SGB VIII, § 8a

Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe

§ 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung🔗

Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen.

Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.

§ 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen🔗
  • Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann

Gilt für das Land Berlin

Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII bei Kindeswohlgefährdung
Standards für dienstliche Regelungen für in der Kinder- und Jugendhilfe tätige Fachkräfte zur Erfüllung des Schutzauftrages nach § 8a Abs. 1 SGB VIII bei Kindeswohlgefährdung

(Auszüge)
1. Gewichtige Anhaltspunkte
  • Auslöser der Wahrnehmung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII sind »gewichtige Anhaltspunkte« für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen.
  • Das sind konkrete Hinweise auf Handlungen gegen Kinder und Jugendliche oder Lebensumstände, wonach eine erhebliche Schädigung für das leibliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder Jugendlichen drohen könnte, unabhängig davon, ob sie durch eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes oder Jugendlichen, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten bestehen (vgl. hierzu auch § 1666 BGB).
  • »Gewichtige Anhaltspunkte« können aus direkten oder indirekten Mitteilungen, Beobachtungen bzw. Schlussfolgerungen aus verschiedenen Informationsquellen gewonnen werden. Hierzu gehören durchaus auch schlüssig vorgetragene und ernsthaft erscheinende anonym vermittelte Informationen.
  • 2. Erreichbarkeit des Jugendamtes für Informationen über Kindeswohlgefährdungen
  • Jede Meldung beim Krisendienst des Jugendamtes wird an die fallzuständige Fachkraft der zuständigen regionalen Organisationseinheit weitergeleitet. Wenn diese nicht erreichbar ist, übernimmt der Tagesdienst des RSD die Bearbeitung. Ist nachweislich eine Übernahme der weiteren Bearbeitung durch diese fallzuständige Fachkraft nicht möglich, stellt eine andere geeignete Fachkraft die unverzügliche Abklärung und Intervention von etwaigen Maßnahmen in jedem Fall sicher.
  • 3. Verfahrensstandards zur Risikoabschätzung
  • Auf der Grundlage der berlineinheitlichen Indikatoren- und Risikofaktoren zur Erkennung und Einschätzung von Gefährdungssituationen sind alle in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Fachkräfte verpflichtet, bei der Feststellung von Anzeichen von Kindeswohlgefährdungen tätig zu werden.
  • 3.2 Hinweise zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos
  • Die Verfahrensdauer von der ersten Wahrnehmung einer Gefährdung bis zur konkret notwendigen Reaktion (z.B. Gespräch mit den Personensorgeberechtigten, Angebot von Hilfen, Inobhutnahme, Verständigung der Polizei, Staatsanwaltschaft) ist um so kürzer, je gravierender die Gefährdung ist. Bereits bei der ersten Risikoabschätzung ist daher immer ebenfalls abzuwägen, ob ein sofortiges Einschreiten erforderlich ist oder ob und wie lange zugewartet werden kann.
  • Weiterhin ist die Schutzbedürftigkeit maßgeblich nach dem Alter, dem Entwicklungsstand und dem aktuellen gesundheitlichen Zustand zu beurteilen. Je jünger das Kind, desto höher ist das Gefährdungsrisiko einzuschätzen
  • 3.2.1 Vor-Ort-Besuch bei Vernachlässigungs- und Misshandlungsverdacht
  • Zur fundierten Einschätzung eines Gefährdungsrisikos ist in der Regel ein unverzüglicher und unangemeldeter Vor-Ort-Besuch (Hausbesuch, Besuch in einer Einrichtung) erforderlich. Je jünger ein Kind ist, umso rascher sollte dieser Besuch erfolgen. Dieser ist grundsätzlich zu zweit, nach Möglichkeit von einer weiblichen und einer männlichen Fachkraft gemeinsam durchzuführen.
  • 3.3 Inobhutnahme bei dringender Gefährdung des Kindeswohls
  • Ist nach erster Beurteilung der beim Vor-Ort-Termin vorgefundenen Situation von einer weiteren nicht unerheblichen akuten Gefährdung des Kindes auszugehen, wenn es bei den Eltern / Sorgeberechtigten verbleiben bzw. unmittelbar ins Elternhaus zurückkehren würde, ist das Kind vorläufig in die Obhut des Jugendamtes zu nehmen. Die Inobhutnahme gegen den erklärten Willen der Eltern bzw. Sorgeberechtigten setzt voraus, dass aufgrund der dringenden Gefährdung eine richterliche Entscheidung über die kurzfristige Fremdunterbringung nicht abgewartet werden kann.
  • 10. Wächteramt / Garantenstellung – zur Haftung der sozialpädagogischen Fachkraft
  • Strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann die sozialpädagogische Fachkraft nur dann, wenn sie durch das Unterlassen einer Handlung eine Straftat wie z.B. Kindesmisshandlung oder Kindesmissbrauch vorhersehbar ermöglicht hat, man ihr also Fahrlässigkeit nachweisen kann und sie dies auf Grund einer Garantenstellung hätte vermeiden müssen (vgl. § 13 Abs. 1 StGB). So haben nach der Rechtsprechung die Mitarbeiter/innen von kommunalen Jugendämtern und Sozialdiensten sowie die von ihnen beauftragten Mitarbeiter/innen von Trägern der freien Jugendhilfe als Beschützergaranten kraft Pflichtübernahme strafrechtlich dafür einzustehen, wenn von ihnen mitbetreute Kinder durch vorhersehbare vorsätzliche Misshandlungen durch die Mutter oder durch einen von ihr beauftragten ungeeigneten Dritten körperlich verletzt werden oder zu Tode kommen

  • § Rechtlicher Hinweis
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