Kinder fragen den Autor
🧒: Hat es den Hirbel wirklich gegeben?
👴: Ja, es hat den Hirbel gegeben. Aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist,
dass ihr von Kindern erfahrt, die so krank sind wie er, die so leben müssen, in Krankenhäusern und
Heimen.
🧒: War der Hirbel richtig krank? Was ist das für eine Krankheit?
👴: Wahrscheinlich hatte er zweierlei Krankheiten: eine, die der Arzt feststellen
kann – das Kopfweh, die Krämpfe, die Bauchschmerzen. So sieht eine richtige Krankheit aus. Sie wird
auch einen schwierigen Namen haben. Die andere Krankheit können Ärzte nicht heilen: Der
Hirbel war krank, weil sich niemand um ihn kümmerte, weil er fast nur in
Heimen und Krankenhäusern lebte, weil niemand mit ihm spielte und ihm auch niemand vertraute. Das
ist, finde ich, die schlimmere Krankheit. Sie ist unheilbar, wenn nicht jeder hilft, wenn es nicht
Menschen gibt, die Kinder wie den Hirbel gern haben.
🧒: Aber das Fräulein Maier hat den Hirbel doch gern
gehabt!
👴: Wahrscheinlich genügt das nicht. Es müssen mehrere Leute sein, und er muss
unter ihnen leben können, normal leben können, dann kann er erst lernen, wie Leben ist.
🧒: Können solche Kinder wieder gesund werden?
👴: Nicht oft. Wir alle haben zu wenig Zeit, um uns um sie zu kümmern. Deshalb
bleiben sie krank.
🧒: Dann müssen eben diese Heime schöner werden.
👴: Das kostet eine Menge Geld. Und für dieses Geld bauen die Leute lieber
Straßen, Autos, Flugzeuge, Häuser und sorgen für ihre Bequemlichkeit.
🧒: Aber vielleicht braucht es die Heime gar nicht?
👴: Wer krank ist, muss gepflegt werden. Er braucht Hilfe.
🧒: Solche Heime helfen ja nicht nur!
👴: Nein. Man könnte auch anders helfen. Aber das wäre anstrengend. Und viele
Leute müssten anders sein, als sie jetzt sind. Sie müssten nachdenken über Kinder wie
Hirbel – die man vergisst, weil die Heime sie einem abnehmen. Dann sind sie
einfach verschwunden.
🧒: Sie sind verrückt und stellen tolle Sachen an.
👴: Vielen Unsinn machen sie nur, weil wir uns gar nicht die Mühe geben, sie zu
verstehen. Wir haben keine Geduld. Sie könnten in Kindergärten mitspielen, wenn alle Rücksicht
nähmen und sich niemand über sie lustig machte. Es könnte auch Schulen für sie geben. Und
Pflegeeltern, die gelernt haben, für solche “Hirbels” Pflegeeltern zu
sein.
🧒: Aber das gibt es alles nicht?
👴: Nein. Deswegen war der Hirbel auch im Heim. Und danach in der Klinik. Und so
hat man ihn vergessen.
Peter Härtling
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