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Hans Huckebein, der UnglĂŒcksrabe
Von Wilhelm Busch

Bild 1/48 Hier sieht man Fritz, den muntern Knaben,
nebst Huckebein, dem jungen Raben.

Bild 2/48 Und dieser Fritz, wie alle Knaben,
will einen Raben gerne haben.

Bild 3/48 Schon rutscht er auf dem Ast daher,
der Vogel, der misstraut ihm sehr.

Bild 4/48 Schlapp! macht der Fritz von seiner Kappe
mit Listen eine Vogelklappe.

Bild 5/48 Beinahe hÀtt er ihn! Doch ach!
Der Ast zerbricht mit einem Krach.

Bild 6/48 In schwarzen Beeren sitzt der Fritze.
Der schwarze Vogel in der MĂŒtze.

Bild 7/48 Der Knabe Fritz ist schwarz betupft.
Der Rabe ist in Angst und hupft.

Bild 8/48 Der schwarze Vogel ist gefangen.
Er bleibt im Unterfutter hangen.

Bild 9/48 »Jetzt hab ich dich, Hans Huckebein!
Wie wird sich Tante Lotte freun!«

Bild 10/48 Die Tante kommt aus ihrer TĂŒr.
»Ei!« spricht sie, »welch ein gutes Tier!«

Bild 11/48 Kaum ist das Wort dem Mund entflohn,
schnapp! hat er ihren Finger schon.

Bild 12/48 »Ach!« ruft sie, »Er ist doch nicht gut!
Weil er mir was zuleide tut!«

Bild 13/48 Hier lauert in des Topfes Höhle
Hans Huckbein, die schwarze Seele.

Bild 14/48 Den Knochen, den er Spitz gestohlen,
will dieser jetzt sich wieder holen.

Bild 15/48 Sie ziehn mit Knurren und GekrÀchz,
der eine links, der andre rechts.

Bild 16/48 Schon denkt der Spitz, dass er gewinnt,
da zwickt der Rabe ihn von hint.

Bild 17/48 Oh weh! Er springt auf Spitzens Nacken,
um ihm die Haare auszuzwacken.

Bild 18/48 Der Spitz, der Àrgert sich bereits.
Und rupft den Raben seiner­seits.

Bild 19/48 Derweil springt mit dem Schinkenbein
der Kater in den Topf hinein.

Bild 20/48 Da sitzen sie und schaun und schaun. –
Dem Kater ist nicht sehr zu traun.

Bild 21/48 Der Kater hackt den Spitz, der schreit.
Der Rabe ist voll Freudigkeit.

Bild 22/48 Schnell fasst er, weil der Topf nicht ganz,
mit schlauer List den Kater­schwanz.

Bild 23/48 Es rollt der Topf. Es krĂŒmmt voll Quale
des Katers Schweif sich zur Spirale.

Bild 24/48 Und Spitz und Kater fliehn im Lauf. –
Der grĂ¶ĂŸte Lump bleibt obenauf!!

Bild 25/48 Nichts Schönres gabs fĂŒr Tante Lotte
als Schwarze­heidelbeer­kompotte.

Bild 26/48 Doch Huckebein verschleudert nur
die schöne Gabe der Natur.

Bild 27/48 Die Tante naht voll Zorn und Schrecken.
Hans Huckebein verlÀsst das Becken.

Bild 28/48 Und schnell betritt er, angstbeflĂŒgelt,
die WĂ€sche, welche frisch gebĂŒgelt.

Bild 29/48 Oh weh! Er kommt ins Tellerbord.
Die Teller rollen rasselnd fort.

Bild 30/48 Auch fĂ€llt der Korb, worin die Eier –
ojemine! – und sind so teuer!

Bild 31/48 Patsch! fÀllt der Krug. Das gute Bier
ergießt sich in die Stiefel hier.

Bild 32/48 Und auf der Tante linken Fuß
stĂŒrzt sich des Eimers Wasserguss.

Bild 33/48 Sie hÀlt die Gabel in der Hand,
und auch der Fritz kommt angerannt.

Bild 34/48 Perdums! Da liegen sie. – Dem Fritze
dringt durch das Ohr die Gabelspitze.

Bild 35/48 Dies wird des Raben Ende sein
– so denkt man wohl â€“ doch leider nein!

Bild 36/48 Denn, schnupp!, der Tante Nase fasst er,
und nochmals triumphiert das Laster!

Bild 37/48 Jetzt aber naht sich das Malheur,
denn dies GetrÀnke ist Likör.

Bild 38/48 Es duftet sĂŒĂŸ. – Hans Huckebein
taucht seinen Schnabel froh hinein.

Bild 39/48 Und lĂ€sst mit stillvergnĂŒgtem Sinnen
den ersten Schluck hinunterrinnen.

Bild 40/48 Nicht ĂŒbel! – Und er taucht schon wieder
den Schnabel in die Tiefe nieder.

Bild 41/48 Er hebt das Glas und schlĂŒrft den Rest,
weil er nicht gern was ĂŒbrig lĂ€sst.

Bild 42/48 Ei, ei! Ihm wird so wunderlich,
so leicht und doch absunderlich.

Bild 43/48 Er krÀchzt mit freudigem Getön
und muss auf einem Beine stehn.

Bild 44/48 Der Vogel, welcher sonsten fleucht,
wird hier zu einem Tier, das kreucht.

Bild 45/48 Und Übermut kommt zum Beschluss,
der alles ruinieren muss.

Bild 46/48 Er zerrt voll roher Lust und TĂŒcke
der Tante kĂŒnstliches Gestricke.

Bild 47/48 Der Tisch ist glatt – der Böse taumelt â€“
das Ende naht â€“ sieh da! Er baumelt!

Bild 48/48 »Die Bosheit war sein HauptplÀsier.
Drum«
, spricht die Tante, »hÀngt er hier!«

Schlusswort

Sosehr sein Ende mich bewegt,
ich durft es anders nicht vermelden.
Er stirbt. Denn tragisch angelegt
war der Charakter dieses Helden.

Gar manches ist vorherbestimmt.
Das Schicksal fĂŒhrt uns in BedrĂ€ngnis.
Doch wie man sich dabei benimmt,
ist unsre Schuld und nicht VerhÀngnis.

Drum bleibts dabei! – Denn die Moral
Ist hier kein leeres Wortgeklingel –
Und lebte Huckebein auch noch mal,
er bliebe doch der alte Schlingel!




© 09.01.2013 HansiHerrmann.de