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Meine »Auftritte« beim Metzger (Fleischer, Schlächter) waren legendär. Ja, früher nannte man den Menschen, der essbare Tiere noch eigenhändig dahinmetzelte, METZGER
(wenn er das nicht so gut, also schlecht tat, nannte man ihn SCHLÄCHTER). Der Serienmörder
HAARMANN soll sogar mindestens 24 Jungs bzw. junge Männer zu Hackfleisch und Wurst verarbeitet
haben. Böse (Feinschmecker-)Zungen seiner Stammkundschaft haben behauptet, dass deren Fleisch
besonders zart und wohlschmeckend gewesen sei. Bei einem Metzger, der Jagd auf junge Männer macht, bekommt das Wort JAGDwurst einen besonders pikanten Beigeschmack. Jedes deutsche Nachkriegskind weltweit kannte die Geschichte vom HAARMANN, also auch ICH. Vielleicht hat das meine Abneigung gegen Wurst verursacht. Ich hätte statt »Abneigung« auch »Aversion« schreiben können, aber dann hätte es wieder geheißen (gehießen, gehisst), ich artikuliere mich verbal zu nebulös. Mir war der BÄCKER ohnehin lieber als der METZGER. Trotzdem hatte ich meine Mutter regelmäßig
dorthin begleitet. »Kevin – Allein zu Haus« war nämlich ein Waisenknabe gegen mich! Ich hasse noch heute die Sonne dafür, dass sie die Frechheit besaß, nicht nur frühmorgens
klammheimlich wie ein Dieb durchs Fenster in mein Zimmer einzudringen, sondern mir sogar in die
himmelblauen Äuglein zu leuchten! Ich habe übrigens meine Oma nie GROSSmutter genannt, weil sie KLEINER als meine Mutter war. In der Stadt hielt man es übrigens für MUTTERLIEBE, dass mich meine Mutter überallhin mitschleppte. Dass sie mich nicht eine einzige Sekunde alleine lassen konnte, sprach sich erst im Laufe der Zeit in der Stadt rum. Und kein Babysitter der Welt, nicht mal ein Pädofiedler hätte sich MIR oder MICH freiwillig angetan! Von daher hatte meine »Lebhaftigkeit« auch etwas Positives. Sie schützte mich vor Kidnapping oder Schlimmerem wie Adoption. Beispiel: unser Stadtpfarrer kam auf die verrückte Idee, mich adoptieren zu
wollen! Ich war einmal zu spät zum Gottesdienst erschienen und hatte erfreut festgestellt,
dass da Körbe voller Geld im Kirchenvorraum rumstanden. Ich habe ein paar der Scheine an mich
genommen (damit sie keinem Dieb in die Hände fallen!). Und fortan bin ich dann regelmäßig zu spät
zum Gottesdienst erschienen. Damit das nicht auffällt, habe ich mich dann immer gleich hoch zum
Organisten geschlichen und mich für dessen Arbeit interessiert. Bei der Gelegenheit erfuhr ich
dann ganz beiläufig, wie eine Orgelpfeife oder ein Blasebalg funktioniert. (Die katholische Kirche
hat sogar heute noch LEBENDE Blase-Bälger [man nennt sie Chor-Knaben], die dem Pfarrer unter die
Kutte schlüpfen und ihm den Marsch blasen, während der seiner Kirchengemeinde über die Sünden
fleischlicher Lust Vorträge hält.) Der Pfarrer nahm mich gerne nach dem Gottesdienst mit zu sich nach Hause. Meine Mutter hatte mir zwar eingebläut, keinen fremden Männern zu vertrauen. Aber ich konnte ganz gut selbst auf mich aufpassen und auch selbst entscheiden, zu wem ich aufs Pferd steige oder wem ich unter die Kutte schlüpfe. Das muss mir kein Pfarrer von der Kanzel oder eine Mutter am Küchentisch predigen! Jedenfalls hatte der Pfarrer die Angewohnheit, nach dem Gottesdienst die Kollekte
auf seinen Küchentisch zu kippen und dann das Geld zu zählen. Und sogar abends, wenn ich nicht einschlafen konnte, zählte ich sie. Dem Pfarrer nannte ich dann einige Schäfchen weniger, sodass die Anzahl der Schäfchen halbwegs mit dem Betrag in der Kollekte übereinstimmte. Und am Ende waren alle zufrieden. Besonders ich, weil ich so gut zählen konnte. 😇 Auch wenn ich damals des Pfarrers Lieblingsschäfchen war, gibt ihm das noch lange nicht das Recht, mich adoptieren zu wollen! (Ich erhebe doch auch keinen Besitzanspruch auf das Gänseblümchen, das am Wegesrand mein Herz erfreut! Muss man denn gleich immer alles haben wollen, was einem das Herz höher hüpfen lässt?!) Meine Eltern fanden die Idee super, mich auf diese einfache und dazu noch legale Weise loszuwerden. Mein Vor-Namens-Vetter HÄNSEL sowie dessen Schwester Gretel wurden von ihren Eltern
