Seilgärten in Kitas + Schulen
guv-si-8082

 ≡ Inhalt

≡ Inhalt

  1. Vorwort
  2. Niedrigseilgarten-Elemente
    1. Pädagogische Überlegungen
    2. Aufgaben des pädagogischen Personals
    3. Informationen zu Planung und Bau eines Seilgartens
  3. Besuch und Nutzung von Hochseilgärten im Rahmen von schulischen Veranstaltungen
    1. Pädagogische und methodische Überlegungen
    2. Voraussetzungen bei Schülerinnen und Schülern
    3. Aufgaben von Lehrkräften
    4. Auswahl des Anbieters
  4. Sicherungssysteme in Hochseilgärten
    1. V-Sicherung
    2. Toprope-Sicherung
    3. Selbstsicherung
  5. Anhang
    1. Weiterführende Informationen
    2. Nützliche Adressen
  6. Impressum

01. Vorwort

Auch in Kitas und Schulen sind immer häufiger niedrige Seilgartenelemente an Klettergeräten, Bäumen oder zwischen Holzstämmen mit Fundamenten zu finden.

Ein Seilgarten besteht grundsätzlich aus Tragwerksystemen (z.B. Masten, Bäume, Fundamente, Verankerungen, Abspannseile) und Aktionssystemen (Elemente, auf denen Bewegung stattfindet, Plattformen, Auf- und Abgänge).

Ein Hochseilgarten hat zusätzlich noch Sicherungssysteme zur Selbst- oder Fremdsicherung (vgl. Sicherungssysteme in Hochseilgärten⮧). Der Zugang zum Hochseilgarten ist beschränkt und nur unter fachlicher Aufsicht möglich.

Die Aktionen in einem Niedrigseilgarten finden ohne Sicherungssysteme in Höhen statt, aus denen der Übende kontrolliert abtreten oder abspringen kann. Die erreichbaren Tritthöhen bestimmen die Beschaffenheit des Untergrundes (vgl. DIN EN 1177 Stoßdämpfende Spielplatzböden). Der Zugang zu einem Niedrigseilgarten ist nicht beschränkt, eine Aufsicht zur Sicherung nicht erforderlich. Aus pädagogischen Gründen kann jedoch eine begleitende Aufsicht sinnvoll sein.

Vielfältig und attraktiv gestaltete Seilgärten oder Seilgartenelemente können bei entsprechender Anleitung die Motorik, Wahrnehmungsfähigkeit und Sozialkompetenzen der Aktiven fördern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Sicherheit und Gesundheit der Kinder und Jugendlichen gewährleistet wird. Wagnissituationen, die bei der Nutzung von Seilgärten oder einzelner Elemente beabsichtigt und bewusst aufgesucht werden, müssen vorhersehbar und einschätzbar sein. Risiken und Gefährdungen für die Gesundheit der Nutzer müssen ausgeschlossen sein.

Das Sicherheitsgefühl bei Kindern und Jugendlichen und das subjektiv empfundene Risiko können in Wagnissituationen individuell sehr unterschiedlich sein. Das Verhältnis von persönlichen Kompetenzen, Anliegen und Bedürfnissen einerseits und äußeren Anforderungen und Einflüssen andererseits ist dabei das Maß für die individuelle Sicherheit. Aus diesem Sicherheitsverständnis ergibt sich die Notwendigkeit, die Angebote auf die individuellen Bedürfnisse und Voraussetzungen anzupassen und sie entsprechend differenziert zu planen und durchzuführen.

02. Niedrigseilgarten-Elemente

02a. Pädagogische Überlegungen

Mit der Gestaltung von Niedrigseilgärten, z.B. in Kitas oder in Schulen der Primarstufe, können vielfältige Bewegungsanreize mit hohem Aufforderungscharakter geschaffen werden. Mut, Geschicklichkeit und Konzentration sind ebenso gefordert wie Kraft, Körperspannung und Gleichgewichtsfähigkeit. Zusätzlich werden soziale Verhaltensweisen gefördert, denn Absprachen, Rücksichtnahme oder auch Hilfestellung der Kinder untereinander tragen wesentlich zum Bewältigen von Seilgartenelementen bei.
Niedrigseilgärten sollten möglichst viele offene Bewegungsangebote für Kinder bieten. Mit dem Ziel, die eigenen motorischen Fähigkeiten zu erkennen und zu einer realistischen Selbsteinschätzung zu gelangen, ist das freiwillige und selbstbestimmte Aufsuchen von Kletter- und Balancierstationen ein wichtiges Kriterium. Kinder sollten in ihrer Bewegungsfreude unterstützt und ermuntert werden, neue Situationen auszuprobieren und eigene Lösungswege zu finden. Das Maß an Aufsicht und individueller Betreuung ist dabei abhängig vom Entwicklungsstand der Kinder.


