lassen!

Aber das alles war nur ein abschweifender Blick in die Zukunft, denn aktuell bin ich 5 Jahre alt und stehe mit meiner Mutti immer noch beim Fleischer unseres Vertrauens (also dem einzigen Fleischer der Stadt), um ein paar Wurstwaren zu ergattern.
Leider steht die lahmarschige Oma meinem dringenden Wunsch nach einer Bockwurst entgegen. Offenbar hat man mich überhört. Also muss ich LAUTER reden: Mutti, ich will eine Bockwurst! DAS sollte man jetzt bis zum Marktplatz gehört haben!!!

Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass ich Wörter wie »möchte« und »bitte« nicht in meinem Vokabular hatte.

5-Jährige verfügen nur über einen begrenzten Wortschatz, der sich auf die WESENTLICHEN Dinge des Lebens beschränkt. Höflichkeitsfloskeln verwässern nur das eigentliche Anliegen und tragen nichts zu dessen Erfüllung bei. Darum lasse ich sie weg. Es geht ja auch kein Wolfs-Junges zur Mutter und bettelt: Herzallerliebstes Mütterlein, würdest du bitte die unendliche Güte haben, mich an einer deiner zahlreichen Zitzen den mich nährenden Körpersaft schlürfen zu lassen?! Es spricht nichts dergleichen, sondern geht hin, schnappt sich die mütterliche Titte und saugt und kaut sie leer, bis nur noch Blut kommt!
Die Natur hat es so eingerichtet, dass Kinder sich NEHMEN, was sie zum Überleben brauchen. Da ist Bettelei nicht vorgesehen und auch kontraproduktiv.

Meiner Mutter treibt mein Auftreten die Schamesröte ins Gesicht und wahrscheinlich auch in die Zitzen. Sie beginnt, merklich zu schwitzen.
Das veranlasst mich, mein Anliegen eine Oktave höher und in der Lautstärke eines startenden russischen Jagdflugzeugs zu wiederholen:
MUTTI, ICH WILL EINE BOCKWURST!!!
Nach dieser Ansage geht die Gesichtsfarbe meiner Mutter ins Dunkelrote, als hätte sie stundenlang Kopfstand gemacht.
Das missversteht die Oma, die die Gesichtsfarbe meiner Mutter für SCHAMESröte hält. (Allein ICH weiß, dass es die ZORNESröte ist, weil meine Mutter sehr genau weiß, dass ich gar keine Bockwurst esse und sie wieder mal nur vor allen Leuten blamieren will!)
Großmütig sagt nun die Oma zu meiner Mutter: Kaufen Sie ruhig dem Kind seine Bockwurst. ICH KANN WARTEN!

Also, da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! SIE KANN WARTEN? Das sagt sie den Leuten ins Gesicht, die sich IHRETWEGEN seit Stunden, wenn nicht gar Tagen die Beine in den Bauch stehen?!
Die halbe Einwohnerschaft Luckaus steht hinter dieser Frau und wartet darauf, dass sie endlich tot umfällt. Und die hat den Nerv, zu verkünden, dass sie warten kann?!
Eine solche Frechheit kann nicht mal ICH überbieten!

Die alte Dame kann nicht wissen, dass ich sie in diesem Moment verflucht habe. Und das bedeutet, dass sie Gevatter Tod nun schon in seinem Terminkalender notiert hat. Wenn ich jemanden verfluche, dann kannst du darauf warten, dass bald in der Nacht das Käuzchen ruft, um sein nahendes Ableben anzukündigen.
Bei solchen Gelegenheiten habe ich manche Nacht wachgelegen, um auf den Ruf des Kauzes zu warten, der mir die Erfüllung meines Wunsches versprach.

Da meine Mutter auf den Spruch der Oma nicht reagiert (die Wut schnürt ihr die Kehle zu), wendet die sich an den Metzger: Geben Sie doch dem Jungen eine Bockwurst. ICH BEZAHLE SIE.
Und damit hat sie bei meiner Mutter eine Grenze überschritten, die sie ihre Stimme sofort wiederfinden lässt: DER ISST KEINE BOCKWURST!
DAS hätte sie besser für sich behalten, denn mit diesem Satz hat sie sich auch den allerletzten Wartenden zum persönlichen Feind gemacht!