ganz altmodisch im Wald ausgesetzt und damit der Hexe zum Fraß vorgeworfen. Hier nachlesen/anhören. Ich habe dem Pfarrer gesagt, wenn er an dieser idiotischen Idee festhält, würde ich
mich im Glockenturm am Seil aufhängen! An diesem Punkt trennten sich dann unsere Wege. Und ich setze hier den Weg mit meiner Mutter zum Metzger bzw. der eigentlichen Geschichte fort. Wir hatten es nicht weit zum Metzger, nur ein paar Schritte, denn die »Lange Straße«, in der wir
gemeinsam residierten (zu deutsch: hausten) war nicht wirklich lang. Aber wahrscheinlich gab es
schon eine »Kurze Straße«, die noch kürzer als unsere »Lange Straße« war. Ich hätte auch ungern
hier in meinen Lebenslauf geschrieben, dass ich in der »KURZEN Straße« das Licht der Welt erblickte
und meiner hübschen Freundin Renate fröhlich Blümchen pflückte. Damals hatte noch kein Mensch einen Kühlschrank, sodass wir ziemlich oft zum Fleischer gehen
mussten, wenn wir kein Gammelfleisch essen wollten. Ich lieeebte es, wenn die Leute ihre Arbeit oder ihr Schwätzchen unterbrachen, sobald »ICH DIE
BÜHNE BETRAT«! Im Laden befanden sich die erwähnten drei Mittelalterlichen sowie der Metzger, den ich hier aus
humanitären Gründen sowie aus Rücksicht auf unsere dahinvegetierenden Veganer »Fleisch- und
Wurstwaren-Produzent« nennen möchte, aus Gründen der Zeitersparnis aber kurz mit »Metzger«
tituliere. Liebe Leute, wenn eine OMA einkaufen geht, dann wird die Kunden-Schlange hinter ihr immer länger. Das sehen natürlich die Leute auf der Straße und denken sich, »Oh, da gibts wohl was, das es nur selten gibt!« Das konnte in der DDR praktisch ALLES sein! »Sonst stünden ja nicht so viele Leute an.« Also reihen sie sich artig in die Schlange ein, die inzwischen den gesamten Gehweg füllt und bis runter zum Marktplatz reicht. Das kriegen auch die Kunden der Markthändler mit und gesellen sich dazu, bis schließlich die gesamte Einwohnerschaft bei diesem Metzger ansteht – ohne allerdings zu wissen, WARUM man dort ansteht. In der DDR spielte es auch keine Rolle, für welches Produkt man anstand, weil ALLES Mangelware und somit begehrenswert war. Der Schöpfer hat mir nicht sehr viel Nützliches mitgegeben, davon aber eine ganze Menge,
besonders UNGEDULD! Ich habe mein Leben lang die besten Schnäppchen verpasst, auf wahnsinnig vieles verzichtet, weil ich nicht WARTEN konnte oder wollte. So hatte ich später, als ich erwachsen war, eine FREIBANK-Fleischerei direkt
gegenüber meiner Wohnung (in der DDR, wo es selten Fleisch zu kaufen gab). ℹ️ MELK-SCHEMEL sind einbeinige Hocker, die man sich mit einem Gürtel fest auf
den Hintern schnallt. Geht man in die Hocke, sitzt man automatisch auf dem Hocker (wahrscheinlich
hat er daher seinen Namen). Steht man, sieht es aus, als wenn einem ein Hockerbein im Hintern
steckt. Ich wecke meine Ich habe »mahlt« mit h geschrieben, weil ich denke (annehme, vermute),
dass das Sprichwort Leute meint, die in einer Mühle ihr Getreide gemahlen haben wollten. Das Sprichwort “Wer zuerst kommt, mahlt zuerst” stammt aus dem Bereich des Handwerks und bezieht sich auf das Mahlen von Getreide zu Mehl. Lag ich mit meiner Mutmaßung also gar nicht so verkehrt. 😁 Und warum ist diese Fleischerei nur einen einzigen Tag pro Woche geöffnet? Bricht sich z.B. ein Pferd die Hacken oder ein Schwein erliegt einem Hitzschlag,