02b. Aufgaben des pädagogischen Personals

Werden Seilgartenelemente angeboten, so muss das Personal, d.h. die Leitungskräfte und das Erziehungspersonal, eine Einweisung in den sicheren Betrieb erhalten haben.
Die Einweisung sollte durch den Erbauer erfolgen; die weitere Nutzung richtet sich nach diesen Vorgaben. Zu den Aufgaben des Personals gehört auch eine regelmäßige Sicht- und Funktionsprüfung (d.h. Prüfung auf äußerlich erkennbare Mängel und auf sichere Funktionsfähigkeit) und eine Dokumentation ihrer Ergebnisse (Protokoll, Gerätebuch o.ä.).


02c. Informationen zu Planung und Bau eines Seilgartens

Der Bau von stationären Seilgärten sollte von Fachfirmen durchgeführt werden. Bei Angebot und Auftrag können an den Erbauer folgende Anforderungen gestellt werden:

  • Vorlage einer statischen Berechnung, evtl. auch Überprüfung durch Belastungsversuche.
  • Einholen einer Baugenehmigung, falls dies von der zuständigen Behörde gefordert wird.
  • Vorlage aller notwendigen Gutachten (z.B. Boden und Baumgutachten mit Eignungsnachweis der ausgewählten lebenden Bäume).
  • Keine Verwendung von Drahtseilen (Verletzungsgefahr, schlechte Erkennbarkeit).
  • Vorlage eines Betriebshandbuchs oder einer -anleitung.
  • Regelmäßig wiederkehrende Prüfungen durch befähigte Personen bzw. Fachfirmen (mindestens einmal jährlich).
  • Bau und Bodengestaltung nach den jeweils gültigen Standards und Normen (DIN EN 15567 Seilgärten, Teil 1: Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren – und Teil 2: Anforderung an den Betrieb. Diese Norm wird voraussichtlich Anfang 2008 erscheinen).

03. Besuch und Nutzung von Hochseilgärten
im Rahmen von schulischen Veranstaltungen

03a. Pädagogische und methodische Überlegungen

Die Nutzung von Hochseilgärten im Schulsport sollte nicht nur ein isoliertes Angebot mit »Event-Charakter« darstellen, sondern vielmehr eingebettet werden in die Unterrichtsgestaltung nach den Richtlinien und Lehrplänen mit ihren pädagogischen Intentionen. Damit wird der Besuch eines Hochseilgartens zu einem Teil oder Höhepunkt einer langfristig angelegten Unterrichtsplanung unter didaktischen und methodischen Überlegungen.

Die methodische Aufbereitung von Lerninhalten ist – wie für den Sportunterricht allgemein – auch in der Erlebnispädagogik von besonderer Wichtigkeit, da hier durch eine Überforderung Ängste unterstützt oder sogar auf- und ausgebaut werden können. Es sind daher besondere Prinzipien zu berücksichtigen, die eine unterstützende und fördernde Wirkung bei der Nutzung von Seilgartenelementen haben können.

Unter anderem sind dies:

  • Der Prozess des Erlebens steht im Mittelpunkt.
  • Die Entscheidungsfreiheit und Zwanglosigkeit für alle beteiligten Kinder und Jugendlichen müssen möglich sein.
  • Die Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten soll gefördert und gefordert werden.
  • Sas Verantwortungsbewusstsein gegenüber anderen Beteiligten soll gefördert werden.
  • Es sollten Elemente ausgewählt werden, die von allen zu bewältigen sind.
  • Methodische Grundsätze sollten berücksichtigt werden (vom Leichten zum Schweren, vom Bekannten zum Unbekannten, etc.).
  • Gruppendruck ist zu vermeiden und die positive Unterstützung durch die Gruppe soll gefördert werden.
  • Der Einsatz und die Auswahl der Seilgartenelemente sollte auch vor dem Hintergrund der Übertragbarkeit auf Alltags- oder Lebenssituationen getroffen werden.

