Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten, sie sollte ihnen ihre RĂ€tsel vorlegen;
es wÀren die rechten Leute angekommen, die hÀtten einen feinen Verstand, dass man ihn wohl in eine
Nadel fÀdeln könnte. Da sprach die Prinzessin: »Ich habe zweierlei Haar auf dem
Kopf, von was fĂŒr Farben ist das?« â »Wennâs weiter nichts ist,« sagte der
erste, »es wird schwarz und weiĂ sein wie Tuch, das man KĂŒmmel und Salz
nennt.« Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum BĂ€ren gebracht. Der BĂ€r wollte auch gleich auf den kleinen Kerl los und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. »Sachte, sachte,« sprach das Schneiderlein, »ich will dich schon zur Ruhe bringen.« Da holte es ganz gemĂ€chlich, als hĂ€tt es keine Sorgen, welsche NĂŒsse aus der Tasche, biss sie auf und aĂ die Kerne. Wie der BĂ€r das sah, kriegte er Lust und wollte auch NĂŒsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Handvoll; es waren aber keine NĂŒsse, sondern Wackersteine. Der BĂ€r steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beiĂen, wie er wollte. Ei, dachte er, was bist du fĂŒr ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die NĂŒsse aufbeiĂen, und sprach zum Schneiderlein: »Mein, beiĂ mir die NĂŒsse auf!« â »Da siehst du, was du fĂŒr ein Kerl bist,« sprach das Schneiderlein, »hast so ein groĂes Maul und kannst die kleine Nuss nicht aufbeiĂen.« Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafĂŒr eine Nuss in den Mund und knack! war sie entzwei. »Ich muss das Ding noch einmal probieren,« sprach der BĂ€r, »wenn ichâs so ansehe, ich mein, ich mĂŒsstâs auch können.« Da gab ihm das Schneiderlein abermals Wackersteine, und der BĂ€r arbeitete und biss aus allen LeibeskrĂ€ften hinein. Aber du glaubst auch nicht, dass er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein StĂŒckchen darauf. Als der BĂ€r die Musik vernahm, konnte er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, dass er zum Schneiderlein sprach: »Hör, ist das Geigen schwer?« â »Kinderleicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehtâs lustig, hopsasa, vivallalera!« â »So geigen,« sprach der BĂ€r, »das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte, so oft ich Lust hĂ€tte. Was meinst du dazu? Willst du mir Unterricht darin geben?« â »Von Herzen gern,« sagte das Schneiderlein, »wenn du Geschick dazu hast. Aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muss dir die NĂ€gel ein wenig abschneiden.« Da ward ein Schraubstock herbeigeholt, und der BĂ€r legte seine Tatzen darauf; das Schneiderlein aber schraubte sie fest und sprach: »Nun warte, bis ich mit der Schere komme!« lieĂ den BĂ€ren brummen, soviel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh und schlief ein. Die Prinzessin, als sie am Abend den BĂ€ren so gewaltig brummen hörte, glaubte nicht anders, als
er brummte vor Freuden und hÀtte dem Schneider den Garaus gemacht. Am Morgen stand sie ganz
unbesorgt und vergnĂŒgt auf; wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz
munter davor und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen
sagen, weil sieâs öffentlich versprochen hatte, und der König lieĂ einen Wagen kommen, darin musste
sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermÀhlt werden. Wie sie eingestiegen
waren, gingen die beiden anderen Schneider, die ein falsches Herz hatten und ihm sein GlĂŒck nicht
gönnten, in den Stall und schraubten den BÀren los. Der BÀr in voller Wut rannte hinter dem Wagen
her. Die Prinzessin hörte ihn schnauben und brummen. Es ward ihr angst, und sie rief:
»Ach, der BÀr ist hinter uns und will dich holen!« Das Schneiderlein war fix,
stellte sich auf den Kopf, streckte die Beine zum Fenster hinaus und rief: »Siehst
du den Schraubstock? Wann du nicht gehst, so sollst du wieder hinein.« Wie der BÀr das sah,
drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche, und die Prinzessin ward
ihm an die Hand getraut, und er lebte mit ihr vergnĂŒgt wie eine Heidlerche. |
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Letzte Ănderung: 08.09.2025 21:23:26
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