dann wird es an Ort und Stelle notgeschlachtet, weil es sich nicht lohnen würde, das einzelne Tier
extra in eine Schlachterei zu transportieren. Trotzdem war dieses Fleisch sogar sehr viel preiswerter als »normales« Fleisch, sodass man es in großen Mengen kaufen konnte, ohne dass einem das ein Loch in die Haushaltskasse reißt. Natürlich war ich nicht so hirntot, mich schon nachts auf die Straße zu setzen (das
hätte ich nicht mal getan, wenn das Fleisch verschenkt worden wäre!), sondern ich habe oben am
Fenster abgewartet, bis der Kundenstrom verebbt war, dann erst bin ich über die Straße gegangen und
habe sämtliche »Reste« gekauft. Ich käme auch niemals auf die Idee, mich stundenlang vor ein Kaufhaus zu stellen und
es dann unter Lebensgefahr zu stürmen, nur weil es das 10er-Pack Unterhosen aus chinesischer
Produktion für 2 € verhökert. Oder beim Discounter das 20er-Pack Socken für 9 € zu
ergattern. Was können wohl Socken taugen, und wie viele Wäschen können die überstehen, wenn sie nur
45 Cent pro Paar kosten???
Bild-Dokument. Aber das alles war nur ein abschweifender Blick in die Zukunft, denn aktuell bin ich 5 Jahre
alt und stehe mit meiner Mutti immer noch beim Fleischer unseres Vertrauens (also dem einzigen
Fleischer der Stadt), um ein paar Wurstwaren zu ergattern. Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass ich Wörter wie »möchte« und »bitte« nicht in meinem Vokabular hatte. 5-Jährige verfügen nur über einen begrenzten Wortschatz, der sich auf die WESENTLICHEN Dinge des
Lebens beschränkt. Höflichkeitsfloskeln verwässern nur das eigentliche Anliegen und tragen nichts
zu dessen Erfüllung bei. Darum lasse ich sie weg. Es geht ja auch kein Wolfs-Junges zur Mutter und
bettelt: Herzallerliebstes Mütterlein, würdest du bitte die unendliche Güte haben,
mich an einer deiner zahlreichen Zitzen den mich nährenden Körpersaft schlürfen zu lassen?! Es
spricht nichts dergleichen, sondern geht hin, schnappt sich die mütterliche Titte und saugt und
kaut sie leer, bis nur noch Blut kommt! Meiner Mutter treibt mein Auftreten die Schamesröte ins Gesicht und wahrscheinlich auch in die
Zitzen. Sie beginnt, merklich zu schwitzen. Also, da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! SIE KANN WARTEN? Das sagt sie den Leuten ins
Gesicht, die sich IHRETWEGEN seit Stunden, wenn nicht gar Tagen die Beine in den Bauch stehen?! Die alte Dame kann nicht wissen, dass ich sie in diesem Moment verflucht habe. Und das bedeutet,
dass sie Gevatter Tod nun schon in seinem Terminkalender notiert hat. Wenn ich jemanden verfluche,
dann kannst du darauf warten, dass bald in der Nacht das Käuzchen ruft, um sein nahendes Ableben
anzukündigen. Da meine Mutter auf den Spruch der Oma nicht reagiert (die Wut schnürt ihr die Kehle zu), wendet
die sich an den Metzger: Geben Sie doch dem Jungen eine Bockwurst. ICH BEZAHLE
SIE. Da hört sich doch wohl alles auf! Der halb verhungerte Junge bettelt nach einer Bockwurst – und diese Rabenmutter versteigt sich in der Behauptung, er würde gar keine Bockwurst essen! – Ja wollen Sie uns weismachen, das Kind will damit spielen oder die Bockwurst aufpusten wie einen Luftballon?, empört sich eine Kundin. Eine andere äußert die Idee: Das sollte man dem Amt melden! (Mit AMT war das Jugendamt gemeint, dem ich schon hinlänglich bekannt war, seit ich einer Mitarbeiterin während eines Hausbesuches angedroht hatte, sie die steile Treppe runterzustoßen, wenn sie nicht sofort verschwindet – das hatte dann meine HEIM-Einweisung zur Folge. Aufmüpfige Kinder wurden in der DDR nicht geduldet!) Die mich Gebärende (gewissermaßen MEINE MUTTER) sieht sich wieder mal gezwungen, eine