Da hört sich doch wohl alles auf! Der halb verhungerte Junge bettelt nach einer Bockwurst – und diese Rabenmutter versteigt sich in der Behauptung, er würde gar keine Bockwurst essen! – Ja wollen Sie uns weismachen, das Kind will damit spielen oder die Bockwurst aufpusten wie einen Luftballon?, empört sich eine Kundin. Eine andere äußert die Idee: Das sollte man dem Amt melden! (Mit AMT war das Jugendamt gemeint, dem ich schon hinlänglich bekannt war, seit ich einer Mitarbeiterin während eines Hausbesuches angedroht hatte, sie die steile Treppe runterzustoßen, wenn sie nicht sofort verschwindet – das hatte dann meine HEIM-Einweisung zur Folge. Aufmüpfige Kinder wurden in der DDR nicht geduldet!)

Die mich Gebärende (gewissermaßen MEINE MUTTER) sieht sich wieder mal gezwungen, eine Verteidigungsrede für sich selbst zu halten:
Der isst nicht nur keine Bockwurst, der isst überhaupt keine Wurst! – Wenn ich ihm zum Abendbrot Wurst gebe, dann hat der die am nächsten Morgen immer noch zerkaut im Mund und ich muss sie ihm da mit dem Finger rausholen!
Das stimmte Wort für Wort. Und wenn meine Mutter dann jammerte, Wie ekelig ist das denn, die ganze Nacht die zerkaute Wurst im Mund zu behalten?!, dann entgegnete ich ihr: Aber DU hast sie mir doch selber da reingesteckt!

Ich meine: Wenn eine Mutter weiß, dass ihr Kind keine Wurst mag, warum füttert sie es dann damit? Da könnte sie ihm doch auch einen Kaugummi zum Abendbrot geben. Das hätte sogar den Vorteil, dass der preiswerter als Wurst und zudem »wiederverwendbar« ist.

Meine Mutter verfolgte damit den Zweck, dass ich »was auf die Rippen kriege«, weil ich dünn wie ein Schrubberstiel war. Aber sie hätte mich ja genauso gut auch mit EIS und KUCHEN mästen können. Das hätte sie mir niemals aus dem Mund holen müssen.

DAS konnte die wartende/wütende Kundschaft allerdings unmöglich wissen, sodass sie diese »dumme Ausrede« nicht gelten ließ und sich noch mehr ereiferte.
Der Metzelnde, der ja vom VERKAUFEN und nicht vom DUMMSCHWÄTZEN lebt, will diese leidige Sache endlich beenden und reicht mir eine Bockwurst über den Tresen. Hier, mein Junge. Lass sie dir schmecken. Deutlicher kann man einer Rabenmutter seine Missachtung nicht zeigen! Ich sage artig Danke, beiße herzhaft ein riesiges Stück ab und beginne zu kauen.
Unzählige Augen starren mir auf den Mund, und ihre Blicke strafen meine Mutter Lügen. Nein, das Kind isst keine Bockwurst – wie man sieht! Wahrscheinlich isst dieses Kind gar nichts! Es ist ja nicht umsonst so dünn wie eine Stricknadel! – Was isst er denn da, wenn nicht die Bockwurst. Etwa seine eigene Zunge?
Meine Mutter bäumt sich ein letztes Mal auf: Der beißt ab und kaut drauf rum, aber er ISST sie nicht!
Abbeißen und kauen ist kein ESSEN …?
Nun könnten scharenweise Fliegen in die offenen Mäuler der empörten Kundschaft schlüpfen. So viel Dreistigkeit ist den Luckauern seit den mittelalterlichen Hexenverbrennungen nicht mehr untergekommen.
Die Feindseligkeit, die nun meiner Mutter offen entgegenschlägt, riecht verdammt nach Lynchjustiz, darum zieht es meine Mutter vor, vom Wurstkauf abzusehen und mit mir das Weite zu suchen.
Kaum haben wir den Laden verlassen, spucke ich die durchgekaute Wurst erwartungsgemäß auf den Bürgersteig. Kein Mensch hat das gesehen. Ich habe mich vorher davon überzeugt, dass mir keiner zuguckt. Zu Hause darf ich nicht spucken, darum lasse ich die Wurst über Nacht in meinen Backentaschen. Was ein HAMSTER kann, das kann ICH erstrecht! Aber bringe das mal (d)einer Mutter bei, die noch glaubt, der Klapperstorch bringe die Babys und der Osterhase schleppt tonnenweise Eier durch die Gegend …

Ich musste dieses Drama aber nicht bei jedem Wurst-Einkauf wiederholen. Denn das soeben Erlebte prägte sich ins kollektive Gedächtnis aller Einwohner ein, sodass ich »Hungerleider« ständig sogar von wildfremden Leuten etwas Leckeres zugesteckt bekam. Der Bäcker, den ich auch oft ohne meine nervige Mutter heimsuchte, hatte immer eine Tüte mit Kuchenkrümeln für mich da. Am liebsten mochte ich die Streusel vom gleichnamigen Kuchen, aber noch lieber waren mir Liebesknochen, Negerküsse und Windbeutel, wegen der leckeren Füllungen.

