📅 Montag, 11. September Schönster Altweibersommer! Noch einmal Menschen in T‑Shirts und Sandalen in den Straßencafes und Biergärten. Bisher keine besonderen Vorkommnisse in der Hauptstraße. Dann plötzlich um 10:47 Uhr kommt der Befehl von Aldi-Geschäftsführer Erich B.: »Fünf Paletten Lebkuchen und Spekulatius in den Eingangsbereich!« Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst reagiert Lidl-Geschäftsführer Martin O. eher halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse. 15:07 Uhr: Edeka-Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und operiert mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage. 16:02 Uhr: Die Filialen von Penny und Extra bekommen Kenntnis von der Offensive, können aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten und fordern ein Weihnachts-Stillstandsabkommen bis zum 25. September. Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis. 📅 Dienstag, 12. September 7:30 Uhr: Im Eingangsbereich von Karstadt bezieht überraschend ein Esel mit Rentierschlitten Stellung, während zwei Weihnachtsmänner vom studentischen Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachtswünschen verhören. Zeitgleich erstrahlt die C&A-Fassade im gleißenden Schein von 260.000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen. Immerhin haben jetzt auch Karstadt, Peek&Cloppenburg und Real den Ernst der Lage erkannt. 📅 Mittwoch, 13. September 09:00 Uhr: Edeka setzt Krippenfiguren ins Gemüse. Tchibo bietet Weihnachtsbaumständer und Baumschmuck zum Mitnahmepreis an. 09:12 Uhr: Minimal kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal. 10:05 Uhr: Bei Karstadt verirren sich dutzende Kunden in einem Wald von Weihnachtsbäumen. 12:00 Uhr: Neue Dienstanweisung bei Extra: An der Käsetheke wird mit sofortiger Wirkung ein »Frohes Fest« gewünscht. Die Schlemmerabteilung von Real kündigt für den Nachmittag Vergeltungsmaßnahmen an. 📅 Donnerstag, 14. September 07:00 Uhr: Karstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster. 08:00 Uhr: In einer eilig einberufenden Krisensitzung fordert der aufgebrachte Penny-Geschäftsführer Walter T. von seinen Mitarbeitern lautstark: »Weihnachten bis zum Äußersten« und verfügt den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz gefürchteten CD »Weihnachten mit Mireille Mathieu« über Deckenlautsprecher. Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig. 📅 Freitag, 15. September 08:00 Uhr: Anwohner der Hauptstraße versuchen mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung, die nun von Karstadt angedrohte Musik-Offensive »Heiligabend mit Peter Maffay« zu stoppen. 09:14 Uhr: Ein Aldi-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor »Adveniat«, der gerade vor Karstadt zum großen Weihnachtsoratorium ansetzen wollte. 09:30 Uhr: Aldi dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse, sondern um Christbaumkugeln gehandelt. 18:00 Uhr: In der Stadt kommt es kurzfristig zu ersten Engpässen in der Stromversorgung, als der von Tengelmann beauftragte Rentner Erwin Z. mit seinem Flak-Scheinwerfer Marke »Varta Volkssturm« den Stern von Bethlehem an den Himmel zeichnet. 📅 Sonnabend, 16. September Die Fronten verhärten sich, die Strategien werden zunehmend aggressiver. 10:37 Uhr: Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und gibt zu
Protokoll, sie sei soeben auf dem Minimal-Parkplatz zum Verzehr von Glühwein und Christstollen
gezwungen worden. 12:00 Uhr: Seit gut einer halben Stunde beschießen Karstadt, Edeka und Minimal die Einkaufszone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und Streupflicht an. Vergeblich! 14:30 Uhr: Teile des inneren Stadtbezirks sind unpassierbar. Eine Hubschrauberstaffel des Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen: Menschen wie du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne bummeln wollten. |
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© 08.12.2014 HansiHerrmann.de
Letzte Änderung: 08.09.2025 21:39:42
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