Verteidigungsrede für sich selbst zu halten: Ich meine: Wenn eine Mutter weiß, dass ihr Kind keine Wurst mag, warum füttert sie es dann damit? Da könnte sie ihm doch auch einen Kaugummi zum Abendbrot geben. Das hätte sogar den Vorteil, dass der preiswerter als Wurst und zudem »wiederverwendbar« ist. Meine Mutter verfolgte damit den Zweck, dass ich »was auf die Rippen kriege«, weil ich dünn wie ein Schrubberstiel war. Aber sie hätte mich ja genauso gut auch mit EIS und KUCHEN mästen können. Das hätte sie mir niemals aus dem Mund holen müssen. DAS konnte die wartende/wütende Kundschaft allerdings unmöglich wissen, sodass sie diese »dumme
Ausrede« nicht gelten ließ und sich noch mehr ereiferte. Ich musste dieses Drama aber nicht bei jedem Wurst-Einkauf wiederholen. Denn das soeben Erlebte prägte sich ins kollektive Gedächtnis aller Einwohner ein, sodass ich »Hungerleider« ständig sogar von wildfremden Leuten etwas Leckeres zugesteckt bekam. Der Bäcker, den ich auch oft ohne meine nervige Mutter heimsuchte, hatte immer eine Tüte mit Kuchenkrümeln für mich da. Am liebsten mochte ich die Streusel vom gleichnamigen Kuchen, aber noch lieber waren mir Liebesknochen, Negerküsse und Windbeutel, wegen der leckeren Füllungen. Ja, okay, das war nicht politisch korrekt formuliert. Vor 4 Tagen (am 5.7.2023) hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Mohrenstraße künftig Anton-Wilhelm-Amo-Straße heißen darf. Es wird die Anwohner der Mohrenstraße sicher freuen, dass sie sich ihre neue Anschrift nun auf den Unterarm tätowieren lassen müssen, weil sie sich diesen verdammten neuen Namen nicht merken können! Der Namensgeber war ein afrikanisch-stämmiger Gelehrter im 18. Jahrhundert (ob er tatsächlich stämmig oder eher hager war, weiß der Geier; auf jeden Fall soll er ziemlich geleert gewesen sein). Also kein »Mohr« im landläufigen Sinn? 🤔 Grüne, SPD und Linke im Berliner Bezirk Mitte sind der Meinung, der Name Mohrenstraße sei rassistisch und kolonialistisch. Wenn das so ist, dann müssten auch einige Märchen umgeschrieben werden, zum Beispiel »Die Geschichte von dem kleinen Muck«, in dem ein Kleinwüchsiger mit ziemlich dunkler Hautfarbe die Hauptrolle spielt. Der Berliner Kurier hat zu diesem Thema am 8.9.2023 (zwei Monate, nachdem ich diese Seite online stellte) einen interessanten Artikel veröffentlicht, den man gelesen haben sollte: Hier kannst du ihn lesen. Und wenn man schon beim Straßen-, Backwaren- und Märchen-Umbenennen ist, wie wäre es mit »Schneewittchen und die sieben Kleinwüchsigen«? Ich staune ja, dass bisher noch kein »Frankfurter«, »Hamburger«, »Kasseler«, »Berliner« oder »Wiener« auf die Barrikaden gegangen ist, weil Lebensmittel seinen Stadtnamen tragen. Auch die »Pariser« scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass sie namentlich mit Kondomen gleichgesetzt werden. Na ja, das ist auch nur beleidigend, aber nicht rassistisch oder kolonialistisch. Als Kind liebte ich »NEGERKÜSSE«. Ich hätte mich aber niemals tatsächlich von
einem knutschen lassen! Nicht mal meine Oma durfte an mir rumlutschen! In meiner Kindheit haben wir »Räuber und Indianer« gespielt, uns »Indianer-Zelte«
gebaut und zum Fasching als »Indianer« verkleidet … Es soll auch heutzutage Kinder geben, die das
tun und sich einen Teufel darum scheren, dass sie damit als RASSISTEN gebrandmarkt sind! Vielleicht sollten wir uns (nicht nur diesbezüglich) an der Unbedarftheit und dem gesunden Menschenverstand von Kindern ein Beispiel nehmen und nicht alles so verbissen sehen … Ich denke, damit habe ich das eigentliche Thema erschöpfend durchgekaut … 🤭 |
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© 09.07.2023 HansiHerrmann.de
Letzte Änderung: 08.09.2025 21:39:44
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