Ein Schwerpunkt erlebnispädagogischer Arbeit in Seilgärten im Rahmen des Schulsports liegt auf der Entwicklung von Sozial- und Selbstkompetenz. Neben den allgemeinen Zielsetzungen für den Schulsport bildet die Förderung von Verantwortung füreinander eine wichtige pädagogische Zielsetzung im Rahmen solcher Angebote.


03b. Voraussetzungen bei Schülerinnen und Schülern

Über das geplante Programm und die ggf. damit verbundenen Anforderungen sind die Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern vorab zu informieren. Da die körperlichen und psychischen Anforderungen bei der Bewältigung von Seilgartenelementen sehr hoch sein können, müssen vor dem Besuch von Hochseilgärten Informationen zu eventuellen körperlichen Einschränkungen (z.B. Verletzungen oder Erkrankungen) von den Schülerinnen und Schülern bzw. deren Eltern eingeholt werden.


03c. Aufgaben von Lehrkräften

Die Nutzung kommerzieller Hochseilgärten erfordert eine intensive Vorbereitung durch die unterrichtenden Lehrkräfte, da sich die Rahmenbedingungen dieses außerschulischen Lernorts grundsätzlich von denen der schulischen Sportstätte unterscheiden (z.B. viele Gruppen auf engem Raum, Unübersichtlichkeit des Geländes, Ablenkung durch die natürliche Umgebung, erschwerte Kommunikation durch größere Entfernung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern).
Auch wenn fachkundiges Personal die Lerngruppe übernimmt, ist die Lehrkraft für diese schulische Veranstaltung im schulrechtlichen Sinne, insbesondere für die Aufsicht, verantwortlich. Sie hat sich in der Vorbereitung über die örtlichen Gegebenheiten, den organisatorischen und inhaltlichen Ablauf, die Qualifikation des betreuenden Personals und die Sicherheitseinrichtungen und -verfahren zu informieren.

Des Weiteren sind für die inhaltliche Umsetzung und Organisation folgende Fragestellungen wichtig:

  • Welche Zielsetzung unterstützen die einzelnen Seilgartenelemente?
  • Wie viele Personen können an wie vielen Elementen gleichzeitig oder parallel beschäftigt werden?
  • Wie liegen die Verhältnisse zwischen Aktivität und passiver Teilnahme?
  • Wie sind die Verantwortlichkeiten durch die Art der jeweiligen Sicherungssysteme verteilt?

Soll die Lehrkraft in sicherheitstechnische Aufgaben mit eingebunden werden, so muss sicher gestellt sein, dass sie eine entsprechende Einweisung von geschultem Personal erhält und diese Aufgaben erfüllen kann. Sie muss die kontinuierliche Aufsicht über ihre Lerngruppe übernehmen und den Trainer und den Prozess unterstützen, z.B. durch organisatorische und disziplinarische Maßnahmen.

Mit dem Seilgartenbetreiber bzw. dem Betreuungspersonal ist insbesondere die Art der Beaufsichtigung über die Lerngruppe abzuklären – insbesondere an den Stellen im Seilgarten, an denen die Selbstsicherungen von den Schülerinnen und Schülern selbsttätig aus- und umgehängt werden müssen, um ein neues Aktionselement zu erreichen (vgl. Selbstsicherung⮧).


03d. Auswahl des Anbieters

Bei der Nutzung von Seilgärten im Rahmen von Schulausflügen, Kursprogrammen oder zur Einbettung in den Unterricht hat die verantwortliche Lehrkraft im Vorfeld zu überprüfen, ob das zu besuchende Objekt den gängigen Standards oder Normen entspricht. Hierzu sollte sie sich vom Betreiber bestätigen lassen, dass der ausgewählte Seilgarten nach aktuellen Standards (z.B. ERCA – European Ropes Course Association, 2004) und Normen gebaut wurde, betrieben wird und eine regelmäßige Prüfung nachgewiesen ist.

Betreiber von Seilgärten sind nach der Übergabe der erstellten Anlage durch den Erbauer für den ordnungsgemäßen Betrieb und die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ihres Seilgartens verantwortlich und haftbar. Die hierfür notwendigen Aufgaben und Pflichten sind abhängig von der Konstruktion und Lage der Anlage. Bestimmte Maßnahmen gelten jedoch für alle Seilgärten. Diese Aufgaben und Maßnahmen werden auch als Aufsichts- und Sorgfaltspflichten bezeichnet. Der Betreiber muss klar regeln, welche Personen welche Art der Verantwortung zu welchem Zeitpunkt haben und wie diese wahrgenommen wird.
Folgende Punkte sind mit dem Betreiber abzuklären:

  • Durchführung einer Gefährdungsanalyse.
  • Einsatz von geschultem Personal.
  • Betrieb nach gängigen Standards und Normen.
  • Durchführung von Sicht- und Funktionsprüfungen sowie wiederkehrenden Prüfungen der gesamten Anlage inkl. des Sicherungsmaterials.
  • Sicht- und Funktionsprüfung der Sicherungsmaterialen vor jeder Nutzung.
  • Sicherstellen des ordnungsgemäßen Einsatzes und Gebrauchs der verwendeten Sicherungssysteme.
  • Vermeidung einer unbefugten Nutzung durch Dritte.
  • Bereitstellung eines Notfallplans (u.a. Erste-Hilfe-Maßnahmen, Rettungsverfahren, Übungen).
  • Führen eines Betriebshandbuches.

Bestehen nach Einholen dieser Informationen Zweifel an der Seriosität des Anbieters, die nicht ausgeräumt werden können, sollte die verantwortliche Lehrkraft das Angebot ablehnen und sich um Alternativen bemühen.

04. Sicherungssysteme in Hochseilgärten

In der Praxis haben sich bis heute drei Sicherungssysteme etabliert, die hier kurz vorgestellt werden sollen.

04a. V-Sicherung

GUV-SI 8082 Hochseil V‑Sicherung (auch bekannt als M-, N- oder Teamsicherung).
Sie wird über mehrere Umlenkpunkte per Handkraft und ohne zusätzliche Sicherungsgeräte betrieben.
Die Bezeichnung mit Buchstaben ergibt sich aus dem optisch erkennbaren Verlauf des Sicherungsseils.


04b. Toprope-Sicherung

GUV-SI 8082 Hochseil Toprope-Sicherung Bekannt und übernommen aus dem Berg- und Klettersport.
An jedem Sicherungsseil sind ein Akteur und zwei Sichernde aktiv.


04c. Selbstsicherung

GUV-SI 8082  Hochseil Selbst-Sicherung auch bekannt als Lauf-, Cowtail-, Incentive- oder Klettersteigsicherung.
Eine Y‑förmige Sicherung mit zwei Karabinern, die meist an horizontalen Sicherungstragseilen eingehängt und mitgeführt wird.
Bei jedem Elementwechsel muss die Sicherung meistens aus- und wieder eingehängt werden.

05.  Anhang

05a. Weiterführende Informationen

Seilgärten – Nutzung und Bau von Niedrig- und Hochseilgärten.
(Hrsg. Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen, GUVV Westfalen-Lippe, Rheinischer GUVV)
GUV-SR 2002 – Richtlinien für Kitas – Bau und Ausrüstung
GUV‑SI 8013 – Klettern in Kitas und Schulen
GUV-V S1 – Unfallverhütungsvorschrift Schulen
DIN EN 1176‑1 Spielplatzgeräte
DIN EN 1177 Stoßdämpfende Spielplatzböden
Entwurf DIN EN 15567 Seilgärten (Teil 1 und 2)
ERCA European Ropes Course Association 2004: Standards für mobile und stationäre Ropes Courses


05b. Nützliche Adressen

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
🖃 Fockensteinstr. 1, 81539 München
www.dguv.de
European Ropes Course Association (ERCA)
🖃 Klaus‑Müller‑Kilian‑Weg 2, 30167 Hannover
www.erca.uk

Impressum

GUV-SI guv-si-8082 Cover

Herausgeber
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (D‌G‌U‌V)
🖃 Glinkastraße 40, 10117 Berlin
(030) 288 763 800
📠 (030) 288 763 808
info@dguv.de
www.dguv.de
Ausgabe Dezember 2007
Medienproduktion am Standort München:
🖃 Fockensteinstraße 1, 81539 München
http://regelwerk.unfallkassen.de
Redaktion:
Sachgebiet Sport und Bewegung der Fachgruppe Bildungswesen.
Auf Grundlage der Broschüre »Seilgärten« (Nutzung und Bau von Niedrig- und Hochseilgärten)
herausgegeben von Landesunfallkasse NRW, GUVV Westfalen-Lippe und
Rheinischem GUVV (Schriftenreihe Prävention in NRW, Heft 9)
Fotos:
Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen, GUVV Westfalen-Lippe, Rheinischer GUVV
Zu beziehen vom zuständigen Unfallversicherungsträger.





© 18.03.2015 HansiHerrmann.de