Ja, okay, das war nicht politisch korrekt formuliert.
Heutzutage heißen die Dinger nicht mehr LIEBESKNOCHEN, sondern DILDO. Aber solange Dildos mit Zartbitterschokolade verziert und mit Pudding gefüllt sind, ist mir das doch schnuppe.

Vor 4 Tagen (am 5.7.2023) hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Mohren­straße künftig Anton-Wilhelm-Amo-Straße heißen darf.

Es wird die Anwohner der Mohrenstraße sicher freuen, dass sie sich ihre neue Anschrift nun auf den Unterarm tätowieren lassen müssen, weil sie sich diesen verdammten neuen Namen nicht merken können!

Der Namensgeber war ein afrikanisch-stämmiger Gelehrter im 18. Jahrhundert (ob er tatsächlich stämmig oder eher hager war, weiß der Geier; auf jeden Fall soll er ziemlich geleert gewesen sein). Also kein »Mohr« im landläufigen Sinn? 🤔 Grüne, SPD und Linke im Berliner Bezirk Mitte sind der Meinung, der Name Mohrenstraße sei rassistisch und kolonialistisch.

Wenn das so ist, dann müssten auch einige Märchen umgeschrieben werden, zum Beispiel »Die Geschichte von dem kleinen Muck«, in dem ein Kleinwüchsiger mit ziemlich dunkler Hautfarbe die Hauptrolle spielt.

Der Berliner Kurier hat zu diesem Thema am 8.9.2023 (zwei Monate, nachdem ich diese Seite online stellte) einen interessanten Artikel veröffentlicht, den man gelesen haben sollte: Hier kannst du ihn lesen.

Und wenn man schon beim Straßen-, Backwaren- und Märchen-Umbenennen ist, wie wäre es mit »Schneewittchen und die sieben Kleinwüchsigen«?

Ich staune ja, dass bisher noch kein »Frankfurter«, »Hamburger«, »Kasseler«, »Berliner« oder »Wiener« auf die Barrikaden gegangen ist, weil Lebensmittel seinen Stadtnamen tragen. Auch die »Pariser« scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass sie namentlich mit Kondomen gleichgesetzt werden. Na ja, das ist auch nur beleidigend, aber nicht rassistisch oder kolonialistisch.

Als Kind liebte ich »NEGERKÜSSE«. Ich hätte mich aber niemals tatsächlich von einem knutschen lassen! Nicht mal meine Oma durfte an mir rumlutschen!
Irgendwann wurden aus NEGERKÜSSEN »MOHRENKÖPFE«. Und aktuell sind es »SCHAUMKÜSSE«.
Oder nehmen wir »LIEBESKNOCHEN«: Ich liebe die Dinger noch heute. Aber wenn ich im Café einen bestelle, werde ich angestarrt, als hätte ich einen DILDO begehrt! Ich kann mir einfach nicht diesen verdammten französischen Ausdruck »ECLAIR« merken. Bin ich deshalb ein Perverser, oder soll ich auf meine geliebten Liebesknochen verzichten? 😞 Mitnichten! 😛

In meiner Kindheit haben wir »Räuber und Indianer« gespielt, uns »Indianer-Zelte« gebaut und zum Fasching als »Indianer« verkleidet … Es soll auch heutzutage Kinder geben, die das tun und sich einen Teufel darum scheren, dass sie damit als RASSISTEN gebrandmarkt sind!
Auch heute noch spielen Kinder im Winter »Eskimo« und bauen sich »Iglus« (Schneehütten), weil es sie nicht kümmert, ob das »politisch korrekt« ist.

Vielleicht sollten wir uns (nicht nur diesbezüglich) an der Unbedarftheit und dem gesunden Menschenverstand von Kindern ein Beispiel nehmen und nicht alles so verbissen sehen …

Ich denke, damit habe ich das eigentliche Thema erschöpfend durchgekaut … 🤭





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